1/13 Warum überhaupt ein Auslandsstipendium? Die Währung von Wissenschaftlys sind Zitationen ihrer Publikationen, Auslandserfahrung, Drittmittel, Lehre. Mit einem Auslandsstipendium konnte ich mich vor der tickenden Uhr des #WissZeitVG wegducken und eine Menge Punkte sammeln.
2/13 Außerdem wollte ich das Fach wechseln, bei Bewerbungen auf Postdocstellen wäre ich nicht mal bis zu den Interviews gekommen, da fachfremd. Der Deal war: ich gehe mit einem Miniprojekt für 6 Monate nach Frankreich, nehme dort zusätzlich an einer Expedition teil,
3/13 um Proben für ein anschließendes Projekt zu nehmen. Das Geld musste ich über Anträge selbst auftreiben. Mein Kurzstipendium konnte ich nur mit Abschlusszeugnis antreten, daher schrieb ich meine Dissertation in 10 Tagen runter – meine 100h Arbeitswochen.
4/13 Pünktlich zum zweiten Lockdown in Frankreich startete ich mein Projekt in Brest. Statt 300 Proben waren es 400, statt 8 hatte ich nur 5 Wochen Zeit, dann konnte ich einmalig am Messgerät messen. Bloß nicht den Virus bekommen! Handschuhe und Zeit waren knapp,
5/13 ich machte so wenig Pausen wie möglich, täglich 10h Labor. Die Arbeit mit Flusssäure ist extrem gefährlich und häufig saß ich mit Schmerzen, unterzuckert, hungrig und trotzig im Reinraumlabor. Für Flusssäure muss man 2 Paar Handschuhe übereinander tragen,
6/13 aber es gab nur noch S und L. Also: noch mehr Schmerzen in den Fingern. Dazu immer häufiger die Frage: Ist es das wert? Zwischenzeitlich wurden meine Forschungsanträge abgelehnt, was nach meinem Stipendium kommen sollte war unklar.
7/13 Der Deal mit meiner Chefin: ich überarbeite die Anträge und reiche sie direkt nach der Expedition nochmal ein. Weihnachten viel flach, Quarantäne fürs Schiff. Während der Expedition stellte ich meine 4 Umzugskartons bei meiner Chefin unter. Wohnadresse Marion Dufresne.
8/13 Die Expedition war körperlich hart, ständig Orkan, Probennahme im Reinraum, Füße immer naß, ich verlor für Monate das Gefühl in den Zehen. Nebenher schrieb ich an meinen Forschungsanträgen. Bei einem Smalltalk mit dem Doktoranden aus meiner Arbeitsgruppe der Super-GAU:
9/13 mein Forschungsprojekt war seine Doktorarbeit an der er bereits seit 6 Monaten arbeitete. Für meine Expeditionsteilnahme war hingegen kein Geld da gewesen, ich tat es auf eigene Rechnung. Ich nahm die Proben auf der Expedition nicht für mich, sondern für ihn.
10/13 Die Entschuldigung meiner Chefin: sie hatte vergessen es mir zu sagen. Ein halbes Jahr lang, während ich täglich bei ihr arbeitete. Ihre Idee: Bescheißen. Ich solle mit meinem Antrag Forschungsgelder sichern und dann etwas anderes forschen – mir selbst ein Grab schaufeln.
11/13 Warum ich überhaupt so einen schlechten, mündlichen Deal gemacht habe? Weil mir diese Frau von einem sehr guten Kollegen mit den höchsten Tönen weiterempfohlen war. Und weil die Deals in der Wissenschaft nun mal so unverbindlich ablaufen.
12/13 Heulend telefonierte ich nach Hause: die 3.Welle in Deutschland, meine Eltern unvernünftig und auf die Impfung wartend, ich hätte dort sein sollen und nicht auf diesem beschissenen Schiff, für nichts. Ich glaube das waren die schlimmsten Depressionen.
13/13 Nach 1,5 Jahren durcharbeiten und einem derartigen Betrug schaffte ich es nicht mehr irgendwas zu verstecken, ich glaube es waren die schlimmsten Depris und das auf einem Schiff, das ist gefährlich! Dazu rebellierte mein Magen… 3000km vom Festland wollte ich nicht mehr.
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1/4 Beim ersten Projekt des Tages sitze ich gerade im Meeting: @carbon_drawdown
Philantrophisch finanziert, non-profit, und von uns Wissenschaftlys begleitet/evaluiert versuchen wir Basalt als CO₂-Fänger und Nährstofflieferant in der Landwirtschaft zu testen. !B
2/4 Die Herausforderung ist die Gesteinsverwitterung durch Sensoren zu überwachen, um eindeutig zu berechnen wie viel CO₂ hier gebunden wird. Im ersten Jahr haben wir uns an Sensoren und verschiedenem Basalt, Olivin und Pflanzenkohle ausprobiert.
3/4 Die Ergebnisse führten zu einer Überholung unserer Strategie ("viel hilft viel"), Ralf baut ein paar interessante, neue Apparaturen in seiner Garage, damit wir die Verwitterung besser kontrollieren können... In Tippelschritten nähern wir uns einer kontreten Zahl.
