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Aug 23 • 20 tweets • 11 min read
Serie #2 des 🧵: Fakten zu Vermögen in Deutschland

Deutschland hat eine der größten #Ungleichheit/en von privaten #Vermögen unter Industrieländern.
Das Kernproblem in 🇩🇪 : mit fast 40 % haben ungewöhnlich viele fast kein Vermögen — als Vorsorge fürs Alter, für die Kinder, für Notfälle.
Das rächt sich vor allem in Krisen, wie jetzt. Es macht sie stark abhängig vom Sozialstaat und begrenzt ihre eigene Autonomie und #Freiheit.
Deutschland hat unter den Industrieländern mit die größte private #Vorsorgelücke fürs Alter, da viele zu wenige eigene #Ersparnisse/Vermögen während ihres Arbeitslebens aufbauen (können).
Der mittlere/Median Haushalt in Deutschland hat deutlich weniger #Vermögen als in vergleichbaren Ländern. Das bedeutet nicht, dass es weniger privates Vermögen in 🇩🇪 gibt. Aber das private Vermögen ist hierzulande #ungleicher verteilt.
Die #Ungleichheit der privaten #Vermögen ist deutlich höher als die offiziellen Statistiken zeigen, da Hochvermögende meist nicht erfasst werden. Wir haben das mit unseren DIW-SOEP Daten am @DIW_Berlin versucht zu korrigieren. #Ungleichheit

diw.de/documents/publ…
Unsere DIW-SOEP Erhebung zeigt eine sehr viel größere Ungleichheit bei privaten Vermögen in 🇩🇪 , als bisher angenommen:

Top 0,1%: haben 20%  aller Vermögen (vorher 7%)
Top 1 %   35 % (vorher 22 %)
Top 10 % 67 % (vorher 59 %)
Untere 50%  5 %
€10,300 Milliarden = 3,5-fache des BIP beträgt das private Nettovermögen in Deutschland. 

Unsere DIW-SOEP Erhebung hat zusätzliche €2,100 Mrd. bei Millionären und Milliardären “entdeckt”.
Es gibt ca. 1 Millionen Millionäre in Deutschland. 

Ein durchschnittlicher Millionär hat €3 Millionen an Nettovermögen. 

Ein durchschnittlicher Erwachsener in den unteren 50 % der Vermögensverteilung hat €3682 an Nettovermögen.
Hochvermögende halten 40 % ihres Vermögens durch Betriebsvermögen und 40 % durch Immobilien. 

Die unteren 50 % halten fast alles ihres Ersparten in Form von Geldanlagen und ... Autos
Hochvermögende haben 6 Eigenschaften: 

- Männlich 
- mittleres Alter 
- ohne Migrationshintergrund 
- aus Westdeutschland, 
- gut ausgebildet 
- selbstständig

Drei dieser Eigenschaften sind vereinbar mit dem #Leistung|sprinzip, drei sind es nicht.
Vermögen sind regional sehr ungleich verteilt, wie auch diese Grafik zu den Anteilen an Unternehmen zeigt: 

Sehr gute Berichterstattung von @zeitonline über unsere @DIW_Berlin Studie zu Vermögen in Deutschland. zeit.de/wirtschaft/202…
Der Anteil am Volkseinkommen hat sich für die ärmere Hälfte von 33 % in den 1960er Jahren auf heute 17 % fast halbiert.
Dies ist ein wichtiger Grund für die Zunahme der #Ungleichheit von #Vermögen.

