Im Untersuchungsausschuss "NSU II" des bayerischen Landtags waren heute die Rechtsanwältinnen, Nebenklagevertreter_innen und #NSU-Expertinnen Seda Başay-Yıldız und Antonia von der Behrens geladen. #Thread:
Seda Başay-Yıldız berichtete anhand einiger Beispiele über die falschen Verdächtigungen und die katastrophalen und rassistisch geprägten Ermittlungen, mit denen die Familien der Ermordeten jahrelang gequält und diffamiert wurden.
Ohne dass dafür die geringsten Anhaltspunkte vorgelegen hatten, hätten z.B. nach dem Mord an Mehmet Turgut 2004 sich Ermittler aus dem Bundesgebiet getroffen und "übereinstimmend eingeschätzt, dass eindeutige Faktoren der organisierten Kriminalität vorliegen."
Başay-Yıldız hatte viele Recherchen mitgebracht. Anhand von Karten, aufgefunden Notizen, Daten, Finanzen u. Bewegungsprofilen des #NSU-Kerntrios bewertete sie die These, die Tatorte in #Nürnberg seien nur von Mundlos, Böhnhardt u. Zschäpe ausgespäht worden, als unwahrscheinlich.
Sehr spannend war nicht zuletzt der von ihr analysierte Unterschied der ausgespähten Tatorten in jene für individuelle Morde und denen für eher unspezifische Angriffe, z. B. Bombenanschläge - und der Bezug zum dann durchgeführten Attentat auf İsmail Yaşar in #Nürnberg.
Antonia von der Behrens verwies darauf, dass im #NSU-Prozess vor dem OLG aus den Familien der in #Bayern Ermordeten zunächst lediglich die Ehefrau und Schwiegermutter von Habil Kılıc gehört worden waren.
Auch von der Behrens verwies auf das "gleiche Muster" bei den Ermittlungen an allen Tatorten. Das rassistisch geprägt gewesen sei und sich leider auch durch die Aussagen der Ermittler gezogen habe, die im Prozess als Zeugen geladen waren.
Von der Behrens skandalisierte, dass nach dem Anschlag auf Mehmet O. das Verfahren nicht wg. eines versuchten Tötungsdeliktes, sondern wegen "fahrlässiger [!] Körperverletzung" geführt wurde. Und der Verdacht durch die Akten geisterte, der Verletzte habe die Bombe selber gebaut.
Von der Behrens widmete sich dann ausführlich den V-Personen im bayerischen Teil des #NSU-Komplexes, u. a. Kai Dalek und Tino Brandt: "Da stellt sich natürlich schon die Frage, welche Rolle hatte das bayerische LfV bei Aufbau und Professionalisierung des THS?".
Eine weitere, bis heute unbekannt gebliebene V-Person des bayerischen VS habe, das gehe aus den Akten der "Operation Drilling" hervor, engen Kontakt zumindest zu Uwe Mundlos gehabt und dem Landesamt berichtet.
Eine weitere Quelle des VS #Bayern habe intensiv zu Thomas Gerlach und Hammerskins berichtet und in irgendeiner Form auch Kenntnisse über Zschäpe gehabt. Von der Behrens sprach vor dem Ausschuss auch die V-Männer Ralf Marschner und Stephan Lange an.
In der Fragerunde meinten einige Abgeordnete, sich pauschal vor die kritisierten Ermittlungsbehörden stellen zu müssen. Rhetorisch war das billig: sie wiesen dabei z.B. Vorwürfe zurück, die die Expertinnen so gar nicht erhoben hatten.
Der #AfD-MdL Richard Graupner wollte das Ansprechen von Rassismus als "subjektive Wahrnehmung" zurückgewiesen wissen. Graupners Provokation war der Auftakt zu sexistischen Spitzen einiger männlicher Abgeordneter gegen die geladenen Expertinnen.
Diese Abgeordnete wollten nun offensichtlich die hohe Expertise der Rechtsanwältinnen in Frage stellen. Der CSU-Abgeordnete Norbert Dünkel bemängelte nach den Fachvorträgen, er habe nur "Vermutungen und Thesen gehört, aber an Beweisen nichts neues".
Unter anderem der Abgeordnete Josef Schmid (CSU) deutete den Vorwurf an, die geladenen Anwältinnen seien zu "emotional" ("Mit Blick auf die Emotionalität des Themas", "diese kaltblütig Morde lassen uns alle nicht unberührt"). Er mahnte "Sachlichkeit" und "Fakten" an.
Antonia von der Behrens verwahrte sich am Schluss gegen die damit verbundenen Unterstellungen: "Es gibt eine Vielzahl von Indizien, dass es ein Unterstützungsnetzwerk in Nürnberg gegeben hat. Das ist mehr als 'Glauben', was wir hier vorgetragen haben".
Wie schon am letzten Montag war die Präsenz von Medien und Besucher_innen (auch angesichts der wieder spannenden und wichtigen Sachverständigen-Gutachten) katastrophal gering.
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Am 20. und 21. Tag im #NSU20-Prozess ging es u.a. um Beamt*innen des 1. Polizeireviers in Frankfurt/M. Geladen war auch Johannes S., der für den Datenabruf von Seda Başay-Yıldız und das erste Drohschreiben gegen sie verantwortlich sein könnte. Thread👇
Der 20. Prozesstag begann mit der Vernehmung der Polizistin Miriam D. vom 1. Revier. Die 37-Jährige erschien mit anwaltlicher Begleitung. Diese sagte, dass D. aufgrund laufender Straf- bzw. Disziplinarverfahren nicht zur Abfrage der Daten von Seda Başay-Yıldız aussagen werde.
