Thread by @zineworkshop

Notiz #Oekoscifi, #Klima und #Dustbowl: Die Serie _Dust Bowl_ auf #arte (1. Folge arte . tv/de/videos/106133-001-A/dust-bowl-die-jahrhundertduerre/) deckt zwei Seiten der konservativen, d.h. das Bestehende konservieren wollende politischen Seite ab. Das (Zitat) "biblische Ausmaß"

der klimatisch-ökologischen Katastrophe (bei etwa Min. 00:02:00, s. Bildschirmfoto), die zugl. eine ökonomische war (mehr dazu s.u.) und die "menschengemachte Naturkatastrophe" (Zitat sinngemäß). Das heißt, hier werden zwei Gesamtdeutungen miteinander vermittelt.

Vermittlung heißt, beiden Topoi (biblisch und menschengemacht) ihren Platz der Wahrheitsfindung o. -Annäherung (philosophisch "Wahrheitsmomente", - im Plural, d.h. "über"-pluralistisch) zu belassen, unangetastet und ihnen die Geltung nicht zu versagen.

Das "dahinterstehende" (es wird offen ausgesprochen, d.h. es ist _implizit_, und steht nicht in irgendeinem unsichtbaren oder "lenkenden" Hintergrund - soviel zum terminologisch entschwörungstechnischen Vorgehen) politische Gesellschaftsmodell ist die Reminiszenz

an den christlichen Fundamentalismus und den Kinderglauben, sowie die legenden-historische Aufzeichnung von Katastrophe im Alten Testament und seine Bezugnahme auf natur- und sozialwissenschaftliche Standards, die mit der Bibelreferenz eine Sinn-Zuweisung erhalten. Diese

ist als "landläufige" Deutung in der Rede des Kommentars von _Dust Bowl_ (Regie: Ken Burns, USA, 2021) aber der (Natur)-Katastrophe zurpckgehend auf menschliches Handeln vorgelagert. Die (lat.) _reminiscentia_ (Reminiszenz) ist eine Lehnübersetzung

der Altgriechischen _anamnesis_, der Erinnerung und ihrer Erzählung. Erinnert werden soll also zweierlei: Das gigantische Volumen eines Niedergangs im zentralen Süden der USA (hier also geografisch eingeordnet, statt die plakative Bezeichnung "Dust Bowl" zu verwenden)

_wie_ laut Bibel und damit die "Rache Gottes" erinnert (Plagen) *sowie*, später aber im Kommentar, der Verursacher dieses Niedergangs, bereits mit dem Vorzeichen "Bibel/Gott/Plage" versehen. Die Assoziation gelingt. Ein Drittes, materielles und

politisches Ursachenbild kommt nicht vor. _Dust Bowl_ erzählt und bebildert die Leiden der Arbeiterinnen in den Sand- und Staub-Stürmen der Dürre, reproduziert das System der Familie(n), die sich invidualschuldig verkalkuliert hätten und den "New Deal" der 1930er-

Krise in der USA, der zum Gegenpart ohne jede kritische Anmerkung die Banken hat. Die Vorgänge werden nach kurzer Erwähnung der Vertreibung und des Genozids nativer Bevölkerung in den Great Plains eingepasst in die Frontkämpfer- und Urbarmachungsmythologie der

Vereinigten Staaten, den Staatsmythos selbst. Es wird (narrativ-theoretisch) gerade nicht verpasst oder vergessen, die Assoziation _Klima-Katastrophe-Bibel-Schuld_ um Ursachen-Kategorien zu erweitern. Die werden tatsächlich gegeben. Nur werden diese durch

endloses Opfer-Storytelling überlagert. Der industrielle Anbau von Weizen für den Export nach dem sog. Ersten Weltkrieg, da Lieferungen aus Russland ausblieben, wird angesprochen, aber die Verhältnisse Farmer-Markt, Farmer-Kapital, Klima-Überproduktion bleiben

unerklärt. Die Finanzkrise, die Abwertung des Dollar, werden vorgestellt, aber nicht erläutert. Burns' Serie ist eine nationale Trauerarbeit, ohne das Abtragen der Gräser und des Nährbodens in dieser Region, die Erosion, über die Schicksalsdeutung (Bibel-Klima)

hinaus zeigen zu können.

