Nachdem die Bahn dank des #9EuroTickets gerade Aufmerksamkeit erfährt, etwas Hintergrund.
Vor 100 Jahren konnte man von vielen europäischen Hauptstädten mit dem Zug in andere fahren, umstiegsfrei - und teils schneller als heute.
Beinahe jedes Dorf hatte zumindest ein Dorf (1)
weiter eine Anbindung an zumindest eine Schmalspurbahn.
Wie kam das?
Als im vorletzten Jahrhundert die Eisenbahn erfunden wurde, war die einzige Konkurrenz: Fuhrwerke. Bzw. Reiter. Ihr Potenzial war also unschlagbar.
Daher haben hierzulande diverse Unternehmen und Fürsten (2)
Bahnen gebaut, jeder hier und da für sich. Nicht ideal für die Koordination, aber gut für ein dichtes Netz.
Was ist dann passiert?
Verschiedenes. Kriege waren nicht gut, weder für das europäische Gesamt- noch für einzelne nationale Netze: Wenn sich Grenzen ändern, ändern (3)
sich auch Verkehrsströme. D ist ein gutes Beispiel: Bis 1918 hatte das Deutsche Reich eher Ost-West-Ausrichtung. Nach der Teilung 45 wieder alles neu geordnet werden. An der dritten Neuordnung nach 1990 arbeiten wir bis heute.
Unten die gesprengte Brücke von Dömitz.
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Zudem kamen das Kfz und das Flugzeug auf.
Für bestimmte (Reise-)Szenarien hätten die sich zwar in jedem Fall durchgesetzt. Allerdings wurde beides auch immer wieder stark politisch gefördert und subventioniert, aus verschiedenen Gründen.
So oder so, Ergebnis: Sinkende
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Fahrgast- vor allem aber Gütervolumenzahlen auf der Schiene.
So wurden in Westdeutschland ab 1970 6.500 Gleiskilometer abgebaut.
Nun kann man vielleicht annehmen, dass man es damals noch nicht besser wusste. Gleise waren teuer zu bauen und unterhalten, KfZ eh ein Export-
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schlager und Sprit billig. Das war noch vor der Ölkrise und der Umweltbewegung. Man träumte von der "autogerechten Stadt"- Link unten für ein Beispiel.
Ganze Altstädte wurden abgerissen. Daher, nicht aus dem Krieg, kommen viele hässliche Cities.
Statt eines Staatskonzerns, den man bei Ineffizienz wenigstens kontrollieren und direkt eingreifen kann, haben wir jetzt ein ineffizientes Privatunternehmen in Staatsbesitz, dessen Spitzenmanager *allein* 900.000 Euro im Jahr kostet.
Dazu kommen weitere Fehlkonstruktionen:
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Schon mal gefragt, warum viele Bahnhöfe halbe Ruinen sind?
Wenn man weiß, dass die Bahn für den Unterhalt zahlt, die öffentliche Hand aber für Neubau, wundert man sich weniger.
Aus kartellrechtlichen Gründen musste auch das Regio-Geschäft abgespalten werden. Noch mehr
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Wasserkopf an Verwaltung.
Dazu kommt der Föderalismus: Geht eine ICE-Strecke durch sein Territorium, will der Landesfürst auch einen Halt.
Beispiel: Treuchtlingen, 13.000 Einwohner.
So kann ein ICE zwar theoretisch 300 fahren. Bremst aber wieder, kaum, dass er los ist.
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Lustige Effekte wie den "Tunnelknall" lassen wir mal außen vor.
Dazu kommt grandioses Planungsversagen. Z.B. plant man seit 20 Jahren eine Schnellfahrtstrecke nördlich von Hannover. Ob die nach Hamburg oder Bremen gehen oder sich teilen soll - steht immer noch nicht fest.
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Überhaupt, Hamburg... der Hbf ist verantwortlich für fast alle Verspätungen nach Süden. Denn er hat offensichtlich mindestens zwei Gleise zu wenig.
Planungen, das zu ändern, gibt es: Keine.
Dafür will man den gut angebundenen, barrierefreien Bahnhof Altona: Stilllegen.