Unsere DIW-Studie,C Bartels:
diw.de/documents/publ
Implikationen für den Diskurs zu Vermögen in 🇩🇪 :

1. Hohe #Vermögen sind per se weder ungerecht,noch ökonomisch schädlich. Die Frage ist, welchen Beitrag Vermögen leisten: viel ist in Form von Betriebsvermögen, häufig Familienunternehmen, die gute Jobs und Perspektiven schaffen.
2. Es ist zumindest aus ökonomischer Sicht problematisch, dass über die Hälfte der privaten Vermögen nicht durch die eigenen Hände Arbeit erwirtschaftet, sondern durch #Erbschaft und Schenkung erzielt werden.
3. Aus ökonomischer Sicht ist ein #Steuersystem, das Arbeit weniger und Vermögen stärker belastet sinnvoll. Das gegenwärtige Steuersystem in Deutschland schafft Verzerrungen und Fehlanreize.
4. Das Kernproblem ist, dass in Deutschland mit ca. einem Drittel ungewöhnlich viele Menschen praktisch kein Erspartes haben. Das macht sie stark abhängig vom Sozialstaat und begrenzt ihre eigene Autonomie und #Freiheit.
5. Deutschland hat einen starken #Sozialstaat, der eine private Absicherung etwas weniger dringlich macht,als anderswo.Aber Vorsicht: Ansprüche auf Sozialleistungen (zB gesetzliche Rente) sind keine Vermögen, sondern Versicherungsleistungen. Diese helfen zB in dieser Krise wenig.
6. Die meisten Bürger*innen sparen nicht oder wenig, nicht weil sie dies freiwillig tun/nicht wollen und sich auf den Sozialstaat verlassen, sondern weil sie nicht können/geringe #Einkommen haben.
7. Es sollte hohe politische Priorität haben, gezielt die Vermögensbildung derer mit geringen und mittleren Einkommen zu unterstützen. Bessere #Löhne und Arbeitseinkommen, stärkere Unterstützung für private #Vorsorge und ein besseres Steuersystem sind drei zentrale Elemente.
Viele der Analyse hier zu Sparen, Schulden, Zinsen und Inflation werden im Detail in meinem neuen Buch (März 2022) “Geld oder Leben — Wie unser irrationales Verhältnis zum #Geld die Gesellschaft spaltet” besprochen.

/ENDE

piper.de/buecher/geld-o…

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Aug 22
War die #Gasumlage ein Fehler? Sollte sie nun rückgängig gemacht werden, wie zB die CDU es fordert?

Vier Aspekte und Fragen zur Einordnung 🧵:

handelsblatt.com/unternehmen/en…
1. Unternehmerisches Risiko: Wieso soll Bürgerinnen und Bürger den größten Teil der unternehmerischen Verluste aus Gasimporten übernehmen, wenn die Mehrzahl der Importeure wegen anderer Energiebereiche erhebliche Gewinne macht (zB RWE und Shell verzichten daher auf die Umlage)?
2. Asymmetrie bei Gasumlage und #Übergewinnsteuer: Konsument*innen müssen für die übermäßigen Verluste der Energiekonzerne haften, übermäßige (leistungslose) Gewinne werden jedoch nicht zusätzlich besteuert, nach dem Prinzip: Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren.
Read 5 tweets
Aug 22
Die Narrative zu Sparen, Vermögen und Inflation überschlagen und widersprechen sich. Ich will in untersch.🧵 hier versuchen mit Fakten und Zahlen, meist auf Grundlage meiner und unserer Arbeit am @DIW_Berlin, den Diskurs zu den Prioritäten von Entlastungen informieren zu helfen.
Fakten zu #Sparen:

60 % der Menschen in 🇩🇪 können in dieser Krise nicht sparen — so neue Berichte. Das zentrale Problem ist aber ein anderes: 40 % der Menschen haben heute fast keine Ersparnisse, also nichts um sich gegen die hohe Inflation abzusichern.

zdf.de/nachrichten/wi…
Die Deutschen #sparen viel – mehr als andere Europäer*innen. (Nur in der Schweiz ist die #Sparquote noch höher.) Aber viele Menschen in 🇩🇪 haben nur wenige oder keine Ersparnisse. Warum?
Read 14 tweets
Aug 21
Die #Ungleichheit der Erwerbseinkommen in 🇩🇪 ist seit den 1990er Jahre deutlich gestiegen — und die Ungleichheit ist auch seit dem Krisenjahr 2005 nicht gesunken. Was erklärt diesen Anstieg der Ungleichheit in Deutschland?

