Kurzer Einschub: Ich hatte letztes Jahr zusammengefasst, was über das Thema bekannt ist. Da sind auch ein paar der hier besprochenen Effekte etwas ausführlicher erklärt.
2/15 scilogs.spektrum.de/fischblog/unfr…
Die neuen Ergebnisse stammen aus Untersuchungen an 11 an #Covid19 verstorbenen Männern. Das hat den Nachteil, dass man hier nur die Effekte schwerster Verläufe sieht. Aber nicht tödlich erkrankte Männer rücken gemeinhin nur sehr ungern geeignete Untersuchungsobjekte raus.
3/15
Das heißt, wir wissen schlicht nicht, ob und in welchem Maße diese Prozesse auch bei harmlosen Verläufen auftreten. Ich habe da eine begründete Vermutung, aber dazu später mehr.
Erst einmal die Befunde der aktuellen Untersuchung.
4/15
Zum einen hat die Arbeitsgruppe nach eigenen Angaben infizierte Zellen in den Hoden gefunden, nachgewiesen anhand von N- und S-Protein, viraler RNA, und außerdem infektiöses Virus aus einem der Hoden isolieren können.
5/15
Außerdem schreiben sie von infizierten Immunzellen, aber IMO unterscheidet die Methode da nicht zwischen Infektion und aktiver Aufnahme. Monocyten und Makrophagen fressen alles mögliche körperfremde Zeug, z.B. auch mit Antikörpern bedeckte Viren.
6/15
Auf jeden Fall scheinen die Hoden infiziert zu sein, mit den Folgen, die man schon in früheren vergleichbaren Untersuchungen gesehen hat: Schäden am Samenleiter und Leydig-Zellen, die Hormone ins Sperma abgeben. Entsprechend war auch extrem wenig Testosteron in den Hoden.
7/15
Außerdem scheinen Spermienvorläuferzellen infiziert und zerstört zu werden. Ob diese Schäden durch die Infektion oder die Entzündung zustande kommen, ist aus meiner Sicht aber unklar. Einerseits schreibt die Gruppe , das Virus würde die Hoden stärker befallen als vermutet.
8/15
Das spräche für direkte Schäden durch Infektion. Andererseits scheinen u.a. die Leydig-Zellen nur teilweise befallen worden zu sein. Gleichzeitig vermeldet die Gruppe auch Indizien für eine starke Entzündungsreaktion. Letzteres würde IMO eher zu früheren Ergebnissen passen.
9/15
Womit wir zum nächsten Befund kommen: sehr viel Angiotensin II in den Hoden. Das lässt sich wiederum durch die Infektion erklären. ACE2 zerlegt ANGII. Die Bindung des Virus an ACE2 blockiert nicht nur den Rezeptor, sondern lässt Zellen auch weniger ACE2 produzieren.
10/15
Das Ergebnis: Mehr ANGII. Das wiederum führt zu einer massiven Entzündungsreaktion. Es rekrutiert Immunzellen ins Gewebe und stimuliert die Abgabe von Cytokinen. Die Gruppe berichtet auch von Indizien für vernarbtes Gewebe analog zu schwer befallenen Lungen bei #Covid19
11/15
Es ist also denkbar, dass die Hoden hier einfach Kollateralschäden der allgemeinen Immundysregulation sind. Das würde dafür sprechen, dass die Hoden bei milderen Verläufen analog weniger geschädigt werden.
12/15
Wir reden hier ja von den schwersten Verläufen, bei denen die Fehlsteuerung des Immunsystems stark ausgeprägt ist. Insofern denke ich, dass die massiven Zerstörungen, die in dieser Studie berichtet werden, nicht typisch für durchschnittliche Infektionen sind.
13/15
Es gibt ein paar Indizien, dass die Hoden auch bei milderen Verläufen geschädigt weden, zum beispiel geringere Spermienproduktion nach #Covid19. Allerdings weist die Arbeitsgruppe darauf hin, dass diese Werte sich in ein paar Monaten bei den meisten normalisieren.
14/15
In der Summe zeigt die Studie einerseits, dass #Hodencovid ein realer Aspekt von #Covid19 ist. Andererseits sagt sie nichts über Häufigkeit und Bedeutung aus.
Meine Vermutung: Unfruchtbarkeit kann auch bei milderen Verläufen auftreten, ist aber vermutlich eher selten.
15/15
• • •
Missing some Tweet in this thread? You can try to
force a refresh
Wir wissen ja, dass #Covid19 auch Schäden am Herz-Kreislauf-System verursacht. Diese Langzeitstudie liefert konkrete Zahlen über das zusätzliche Risiko nach 12 Monaten.
Die Untersuchung ist besonders hilfreich, bei sie ein paar mehr Details bietet. 1/6
Zum einen ist darin aufgeschlüsselt, wie wichtig die Schwere der Erkrankung ist. Auch mit sehr milden Verläufen gibt es höhere Risiken, aber der Anstieg ist sehr gering, außer bei Herzmuskelentzündungen. Mit der Schwere der Erkrankung nehmen auch die Folgen zu.
