#Autismus
Thread, Achtung, seeehr lang!

Das hier ist ein Artikel über den Umgang mit autistischen Kindern, der hier auf Twitter sehr unterschiedlich bewertet wurde, und ich dachte, ich sehe ihn mir selbst mal an.
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Ich hatte überlegt, erstmal alles über Sprache auszuklammern und mich auf den Inhalt zu fokussieren. Darauf, ob der Text Verständnis für autistische Kinder wecken kann oder nicht. 2/x
Dem Autor, Timo Warnholz, geht es seiner eigenen Aussage nach ja vor allem darum, „wertschätzendes Verhalten“ zu generieren, also sollten wir fragen, welches Verhalten beschrieben wird.
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Aber so ganz schaffe ich es nicht. Ob jemand die Begriffe „autistisches Kind“ oder „Kind mit Autismus“ verwendet, ist nicht nur ein kleines Detail. Ja, es kann dadurch begründet sein, dass jemand die Suchalgorithmen optimieren möchte, indem er ...4/x
alle möglichen Begriffe für eine bestimmte Sache verwendet. In wissenschaftlichen Texten wird PFL manchmal durch die Editoren des Journals erzwungen.
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Es zeigt aber auch allzuhäufig, wo jemand seine Informationen herhat. Und von welcher Leserschaft jemand ernstgenommen werden möchte. Und wer durchgehen PFL schreibt, der macht damit deutlich: Die Autisten sind es nicht.
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Aber gut, unterstellen wir Herrn Warnholz mal, dass er seinen Text auf den Google-Suchbegriff „Autismus“ hin optimiert hat, und es nicht seine Einstellung widerspiegelt. Kann ja sein.

Gut, also rein in den Text.
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Gleich zu Anfang wird das Double Empathy Problem erklärt, und zwar durchaus nachvollziehbar. Er macht deutlich, dass es auch die Nichtautisten sind, die Probleme haben, sich in die Autisten einzufühlen. Ein Pluspunkt für den Artikel.
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Konsequent müsste es nun damit weitergehen, die defizitorientierte Brille abzulegen. Anzuerkennen, dass auch autistische Kommunikation auf ihre Weise funktioniert. Dass auch Nichtautisten von Autisten lernen können. Mal sehen, ob das kommt.
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Weiter zu Punkt 1, „Klartext reden“.

Ach ja, Sprache. Ich wollte eigentlich nicht drauf eingehen. Aber besonders klar und anschaulich ist das nicht geschrieben. Ich kann mir nicht unbedingt vorstellen, was der Autor meint. 10/x
Und leider ist so etwas häufig ein Anhaltspunkt dafür, dass jemand ein Thema noch nicht wirklich durchdrungen hat. Sonst könnte er es verständlicher darstellen.
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„haben Schwierigkeiten damit, verbale Informationen zu verarbeiten und zu verstehen“ - das hört sich für mich sehr pauschal an. So grundsätzlich würde ich das nicht stehenlassen. Da kommt es auf so vieles an – wie ist der Geräuschpegel drumrum, kann es ...12/x
akustisch verstanden werden? Sind es komplexe Arbeitsaufträge? Dann ist es besser, es zu visualisieren, so dass man später nochmal nachschauen kann, was zu tun ist. Aber grundsätzlich ist normalerweise nicht das Verstehen an sich das Problem. 13/x
Das zeigt sich insbesondere dann, wenn man bei nichtsprechenden Autisten fälschlicherweise davon ausgeht, dass sie Gesagtes nicht verstehen – dabei haben sie in der Regel Probleme mit der Motorik, die zum Sprechen nötig ist.
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Aber nun ja, klare Sprache, das ist richtig, das wird von fast allen Autisten gefordert. Klare Anweisungen sind auf jeden Fall sinnvoll.