Unser neuer Wochenbericht @DIW:

diw.de/de/diw_01.c.84…
Der Hauptgrund für den Anstieg der #Ungleichheit sind die Arbeitszeiten und die systematischen Unterschiede zwischen gewünschtem und tatsächlichem Erwerbsumfang: …
15 % der seit 1993 gestiegenen Ungleichheit der Erwerbseinkommen wird durch die zunehmende Ungleichheit der Stundenlöhne erklärt, 40% durch die zunehmende Ungleichheit der Arbeitszeiten und 45 % sind im wachsenden Zusammenhang von Stundenlohn und Arbeitszeit begründet.
Read 6 tweets
Aug 12
🧵Mythos #Inflationsausgleichsgesetz: Die Behauptung, Menschen mit geringen Einkommen „zahlten keine Steuern“ ist falsch — sie zahlen mehr ihres Einkommens an #Steuern als viele andere, wegen indirekter Steuern.

Der „Wal in der Badewanne“ meines Kollegen @SBachTax @DIW_Berlin
Geringverdiener sind in dieser Krise doppelt benachteiligt:

1. Sie erfahren eine 3-4 mal höhere #Inflation als Topverdiener.

2. Sie bekommen vom #Inflationsausgleichsgesetz wenig, obwohl sie durch die Inflation einen starken Anstieg ihrer Steuerzahlungen an den Staat erfahren.
Der Finanzminister hat Recht: der Staat darf nicht Krisengewinner sein und sollte alle durch die Inflation verursachten Steuereinnahmen zurĂĽckgeben. Das #Inflationsausgleichsgesetz tut dies aber nicht: es gibt diese Gewinne vor allem an die Topverdiener, nicht an Geringverdiener.
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Aug 10
Die Bundesregierung sollte die am stärksten betroffenen Menschen entlasten und sich selbst nicht an der Inflation bereichern.Dieser Vorschlag gibt die Inflationsgewinne jedoch nicht alle zurück, sondern primär an Menschen mit hohen & mittleren Einkommen.

tagesschau.de/wirtschaft/ent…
Denn 40 % der Steuereinnahmen sind indirekte Steuern, wie die Mehrwertsteuer, die vor allem Menschen mit geringen Einkommen belasten. Für diese Menschen sieht der Plan des Bundesfinanzministers jedoch keine ausreichende steuerliche Entlastung vor. #Inflationsausgleichsgesetz
Das #Inflationsausgleichsgesetz setzt die falschen Prioritäten, denn Menschen mit geringen Einkommen erfahren eine 3-4 mal höhere Belastung ihres Einkommens durch die Inflation. Es wird die #Ungleichheit und die soziale Polarisierung weiter verschärfen.

diw.de/de/diw_01.c.84…
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Aug 8
Natürlich könnte die Bundesregierung die kalte Progression ausgleichen. Dies sollte jedoch aus ökonomischer wie sozialer Perspektive die letzte aller Prioritäten sein. Das hat nichts mit #Klassenkampf zu tun, sondern mit ökonomischer Logik.
Der Ausgleich der kalten Progression ist extrem teuer: es würde den Staat, und damit alle Bürger*innen, ca 10 Milliarden € kosten, und zwar jedes Jahr, für immer.

Und: als Teil eines Pakets wĂĽrde es ultimativ wohl ein Aussetzen der #Schuldenbremse auch fĂĽr 2023 erfordern.
90 % der 10 Milliarden € des Ausgleichs der kalten Progression kämen den oberen 30 % zugute, die unteren 30 % erhalten so gut wie gar nichts.
Read 6 tweets

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