2/6
Kurios ist der Befund, dass bei Übergewicht und Diabetes die Folgen fürs Herz-Kreislauf-System geringer zu sein scheinen. Das kann mehrere Gründe haben. Zum Beispiel könnte die medizinische Behandlung des Diabetes eine Rolle spielen. Oder dass hier schlicht mehr sterben.
3/6
Kurzer Hinweis zum Umgang mit beruhigenden und beunruhigenden Forschungsergebnissen aller Art über #COVID19.
In den letzten 2 Jahren wurde darüber gefühlt mehr geforscht als über alle anderen Infektionskrankheiten in den letzten 50.
Das hat zwei Konsequenzen:
1/4
Erstens ist davon sehr viel vorläufig, ungeprüft und nicht reproduziert.
Zweitens erforscht man dadurch unglaublich viele Sachen, die man bei anderen Viren noch nicht nachgeguckt hat. Entweder weil das Geld oder die Motivation fehlte oder es die Methode noch nicht gab.
2/4
Das heißt, man findet jetzt bei #Covid19 ganz viele Sachen, die außergewöhnlich, exotisch und bizarr erscheinen.
Das heißt aber nicht zwangsläufig, dass Sars-CoV-2 außergewöhnlich, exotisch und bizarr ist. Jedenfalls nicht mehr als andere Viren.
3/4
Vielleicht noch als Nachtrag zu meinem Arztbesuch: natürlich kann man sich vor #Omikron schützen und so verhindern, dass man es bekommt. Lasst euch da nix erzählen.
Das ist kein magisches Virus, das bleibt an ner gut sitzenden FFP2-Maske hängen wie alle anderen auch.
1/6
Das Problem ist einerseits, dass der Kram ansteckender ist. Das heißt, man hat ohne Maske leichter mal Pech mit verseuchter Raumluft oder bei flüchtigem Kontakt (und ich tippe auf höhere Wahrscheinlichkeit von Schmierinfektionen).
2/6
Andererseits scheint der Anteil an symptomlos infizierten bei #Omikron sehr hoch zu sein, laut Daten aus Südafrika. Das heißt, man hat leichter mal Pech mit Sozialkontakten, die man für sicher hält. 3/6 reuters.com/business/healt…
Phagentherapie
Viren gegen antibiotikaresistente Bakterien einzusetzen, ist ja inzwischen ein weithin bekannter und erforschter Ansatz. Es gibt allerdings mehrere Gründe, weshalb man Bakteriophagen immer noch nicht routinemäßig in der Medizin einsetzt.
1/13 #Virenadventskalender
Das zentrale Problem ist, dass Phagen etwas grundlegend anderes sind als die klassischen Antibiotika, und deswegen auch komplizierter in der Anwendung. Antibiotika sind breit wirksame chemische Waffen, die kippt man drauf und es ist Ruhe. Das geht bei Phagen nicht.
2/13
Phagen sind spezifisch für ein bestimmtes Bakterium. Das ist einerseits gut, weil man so die nützlichen Bakterien in Ruhe lässt. Andererseits muss man genau rausfinden, welches Bakterium am Werk ist, und das macht zusätzlichen Aufwand und kostet Zeit.
3/13
Gelbfieber
Mit einer Sterblichkeit zwischen ca. 5 und 10 Prozent ist Gelbfieber weniger tödlich als zum Beispiel Pocken oder Ebola. Aber historisch ist es eine der bedeutendsten Seuchen überhaupt, und mögliche Quelle verheerender zukünftiger Epidemien.
1/14 #Virenadventskalender
Das Gelbfiebervirus wird von Stechmücken übertragen, stammt vermutlich aus Zentralafrika und erlangte seine Bedeutung durch den Kolonialismus. Gelbfieber war neben Malaria der Grund, weshalb es vor Ende des 19. Jahrhunderts keine größere europäische Präsenz in Afrika gab.
2/14
Erst ab etwa den 1870er Jahren waren Medizin und Seuchenkontrolle weit genug fortgeschritten, um den "Wettlauf um Afrika" zu ermöglichen. Um 1820 starben monatlich etwa 5% der europäischen Truppen durch Fieber, am Ende des Jahrhunderts nur noch etwa ein Zehntel davon.
3/14
Wuhan Spiny Eel Influenza Virus (WSEIV)
Ihr kennt die Vogelgrippe. Ihr kennt die Schweinegrippe. Hier kommt die Fischgrippe.
Ein Problem der Virenforschung ist, dass man zwar viel über Viren bei Säugetieren weiß, aber wenig über den Rest der Tierwelt. 1/9 #Virenadventskalender
Ein Grund dafür ist ist, dass Tiere, die uns ähnlich sind, auch ähnlichere Viren haben. Und die sind für uns schlicht relevanter.
Allerdings ist der Umkehrschluss, dass Viren von evolutionär entfernten Gruppen nichts mit uns zu tun hat, nicht immer korrekt. Siehe WSEIV.
2/9
Dieses Virus tauchte 2018 bei einer groß angelegten Fahndung nach RNA-Viren in Fischen, Amphibien und Reptilien auf. Dabei kamen diverse auch von Menschen bekannte Viren zum Vorschein, zum Beispiel Filoviren, bekannt von Ebola, und Coronaviren. 3/9 nature.com/articles/s4158…