Nur was bedeutet das?
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So, wie es hier steht, würde ich es auch pauschal nicht sagen. Auf „Füllwörter und Höflichkeitsfloskeln“ zu verzichten macht nicht den Unterschied zwischen klaren und unklaren Anweisungen aus. Eine unklare Anweisung ist z.B. am Morgen „Mach dich fertig für die Schule“. 16/x
Da weiß man nicht, was gemeint ist – nur anziehen, oder auch Tasche packen, und noch andere Sachen? Eine klare Anweisung ist „Bitte zieh deinen Schlafanzug aus“. Klar trotz der Höflichkeistfloskel „Bitte“. 17/x
Ebenso notwendig ist es oftmals zu erklären, was getan werden muss, und warum es wichtig ist. Was verstanden wird, dass wird oft auch ohne kleinteilige Anleitung und ohne Gemecker getan.
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Weiter zu Punkt 2, „Keine Ironie nutzen“

Ich kann hier nicht widersprechen, da sich Herr Warnholz hier auf Kinder bezieht. Ironie muss gelernt werden. Erwachsene Autisten verstehen deshalb Ironie durchaus, und das hätte man hier auch durchaus ergänzen können.
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Schwierigkeiten beim Verstehen von Ironie gibt es einerseits dadurch, dass Autisten oft die nonverbalen Botschaften eines Sprechers ausblenden, Mimik, Gestik, Sprachmelodie, weil das Empfangen auf mehreren Kanälen zu Reizüberflutung führen kann. 20/x
Und ihnen auf die Art und Weise nonverbale Markierung von Ironie entgehen kann.

Und andererseits wird Ironie oft missverstanden, wenn man nicht weiß, welche Position das Gegenüber normalerweise vertritt. 21/x
Dieses Problem haben Nichtautisten übrigens auch bei Leuten, die sie nicht gut kennen.

Die Art und Weise, wie das hier mit „Bauchgefühl“ und „Empathie“ erklärt wird, nun, das kann zwar das Gleiche meinen, wie das, was ich gerade erklärt habe. 22/x
Aber es klingt mir doch zu sehr danach, als ob das Problem mit Empathiemangel erklärt werden soll. Und das macht leider den guten Eindruck vom ersten Absatz zunichte.
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Nun Punkt 3 „Nachsicht bei missglückter Gesprächseröffnung zeigen“

Da tut mir ja die Überschrift schon weh. Autistisches Gesprächsverhalten wird hier als fehlerhaft dargestellt. Obwohl man es aus anderer Perspektive auch durchaus als effizient bezeichnen könnte. 24/x
Studien haben ergeben, dass Autisten untereinander ebenso effizient kommunizieren wie Nichtautisten untereinander. Nur eben anders.
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Die negative Sicht auf autistische Kommunikation zeigt sich hier auch darin, wie defizitorientiert es hier erklärt wird („dass die Kinder nur schwer dazu in der Lage sind, die Komplexität bestehender sozialer Situationen richtig zu analysieren“), und dass ...26/x
die nichtautistische Kommunikation, wenn auch in Anführungszeichen, als „angemessene“ Gesprächseröffnung bezeichnet wird.
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Da lese ich auch nicht gern den Schlusssatz dieses Abschnittes, „Infolgedessen kann man mit dem Kind in Ruhe und über einen längeren Zeitraum gesellschaftskompatibleres Kommunikationsverhalten erarbeiten.“
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Ja, es ist nicht grundsätzlich falsch, über unterschiedliche Arten der Kommunikation aufzuklären, und auch darüber, dass es einem als Autist manchmal einen Vorteil bietet, sich den nichtautistischen Konventionen anzupassen.
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Aber ich möchte auch vor den Risiken warnen, dies in der Haltung zu tun, die aus diesem Absatz spricht: dass das, was für den Autisten natürlich ist, falsch ist. 30/x
Dann hat der Autist nicht nur die Last der Anpassung an seine nichtautistische Umwelt, sondern auch die Aussicht auf eine Selbstwertproblematik, die direkt in die Depression führen kann.
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Und es beweist, dass der Autor hier am Beginn des Textes zwar das Double Empathy Problem dargestellt, aber ganz offensichtlich nicht verinnerlicht hat, denn sonst hätte er diesen Absatz so nicht geschrieben.
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Ich muss sagen, dieser Absatz hat mich wütend gemacht. Der Autor gibt sich so aufgeschlossen und verständnisvoll, aber wälzt im Endeffekt doch die ganze Last auf das autistische Kind ab. 33/x
Und öffnet denjenigen Tür und Tor, die dann mit den Kindern Dressuren durchführen, darüber, dass man auf „Wie geht es dir“ mit „Danke, gut“ antworten soll, dass man sowas selber fragen muss, auch wenn man es gar nicht wissen will, und wie man Smalltalk führt.
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Eigentlich könnte ich hier aufhören. Aber ich will eine fundierte Meinung abgeben. Also weiter.

