1/16 Über meine Überlegungen zum Beitrag @WernerBartens, in dem er sich fragt, warum "Patienten mit #MECFS und #LongCovid auf einer organischen Ursache beharren?"
folgender🧵:
Krankheiten ganzheitlich zu sehen, d.h. als beeinflusst von Körper UND Seele, ist grundsätzlich richtig. Image
2/16 Wenn es aber um die Frage der primär indizierten Therapie geht,ist eine scharfe Unterscheidung von somatisch und #psychosomatisch meist unumgänglich.Wenn du eine MS hast,wirst du erst einmal medikamentös eingestellt, danach kann eine #Psychotherapie als Hilfestellung für die
3/16 Krankheitsbewältigung sinnvoll sein-oder auch nicht. Wenn du jedoch unter #MECFS leidest,sollst du direkt in eine psychosomatische #Reha,weil es keine etablierte somatische Therapie gibt. Warum ist das so?
Wenn Bartens die Vielzahl der Symptomen von LongCovid aufzählt, wirkt
4/16 das erst einmal wie eine Respektbekundung gegenüber #MECFS angesichts der Schwere der körperlichen Erkrankung.Die Pointe kommt erst am Schluss: Gerade WEIL die Beschwerden so zahlreich sind und WEIL viele unterschiedliche Befunde erhoben werden können,handele es sich um eine
5/16 Somatisierung, d.h. eine Störung mit wesentlich psychosomatischem Hintergrund. Das bedeutet,dass die Erkrankung unter die Gruppe der somatoformen Störungen subsummiert wird, wobei zwischen #LongCovid und #MECFS kein Unterschied mehr gemacht wird.
Was sind die Folgen?
5/16 Für den Umgang mit somatoformen Störungen ist ein Verfahren etabliert, das u.a.die folgenden beiden Elemente enthält:
Aufwändige fachärztliche Abklärungen sollen vermieden werden, um die Betroffenen von der Vorstellung zu lösen, daß eine körperliche Ursache ihrer Beschwerden
6/16 gefunden+behandelt werden kann; anderenfalls drohe ein ärztlicherseits unterstütztes Festhalten an einem somatischen Behandlungskonzept.
Stattdessen sollen sie initiativ werden+ihr Aktivitätsniveau stufenweise erhöhen,um Vermeidungen zu durchbrechen +Schonräume zu verlassen.
7/16 Bei Patienten mit einer somatoformen Störung funktioniert das oft. Was bedeutet es aber für Menschen mit #MECFS? Es bedeutet, dass Ärzte im Rahmen der psychosomatischen Grundversorgung angehalten sind,fachärztliche Abklärungen möglichst zu begrenzen +auf Psychotherapie oder
8/16 psychosomatische #Rehabilitation zu verweisen. Es bedeutet auch, dass die Forschung zu den körperlichen Mechanismen der Erkrankung wenig Interesse und Förderung findet, weil dies als unergiebig und irreführend gilt. Es bedeutet aber vor allem, das Menschen mit #MECFS in
9/16 mobilisierende Therapien gebracht werden,die nicht auf ihre Belastungsintoleranz #PEM abgestimmt sind,Crashs provozieren +auf diese Weise eine oft dauerhafte Verschlimmerung des Krankheitsbildes riskieren.
Warum wird das nicht gesehen?
Es wird nicht gesehen, weil das sehr
10/16 spezifische und unverwechselbare Phänomen der der Post-extertional Malaise #PEM nicht verstanden, bei der Diagnose d.Krankheit nicht beachtet+in seinen Folgen für die Belastungsintoleranz nicht in Rechnung gestellt wird.Das ist auch in dem YouTube von Bartens sehr deutlich,
10/16 wo irreführend lediglich von Fatigue die Rede ist.#PEM ist das Leitsymptom von MECFS und legt den Schritt nahe,#MECFS als Störung mit einem eigenständigen Mechanismus von der Gruppe der somatoformen Störungen abzugrenzen und ernsthaft wissenschaftlich zu erforschen.
11/16 Was hören wir von Seiten der maßgeblichen Psychosomatik dazu?
Wie Bartens berichtet, wird #PEM dort als eine „Anleitung zur Chronifizierung“ angesehen,weil es Betroffene einlädt,sich damit mobilisierenden Therapien zu verweigern-wenn sie sich tatsächlich gegen Überforderung
12/16 bzw.Crashs schützen wollen. Dieses Argument immunisiert allerdings gegen jeden Zweifel +macht die eigene Position zirkulär unangreifbar. Die Folgen dieser Sichtweise sind leider fatal,weil z.B.die Ablehnung einer Reha ernste sozialrechtliche Probleme nach sich ziehen und
13/16 Betroffene in eine existentiell bedrohliche Not bringen kann.Hier wird das Recht des Stärkeren exekutiert.
Patienten mit einer (tatsächlichen) #somatoformen Störung können (wie B sagt) ebenso wie #MECFS-Betroffene sehr krank sein, aber als Psychotherapeut*in findet man bei
14/16 ihnen in der Anamnese doch regelmäßig Hinweise auf einen Grad der psychischen Beeinträchtigung oder Vulnerabilität VOR Beginn der somatoformen Störung, der in einem einigermaßen stimmigen Verhältnis zu der Schwere der aktuellen Erkrankung steht. Die klinische Erfahrung
15/16 zeigt aber, daß wir unter schwer #MECFS-Betroffenen häufig Menschen finden,die besonders leistungs- und beziehungsfähig, voller Pläne+weitgehend psychisch unbelastet waren.Müssen wir nicht schon alleine deshalb ernsthaft an ein primär somatisches Krankheitsgeschehen denken?
16/16 Zu der Feststellung Bartens, dass Betroffene von #LongCovid und #MECFS überdurchschnittlich psychisch vorbelastet seien, siehe auch👇🏼
https://t.co/FS7q7wnBYH

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