Ein paar Organisation-bezogene Gedanken zum Wannsee-Komplex gestern im ZDF. Das für viele Betrachter der #Wannseekonferenz -Filme (es gibt ja Filme und Dokus zuvor) Erschreckende oder tief Irritierende liegt ja keineswegs daran, dass diese Konstellation einem so völlig fremd sei.
Sondern, im Gegenteil, in der Vertrautheit. Präziser ist es der Kontrast von Fremdheit und Vertrautheit in einem. Solche Lenkungs- und Leitungskreise findet man abseits des Inhalts bis heute in den Führungsstrukturen von Staat und Wirtschaft.
Gästehaus, Besprechung, Frühstück. Die Nationalsozialisten haben an Organisatorischem nichts erfunden, sondern alles Bestehende in Kontinuität genutzt. Das Verfahren selbst ist höchst human, bedacht, stilvoll, keineswegs totalitär.
Selbst beim Hitlergruß wird gespart. Das Andere ist: Ein Völkermord ist auch in einem NS-System kein Selbstläufer. Man muss Leute bearbeiten, Bedenken zerstreuen, Involvierung erzwingen. Das Ergebnis steht fest, aber man muss Zustimmung ,nachholen‘.
Heydrich als Vorsitzender spricht ja im Film in diskreter Szene: "Die Herren sollen ruhig wissen, woran sie sich beteiligen. Das schließt die Reihen.", wie auch später Götz Aly noch mit klugen Worten in der ZDF-Doku einordnen wird.
Diese Vereinnahmung auch gegen Widerstand und Bedenken (also deren Kleinhacken und Beseitigen) ist eine feste empirische Beobachtung solcher Beratungs-, Zentral- und Sondergremien bis heute an der Spitze diverser Organisationen/Bürokratien.
Bettina Heintz hat das am Beispiel außenpolitischer Gremien einmal "Verstrickung ins Verfahren" genannt. Ob Beteiligte wirklich glaubten/wollten, was sie mit entschieden, sei im Prinzip belanglos. Entscheidend sei kommunikative Bekräftigung vor aller Augen.
Aus diesen Bekräftigungen folgt, dass spätere Distanznahme erschwert wird. Unter dem nahenden Desaster der Kriegsführung war ein solcher Beschluss, wie Aly doch gut ausführt, nicht nur Akt der Radikalisierung, sondern der inneren Disziplinierung.
In Mixtur aus zivilisierter Bürokratie, Ordnung und Routine einerseits, der Erzeugung von Dringlichkeit und Vereinnahmung andererseits und schließlich einer geradezu formal rationalen Plausibilisierung des Ganzen, darin liegt die analytische, ja, Faszination der Wannseekonferenz.
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