Punkt 4 „Blickkontakt nicht überbewerten“
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Ja, das gibt es, dass Autisten schildern, dass Blickkontakt ihnen weniger Informationen über die Gefühle des Gegenübers gibt als beispielsweise die Körperhaltung.
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Aber viel häufiger lese ich, dass Blickkontakt als geradezu schmerzhaft empfunden wird. Oder als unangenehm intim – vergleichbar damit, als würde man das Gegenüber nackt sehen.
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Außerdem kommt es wieder auf die Menge an Informationen an, die gleichzeitig verarbeitet werden kann. Mimik, Gestik, Tonfall, Augenausdruck, das sind alles zusätzliche Informationskanäle, und das kann eben auch zu Reizüberflutung führen.
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Ich habe oft gelesen „Ich kann meinem Gegenüber entweder in die Augen sehen, oder das Gesagte verstehen. Beides gleichzeitig geht nicht.“
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Es ist also grundfalsch von Herrn Warnholz, das hier so darzustellen, als läge fehlender Blickkontakt nur daran, dass den autistischen Kindern das Verständnis für die gesellschaftlichen Konventionen fehle. Die könnte man ja erklären. 40/x
Und so manch einer wird nach dem Lesen dieses Artikels annehmen, dann wäre das Problem ja gelöst. Aber auch dann ändert das nichts daran, dass es kontraproduktiv, ja geradezu grausam ist, von Autisten Blickkontakt zu erwarten.
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Weiter mit Punkt 5 „Wichtige Informationen immer unter vier Augen besprechen“

Was stimmt, das ist, dass zu viele Reize das autistische Kind daran hindern können, sich auf das Gesagte zu konzentrieren. 42/x
Für wichtige Erklärungen eine reizarme Umgebung zu wählen kann also durchaus sinnvoll sein.

Nicht glücklich bin ich mit dem Satzteil „sind kaum dazu in der Lage einen Fokus zu setzen“ Das kann ich so nicht bestätigen. 43/x
Vieles wird trotzdem mitbekommen, auch wenn das Kind evtl. abgelenkt wirkt. Und diese Formulierung negiert auch den sog. Hyperfokus, in dem jemand sich so auf etwas konzentriert, dass er alles andere ausblendet, ein Zustand, den viele Autisten kennen. 44/x
Das kann leider nicht zielgerichtet eingesetzt werden, um z.B. Instruktionen der Erzieherinnen konzentriert mitzubekommen. Aber die Art, wie Herr Warnholz hier formuliert, weckt den Eindruck, dass es so etwas gar nicht geben könnte.
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Punkt 6 wird mich wieder wütend machen, das seh ich jetzt schon: „Keine empathische Reaktion auf den eigenen Gemütszustand erwarten“

Ach je, der Profi will also, dass das autistische Kind seine Bedürfnisse erfüllt? 46/x
Er hat einen schlechten Tag und ist enttäuscht, dass das Kind ihn nicht tröstet?

Nein, da hat er keinen Anspruch drauf! Was sollen das für Erwartungen sein?
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Okay, das Kind soll also aus den heruntergezogenen Mundwinkeln ableiten, dass der Erwachsene getröstet werden möchtest?

Dann schauen wir uns doch mal an, woran das liegen könnte, dass das autistische Kind das nicht macht.