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Auch hier hat die Bahn eine architektonische Augenweide verrotten lassen und dann durch einen geschmacklosen Klotz von "Einkaufsbahnhof" ersetzt.
Der Vorgängerbau steht übrigens noch (Link).
Ersetzt wird er durch einen schlecht angebundenen,
nicht ebenerdigen Bahnhof, der zudem weniger Gleise haben soll.
Denn da wird dann Grund frei. Kann man bebauen und vermieten - scheinprivates "Infrastruktur- und Transportunternehmen" halt.
Ja, die #Bahn versagt auch heute noch konsequent bei der #Verkehrswende.
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Dabei macht die Deutsche Bahn mit einem Tochterunternehmen sogar anständig Umsatz: DB Schenker.
Blöderweise hat auch das kaum was mit hiesigem Verkehr oder gar Infrastruktur zu tun: Das sind internationale Speditionsleistungen. Ausgebaut mit Steuergeld.
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Dazu muss sich die Bahn alle paar Jahre mit neuen PR-Gags der Politik rumärgern. So versucht sie mit ihren Zügen gleichzeitig alles zu sein und da noch den #Deutschlandtakt reinzuklöppeln.
Dabei ist es eigentlich nicht kompliziert, alle Bedürfnisse abzudecken.
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Im Fernverkehr braucht man ein Schnellfahrtnetz, dass nur die größten Metropolen und Knotenpunkte verbindet. Nur so geht Konkurrenz zu Airlines (vergleiche Frankreich).Dazu ergänzende ICEs mit mehr Halten.
Hier geht es um Schnelligkeit und Pünktlichkeit.
Wenn man IC / EC
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als langsamere, aber komfortablere Fernverkehrsalternative danebenstellt (und hier auch das unnötig zu Tode gesparte Nachtangebot, dass die ÖBB gerade monopolisieren, integriert), entzerrt das den Andrang und erhöht die Qualität.
Damit meine ich simple Dinge wie Abteile,
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mehr Platz für großes Gepäck, Fenster, die man öffnen kann, Spielabteile für Kinder mit ihren Eltern, ...
Geschäftsreisende wollen nur einen bequemen Sitz, Pünktlichkeit und Internet.
Dazu ein Regionalangebot (RE) als Zubringer, das wiederum lokal von Bahnen und Bussen
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(RB) ergänzt wird.
Wie gut das klappt, sehen wir in vielen Nachbarländern.
Fazit: Sinnvollen öffentlichen Verkehr anbieten und Subventionen vor allem für Flug, aber auch Autos streichen, und der Rest folgt.
Da sich der Thread so großer Beliebtheit erfreut, als Nachschlag noch eine Empfehlung:
Ein Vortrag vom Chaos Communication Congress, "Bahn-Mining" anhand der Daten der Fahrplanschnittstellen.
Mit spannenden Ergebnissen - und praktischen Tipps.
Und noch ein Nachschlag.
Ich bin ja kein Experte, nur ein normal interessierter Wähler, der sich einliest und das Thema verstehen und sachlich diskutieren will. Demokratische Verantwortung und Kultur eben.
Für die, die langsam den Überblick zum großartigen Realsatire-Stück namens #Pimmelgate verlieren, hier ein #Servicetweet.
1. Akt:
Innensenator #Grote, Dienstherr der Hamburger Polizei, feiert seine Wiederernennung eben dazu mit einer verbotenen (#Corona, Juni 2020) Party.
2. Akt:
Obwohl dieses Verhalten Menschenleben gefährdet, lehnt #Grote einen #Rücktritt ab (anders als viele Politiker in ähnlichen Situationen außerhalb Ds - was ist aus unserer Verantwortungskultur geworden?).
Er erklärt die Sache mit Zahlung des Bußgelds für erledigt.
3. Akt:
#Grote kritisiert in einem Tweet Feiernde auf der Schanze. Die sich, anders als er, allerdings immerhin draußen treffen.
Kann man machen. Aber Steinewerfer im Glashaus gelten als nicht sehr hanseatisch.
Soweit das Vorspiel. Nun nimmt #Pimmelgate seinen Lauf: