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Apr 28 17 tweets 5 min read
Das Trump-Netzwerk "Truth Social" ist nach einem miserablen Start plötzlich die meistgeladene App im Apple Store. Wir haben uns auf "Truth Social" umgesehen – damit ihr es nicht müsst.
Zuerst erfinden wir einen Alias: Ron Roger, einen überzeugten Trump-Fan und Wahrheitssucher aus New Jersey. Wir hoffen, dass wir uns so unauffällig umsehen können. Foto von Ron Roger. Ein von...
Wer "Truth Social" nutzen möchte, braucht ein iPhone – die App gibt es noch nicht für Android. America first gilt auch im Apple Store: Man muss in den USA leben. Mit VPN-Tunnel und amerikanischer Handynummer ausgestattet, lädt sich Ron die App herunter.
Die Registrierung ist kompliziert und erfordert die Angabe von Wohnsitz, verifizierter Handynummer und Email-Adresse.

Wir geben alles ein. Ron landet auf Wartelistenplatz 1.557.984. In den Bewertungen der App zeigt sich, Ron ist nicht der Einzige, den das Warten wütend macht. ImageImage
Wenige Stunden später ist er plötzlich trotzdem drin. Komisch, aber egal: "Welcome you to our Truth Seeking community" heißt es in der Begrüßungsmail.
Der plötzliche Erfolg liegt wohl an der neuen Kooperation mit der Video-Hosting-Plattform "Rumble", deren technische Infrastruktur "Truth Social" seit Ende letzter Woche nutzt. Vermutlich auch der Hauptgrund für Platz 1 im Apple Store.
Technische Probleme gibt es aber weiterhin: Bei unserem Besuch auf "Truth Social" fallen Bugs auf, man springt zum Beispiel beim Scrollen immer wieder ungewollt nach oben.
Ästhetisch scheint "Truth Social" ein Versuch zu sein, Twitter zu kopieren. Unterschiede: Verifizierungshaken sind nicht blau, sondern konservativ rot. Das Default-Profilbild ist ein Weißkopfseeadler. Tweets heißen Truths – Retweets heißen Retruths.
Ein Blick in die Community-Standards zeigt: “Not Safe For Work”-Content (z.B. Gewalt, Nacktheit, Vulgäres) und Trolling sind ausdrücklich erlaubt. Nacktheit und Beleidigungen aber gleichzeitig verboten. Verwirrend.
Als Erstes wird einem Donald Trumps Profil (2 Mio. Follower) vorgeschlagen. Seine bisher einzige Truth:
“Get Ready! Your favorite President will see you soon!”

Die anderen Vorschläge entspringen dem rechtskonservativen Medienspektrum der USA: FoxNews, Breitbart News, Newsmax.
Beim Scrollen durchs Netzwerk liest Ron viel Häme ggü. Joe Biden und Freude über die Nachricht, dass @elonmusk Twitter gekauft hat. Manche schreiben, sie werden jetzt auch wieder Twitter nutzen. Zu den Wahlen in Frankreich ist die Meinung einstimmig: diese Wahlen sind gefälscht!
Ron Roger sucht nach deutschen Accounts und findet Olaf Scholz. Wir versuchen uns mit ihm anzufreunden, es scheint aber nicht der Echte zu sein. Was uns bei vielen Profilen begegnet: Unternehmen, deren Handle gesichert wurde und nun zum Kauf angeboten wird.
Ron findet ein Profil mit liberaleren Positionen. Es gehört einer Journalistin der Wahington Post. Unter ihren Beiträgen: Häme, Beleidigungen, Todeswünsche.
Die Trending Hashtags – Stand 28.4.22, 15:30 Uhr – sind: #Truth (11.835 people talking), #GasPrices (880 people talking), #Faith (1.364 people talking), #Ukraine (1.026 people talking) und #Russia (912 people talking).
Wie viele Truth-Seekers gibt es? Die Downloadzahl der App soll bei 1,5 Millionen liegen. Laut dem Datenportal "MarketWatch" nutzen gut 500.000 Menschen die Plattform täglich. Zum Vergleich: So viele User verliert Facebook aktuell pro Tag.
Die Plattform bewirbt sich, keine politische Ideologie zu diskriminieren. Das sollen Contentbots automatisiert lösen. Konkret: Bestimmte Wörter werden hinter "Sensitive Content" Warnings versteckt. Das nur manchmal. Achtung, gleich kommt: "Fuck you, Bitch!"
Zusammenfassend fühlt sich "Truth Social" wie ein großes Donald Trump Fanforum an. Wenn man Social Media vorwerfen kann, Echokammern zu produzieren, dann ist diese Plattform besonders schallgeschützt.

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Mar 22
Heute wurde Europas #Tesla-Werk in der Nähe von Berlin feierlich eröffnet. Mit dabei: @elonmusk, @Bundeskanzler und Wirtschaftsminister #Habeck. Ein wichtiger Tag für die gesamte Region – aber offenbar ein schwieriger für Journalistinnen und Journalisten. Ein🧵. 1/X Image
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