Da gibt es mehrere Gründe.
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1. Es kommt oft genug vor, dass die Stimmung quasi überschwappt. Das autistische Kind nimmt Deine schlechte Stimmung also wahr und lässt sich davon anstecken. Es fühlt sich nun selbst schlecht, ohne so genau zu wissen, wo diese Stimmung herkommt.
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2. Es merkt, dass es Dir nicht gut geht, weiß aber nicht, welche Reaktion nun am besten wäre. Die Lösungen, die Autisten finden, sind oftmals andere als die von Nichtautisten. Tröstende Standard-Floskeln sollte man tatsächlich nicht erwarten. 50/x
Statt zu trösten, wird der Autist im Fall einer Verletzung eher Hilfe oder eine Packung Pflaster holen. Oder er fühlt sich hilflos, und anstatt das Falsche zu tun, wartet er lieber ab.
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Ja, bitte sag, wie es Dir geht! Und gerne auch, was Du erwartest. Dann kannst Du beide Gründe umschiffen – dass das Kind nicht weiß, was los ist, genauso wie, dass es nicht weiß, was Dir helfen könnte!
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Aber unterstell es ihm bitte nicht, dass es nicht mitkriegt, wenn es jemandem schlecht geht! Das ist so verletzend für Menschen, die tatsächlich oft sehr empathisch sind, auch wenn es noch etwas dauern wird, bis dieses Wissen auch in die Lehrbücher eingesickert ist!
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Okay, mehr als die Hälfte ist geschafft.

Weiter mit Punkt 7 „Unpassendes Nähe- und Distanzverhalten durch Logik regulieren“
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Hm, ja... Ich habe tatsächlich bei meinem Sohn gemerkt, dass ihm, als er noch klein war, nicht aufgefallen ist, wenn es anderen unangenehm war, wenn er zu dicht dran war. Da musste ich ihn wirklich erst drauf aufmerksam machen.
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Was „angemessen“ ist, gilt aber auch andersherum. Viele Autisten empfinden einen Abstand, den Nichtautisten als angenehm für eine Unterhaltung sehen, als viel zu nahe. Hier sollten auch Nichtautisten Rücksicht nehmen.
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Zu überlegen, woran ich merke, bei welchem Abstand das Gegenüber sich wohlfühlt, ist darum in meinen Augen wichtiger und sinnvoller, als das Abzählen von „angemessenen“ Abständen in Zentimetern.
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Punkt 8 ist ein sehr wichtiger Punkt, und ich bin froh über die Überschrift: „Stereotypes, sich wiederholendes Verhalten unbedingt zulassen“.

Bedauerlich ist, dass der Autor hier nicht auch den Begriff benutzt, den Autisten selbst dafür verwenden: Stimming.
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Hiervon sollte der andere Punkt, den der Autor auch noch anspricht, deutlich abgegrenzt werden, nämlich „das Bestehen auf Strukturen, Regeln und Abläufen“. Feste Routinen helfen, nichts zu vergessen, nichts durcheinanderzubringen, was exekutive Dysfunktion sonst erschwert. 59/x
Und es hilft, das Risiko sensorischer Überlastung zu kalkulieren. Neue Situationen, neue Abläufe bergen immer auch das Risiko, dass einem ein Zuviel an Geräuschen, Gerüchen, Interaktionen, optischen Reizen zugemutet werden kann.
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Worauf der Autor in seinem Punkt 8 aber eingeht, das ist Stimming. Es wird zutreffend erklärt, das ist ein Pluspunkt, und es wird dafür plädiert, es nicht zu unterbinden, auch wenn es stört, sondern lieber nach Möglichkeiten zu suchen, es umzuleiten.
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Ich möchte aber hinzusetzen, dass das Umleiten von Stimming nicht so einfach ist, wie es hier beschrieben ist, weil unterschiedliche Formen von Stimming unterschiedliche Funktionen haben.
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Nehmen wir ein Kind, bei dem wir drei verschiedene Arten von Stimming beobachten: Schaukeln, Armwedeln und vokales Stimming, also Geräusche machen oder (scheinbar) sinnlos reden.
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Alle drei Sachen haben verschiedene Funktionen:
Das Schaukeln dient der Selbstberuhigung. Das Armwedeln ist ein Ventil für hochenergetische Gefühle – extreme Freude, extremes Unbehagen. Das vokale Stimming dient dazu, störende Geräusche zu übertönen und damit auszufiltern.
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Es ist also irrig zu glauben, man könne nun z.B. das störende vokale Stimming durch Schaukeln ersetzen, denn die Funktion ist eine völlig andere. Vielleicht wäre hier dann ein Gehörschutz eine Möglichkeit. Oder eine Suche nach der Geräuschquelle, um diese abzuschalten.
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Wie gesagt, das hier nur als Beispiel, man muss bei jedem Autisten vermutlich individuell herausfinden, wozu welche Form von Stimming wozu dient, und womit es sich eventuell ersetzen lässt.
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Punkt 9: „Sensibilitäten in der Wahrnehmung beachten“

Ja, uneingeschränkt ja. Es gibt beides, Autisten, die Körperkontakt unangenehm finden, die ihn angenehm finden, es wechselt.
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Man sollte die Wünsche der Menschen ernst nehmen, was ihre körperliche Autonomie angeht. Immer. Bei autistischen wie nichtautistischen Kindern und Erwachsenen.
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Punkt 10 hatten wir so ähnlich schon: „Den fehlenden Fokus in der Wahrnehmung beachten“

Nein, das beschreibt es nicht gut.
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Bei Autismus ist es so, dass Reize, die bei Nichtautisten unbewusst vorgefiltert werden, ungefiltert ins Bewusstsein gelangen. Die ganzen Nebengeräusche, alle möglichen Reize, die bei Nichtautisten im Hintergrund verschwinden, müssen bewusst ausgewertet werden. 70/x
Das erfordert ein bewusstes Sortieren, das frisst Energie und Konzentrationsfähigkeit. Aber ich würde das nicht als fehlenden Fokus beschreiben.
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Beinahe durch, es fehlt noch das Fazit des Autors.
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Tja, ich glaube, der Herr Warnholz hat eine zu geringe Meinung von den Möglichkeiten von Menschen mit Nichtautismus, wenn er schreibt, „dass neurotypische Menschen wohl nie dazu in der Lage sein werden, Betroffene in diesen Bereichen nachzuempfinden“.
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Denn von Autisten wird immer und immer wieder erwartet, sich in Nichtautisten hineinzuversetzen. Und die meisten nehmen diese Herausforderung an, machen sich Gedanken, beobachten, lesen Psychologie-Bücher und Romane, und kommen den Nichtautisten so weit entgegen, ...74/x
... wie es nur irgendwie geht. Es geht zwar immer mal wieder schief, aber unmöglich ist es nicht.

Insofern würde ich mich freuen, wenn mehr Menschen anfangen zu lesen, was Autisten selbst schreiben, über ihre Erfahrungen, ihren Alltag, ihre Gedanken und Gefühle.
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Ich denke, es wird durchaus nachzuvollziehen sein. Auch Herrn Warnholz lege ich diesen Rat ans Herz. Vieles ist schon nicht schlecht, aber das wirkliche Verständnis ist noch nicht da.
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Fazit von mir:

Gemischt.
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Die Handlungsempfehlungen sind überwiegend nicht schlecht, vielleicht wird also das Ziel, „wertschätzendes Verhalten“ zu generieren, erreicht. Aber die Erklärungen dazu so schlecht formuliert, dass es doch wieder zu Missverständnissen kommen wird. 78/x
Nicht allein dadurch, dass die Sprache noch nicht wertschätzend genug ist, sondern weil die Gründe für das autistische Verhalten nicht ausreichend verstanden worden zu sein scheinen. 79/x
Und durch die defizitorientierte Sicht werden auch die autistischen Kinder spüren, dass man sie, ihre Art zu denken, zu fühlen und zu handeln für falsch halten wird. Und ich habe keine Lust mehr, dankbar zu sein, dass zumindest kein ABA empfohlen wird.
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Und ich frage mich, was der Autor in seinen Beratungen und Fortbildungen den Eltern und Fachkräften über Autismus beibringt, wenn die Beschreibungen hier immer so gerade am Punkt vorbei gehen.
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Ich kann hier nur immer wieder die gleiche Empfehlung wiederholen:
82/x
Lest, was Autistinnen und Autisten über ihre Erfahrungen, ihr Denken, ihre Gefühle schreiben. Twitter-Accounts, Blogs, Podcasts. So viele wie möglich. So aufgeschlossen wie möglich. Nur so kann man wirklich was über Autismus lernen. Und es kostet noch nicht einmal was.

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