1/5 „Every ton of CO₂ emissions adds to global warming” IPCC, SPM.10, AR6, WG1
Bis der Kapitalismus überwunden oder in eine soziale Form transformiert ist🧐, hat die #Klimakrise uns erledigt. Aber „money makes the world go round“, wenn ich eine erfolgreiche #CDR Technologie
2/5 hochskalieren will und Tonnen, Megatonnen und Gigatonnen CO₂ binden möchte, dann brauche ich Investitionen in Menschen und Infrastruktur. JETZT. Inzwischen habe ich gelernt wie man StartUps gründet und kann einen Businessplan erstellen, yay, was auch zur Erkenntnis führt:
3/5 die #Klimakrise ist ein lukratives Geschäft und wer seine CO₂-Zertifikate „preislich attraktiv gestaltet“ verdient damit Geld. In der Aufforstungsbranche gibt es eine Menge Schwindler: Bäume werden an ungeeigneten Standorten gepflanzt, Menschen vertrieben,
1/6 Ich habe die Geschichte mit vielen Kollegys geteilt, weil ich nicht einordnen konnte, ob ich etwas falsch gemacht hatte. Alle waren entsetzt. Auch wenn es in der Wissenschaft deftig zugeht, werden Absprachen nicht gebrochen.
2/6 Ich habe nach der Expedition meine restlichen 4 Monate Stipendium mit frustrierender Jobsuche im Lockdown verbracht. Bei einer Rückkehr nach Deutschland wäre mir das restliche Stipendium entzogen worden, ob ich von Frankreich oder Deutschland aus Jobs suchte war egal.
3/6 Immerhin konnte ich noch ein wenig bretonische Luft schnuppern, eine Menge Palomas mit meiner sehr coolen Vermieterin trinken und Kültür und Sprache lernen. Ein wunderschöner Roadtrip durch die Normandie nach Deutschland hat mich zumindest mit dem Land versöhnt.
1/12 Meine Hanna-Geschichte: ich habe Rückenschmerzen, Depressionen, kein gutes Verhältnis zu Essen. Das war schon vorher da, aber wissenschaftliche Arbeit, die für mich sinnstiftend ist, hat es deutlich hochpotentiert und lässt mir keinen Raum dies in Ordnung zu bringen.
2/12 Als Studentin fing die „Hannasierung“ an: mit Freude und Fleiß arbeitete ich im Labor, übernahm mehr Aufgaben, gab Wissen weiter, wurde für gute Arbeit belohnt. Für meine Bachelorarbeit durfte ich während der Vorlesungszeit an meiner ersten Schiffsexpedition teilnehmen. Wow.
3/12 Frisch verliebt in die Meeresforschung der erste Dämpfer: gewissen Leuten gefiel mein Gesicht nicht. Ich hätte während der Expedition zu viel Spaß gehabt, konnte noch bei Windstärke 7 Silvester feiern, hatte mich zu gut mit der Mannschaft verstanden.
1/7 Warum eigentlich diese Selbstausbeutung? Forschen und Entdecken hat eine Magie (zumindest für mich). Es ist nicht einfach nur ein Lohnverhältnis, wir Forschys sind mit Liebe, Leidenschaft und Idealismus dabei, weil uns der Wert von Wissen für uns und unsere Welt bewußt ist.
2/7 Wir haben von Spitzenforschung der Vergangenheit profitiert und daher den Anspruch, das in bester und gewissenhaftester Weise fortzuführen und weiterzugeben. Wir empfinden unsere Arbeit als sinnstiftend.
3/7 Auf meiner ersten Schiffsexpedition hat es mich erwischt: es fühlte sich anders, wichtig, bedeutend an. Auf einem Boot alleine da draußen auf dem Meer dem Ozean seine Geheimnisse entlocken. Sich dreckig machen, schweres Gerät bewegen, müde und zufrieden ins Bett fallen. !B
1/7 Wie ist @Ichbin_Hanna entstanden? Vor ca. 1,5 Jahren veröffentlichte das @BMBF_Bund einen animierten Imagefilm mit der fiktiven Forscherin Hanna, um die Vorzüge toxischer Arbeitsbedingungen schönzureden. Es wurde suggeriert das #WissZeitVG verhindere, dass hochqualifizierte
2/7 Forschys das Wissenschaftssystem „verstopfen“ (ja, der Wortlaut) und Platz für den Nachwuchs entsteht. Dabei wird „Qualifizierung“ für die Zeit zwischen Promotion und Professur gerne immer so ausgelegt wie es passt: man ist noch nicht genug ausqualifiziert,
3/7 wenn es um Befristung, Teilzeit oder Herabstufung im Tarifvertrag geht und man ist schon genug qualifiziert, wenn es darum geht eine möglichst hohe Arbeitslast, Konferenzorganisation, Lehr- und Betreuungsverantwortung oder die alleinige Umsetzung von Großprojekten zu stemmen.