Hintergrund der Aussageverweigerung der Zeugin D.: Gegen einige Angehörige des Reviers wurde vor einigen Wochen Anklage aufgrund einer Chatgruppe mit dem Namen „Itiotentreff“ erhoben, in der rassistische und antisemitische Inhalte geteilt wurden.
Im #NSU20-Prozess setzte die Staatsanwaltschaft #Frankfurt heute ein deutliches Zeichen: An Aufklärung scheint sie nicht interessiert zu sein. Anstatt unbefangen zu ermitteln, greift sie den LKA-Zeugen an, der akribisch gegen Polizist Johannes S. ermittelte. Details im Thread 👇
Am 15. Prozesstag hatte Nebenklagevertreterin v. d. Behrens erklärt, die Version der Staatsanwaltschaft, der Angeklagte habe bei der Polizei angerufen und sei dadurch an die Daten Betroffener gelangt, habe keine Grundlage mehr. Bericht zum 15. Prozesstag: linksfraktion-hessen.de/rechtsterror/n…
Die Staatsanwaltschaft #Frankfurt entgegnete heute, es sei nicht nachvollziehbar, wie v. d. Behrens darauf komme. Die Beweisaufnahme habe ergeben, dass der Angeklagte durch Anrufe an die Daten gekommen sein könnte, v.d.Behrens picke sich die "Rosinen" aus den Zeug*innenaussagen.
"Schwarzer Humor" auf dem 1. Polizeirevier #Frankfurt: Was die Beamt*innen im #NSU20-Prozess als "was Lustiges posten" darstellten, wurde von der Nebenklage klar als rassistisch und antisemitisch benannt. Die Vorsitzende Richterin hielt das nicht für verfahrensrelevant. Thread 👇
Zu Beginn wurde der Beamte Tim W. befragt. Er sei am Tag der Datenabfrage von Seda Başay-Yıldız (2.8.18) gemeinsam mit Johannes S. im Streifendienst unterwegs gewesen. Zum genauen Zeitpunkt der Datenabfrage sei er mit ihm an der Hauptwache im Einsatz gewesen.
Dies wurde durch das Gericht versucht, anhand eines Protokollzettels nachzuvollziehen, welche die Beamt*innen händisch ausfüllen und an ihren Vorgesetzten weitergeben. Dieser werde aus der Erinnerung ausgefüllt und könne deshalb auch manchmal falsch eingetragen worden sein, so W.
Durch den #NSU20-Prozess wird klar: Es wurde nicht ausreichend gegen mglw. beteiligte Polizist*innen ermittelt, ein Netzwerk wurde nicht in Betracht gezogen, die Betroffenen weder informiert noch ernst genommen. Wir haben die Erkenntnisse der letzten Wochen zusammengestellt.🧵
Im Prozess gegen Alexander M. in Frankfurt werden die Zusammenhänge und das Ausmaß der Drohmailserien erst durch die Aussagen der Betroffenen und die Aufklärungsbemühungen der Nebenklage klar. #NSU20
Nebenklägerin Martina Renner hat den Eindruck, als hätten sich verschiedene Drohserien einen „Staffelstab“ übergeben. So habe sie zunächst Mails von der „Nationalsozialistischen Offensive“ („#NSO“) bekommen, dann vom „Staatsstreichorchester“ und anschließend vom „#NSU 2.0″.
Im #NSU20-Prozess zeigte sich gestern, dass die Polizei nicht nur nicht richtig ermittelt hat, sondern auch Betroffene nicht über die Gefährdung informierte: Ferat Koçak erfuhr erst wegen seiner Aussage von weiteren Drohungen gegen ihn. Unser Thread zum 7. Prozesstag👇
Bei ihrer heutigen Vernehmung haben Anne Helm und Ferat Koçak die Auswirkungen der #NSU20 Drohschreiben auf ihr Leben beschrieben und einen möglichen Zusammenhang mit der rechten Anschlagsserie in Neukölln betont. Dabei kamen auch einige Fragen zur Arbeit der Polizei auf.
Helm sagte, dass sie die hess. Polizei auf diesen Zusammenhang hingewiesen hat, da sie selbst Betroffene der Anschlagsserie war. Koçak sagte, dass er vom LKA nur über eine einzige Drohung informiert wurde, diese Woche erst habe er von weiteren erfahren. linksfraktion.berlin/aktuelles/pres…
Alles richtig gemacht? Der Mord an Walter #Lübcke wurde weder verhindert noch vollständig aufgeklärt! Beim Lübcke-Untersuchungsausschuss konnte sich heute ein eigenes Bild von den Behörden-Behauptungen gemacht werden. Es zeigt sich: Die Ermittlungen haben große Lücken. Thread👇
Der erste Zeuge des Tages war Oberstaatsanwalt Dieter Killmer, der die Ermittlungen beim GBA nach dem Mord an Walter #Lübcke leitete. Er vertrat den GBA auch im Prozess zum Mord an Lübcke und zum Angriff auf Ahmed I., der vor einem Jahr endete.
Zur Erinnerung: Der Prozess zum Mord an Walter #Lübcke und zum Angriff auf Ahmed I. endete mit einem Quasi-Freispruch für Markus Hartmann wegen Beihilfe zum Lübcke-Mord und einem Freispruch für Stephan Ernst wegen des Angriffs auf Ahmed I.