Von der "Aussage" und der Intention des Autors Burns absehend, bietet sich das Videomaterial an, für eine weiterführende Interpretation. Der steigende und fallende Weizenpreis ist für die einzelnen Produzentinnen, die für sich, das Risiko ALS ein

kapitalistischer Betrieb tragend aber auch konzertiert riesige Flächen bearbeitend, _im_ Audiovisuellen nicht der Indikator für ihre Abhängigkeit vom Weltmarkt und von der Exportpolitik der USA – aber für die Interpretation. Wenn ein Anthropozän mit dem Gesagten dieser Serie

erinnert werden soll (Erinnern ist das Wiederholen des externen Gedächtnisses dieses Audio/Video), verkürzt die "Ursache Mensch", dann wird in ein anderes Medium einzuschreiben sein, dass der materielle Diskurs diese anthropologische Sicht für die Hyper-Reduktion nimmt,

die sie ist. Hyper-Reduktion meint: Eine Verallgemeinerung der Ursache-Wirkungszusammenhänge auf "den" Menschen, ohne jede Differenzierung vermittels einer Kritik politischer Ökonomie.

Die These vom #Anthropozän hypertrophiert die klimatische Krise auf die gesamte Gattung und reduziert ihre Deduktion von Ursachen, denen sie Gattung vorgestellt hat. Weder schichten- noch klassensoziologische Erwägungen bekommen eine

Ebene zugewiesen, noch wird die agrikulturelle Konkurrenz der Nationen erklärbar. In der Relation Rede und Nichtrede bedeutet es eine kognitive Anstrengung, die emotionalen Interviews an der ökonomischen Funktion der Farmer zu behandeln.

Das Motiv des Globalen und der Gesamtheit "Menschheit" lässt sich in z.B. ind _The 2084 Report_ von James Lawrence Powell* finden und in Cixin Lius _The Wandering Earth_. Die "humanity" (Menschentum) wird gerettet, von sich selbst, einig in sich, zukünftig und

technisch gelöst: mental wie technoid. Oder modellhaft ökonomsich-technisch einig bwz. netzig geeint, wie Maja Göpel projiziert (->

https://twitter.com/zineworkshop/status/1425156656078467078?s=20&t=HYnmboEYajuzxM5JGzoZVw

).

* Der Topos "Gott oder Natur" (Spinozas Gleichsetzung: Gott ist Natur, Natur ist Gott) ist in Powells Scifi eineglassen: "God knows". Zitat: One of the things that I

and other geographers noted was that the flight from the seacoasts happened gradually. The first to sell did not buy a mountain cabin atop the Great Smokies. No, they bought another beach home on higher ground a few miles inland, or where there was a high-enough bluff

between the house and the high-tide line. But as the sea kept on rising, these second properties would then become endangered and eventually the owners would have to sell them and move again. No one wanted to do that twice, adding to the overall retreat. As this

happened on a global scale, one of the greatest migrations in human history began, with hundreds of millions moving inland. This is still going on and will go on for God knows how long—how long will the sea keep rising? No one knows how it will play out, for humanity

has never seen a mass migration on a global scale before. We geographers were among the first to call attention to the impending disaster of climate migration. Early in the century, a new academic specialty had appeared called “sea level rise scholarship.” I have a

pretty complete file on it and know it well. We scientists felt we had to start paying attention to this because so far, all the focus was on sea level rise as a coastal issue affecting only those communities—ones like my own Myrtle Beach. But it was obvious that the millions

displaced by sea level rise would have to go elsewhere. We had an early example in the diaspora from New Orleans after Katrina, when her refugees wound up all over the country, but especially in Texas. An earlier large-scale migration that could serve as a model came

with the Dust Bowl, when an estimated 2.5 million left the dry Plains States, most headed for California. That had an enormous effect on both the places they left and the places they went to. Another example is the Great Migration, when 6 million African Americans left the

rural South for the industrialized North. This caused the percentage of African Americans living in the South to fall from over 90 percent to about 50 percent over about forty years. (James Lawrence Powell. _The 2084 Report_. eBook. S. 96)

Powell arbeitete auf hoher akademischer Ebene als Geochemiker und Geologe explizit zum Thema des Klimawandels. Er quasi-extrapoliert oben in der Fiktion-Form des Scifi vom Migrationsphänomen des "Dust Bowl" auf Migrationsbewegungen.

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