"Wir leben heute in einer Mediokratie, Medienwissenschaftler nennen das so" ist eine weitere wissenschaftlich unhaltbare Aussage von #Precht. „Mediokratie“, die Herrschaft der Medien (analog zu "Virokratie" - Herrschaft der Virologen), ist eine überspitzte & veraltete These (1/4)
Der Politikwissenschaftler Thomas Meyer hat den Begriff "Mediokratie" 2001 geprägt. Demnach ersetzt die Medienmacht (v.a. bezog er sich aufs Fernsehen) die Macht des Demos und demokratischer Institutionen. In der Literatur wurde die These vielfach als überzogen kritisiert. (2/4)
"Heute" kann von Meyers Mediokratie noch weniger die Rede sein: Die Digitalisierung hat die Machtverhältnisse verändert, politische Akteure sind auf Journalismus weniger angewiesen, können mit Social Media direkt kommunizieren. Plattformen haben dagegen an Einfluss gewonnen (3/4)
Die „Mediokratie“-These kann Demokratieunzufriedenheit befördern, weil die Medien angeblich „regieren“. Die „Vertrauensverlust“-These (siehe unten) kann unberechtigtes Medienbashing verstärken. Beides befördert schlussendlich Populismus (4/4)
„Totaler Vertrauensverlust in die Medien“ wurde bei #Lanz behauptet. Zum Medienvertrauen sollte man die Medienwissenschaft konsultieren: Seit 2008 hat sich der Anteil der „Medienvertrauenden“ in der Bevölkerung fast verdoppelt. Sagt das @ifp_mainz, an dem ich auch forschen durfte
Hier die Behauptung zum „totalen Vertrauensverlust in die Medien“
Paradebeispiel #Desinformation: Ein sinnverdrehend zusammengebastelter Clip will eine Debatte über Baerbock anzetteln. Um zu behaupten, sie interessiere das eigene Land nicht, wird dieser Satz weggeschnitten:„Wir sind solidarisch mit allen in unserem Land wie auch in der Ukraine"
Hier die ganze Veranstaltung, auf der #Baerbock gesprochen hat:
Hinzukommt: @WELT füttert die Desinformationserzählung über #Baerbock mit einer falschen Übersetzung: Sie hat nicht "die deutschen Wähler" gesagt, sondern "meine deutschen Wähler" ("my german voters"). Ein wichtiger Unterschied.
Die #AfD hat nun einen Entwurf für ihr Programm zur Bundestagswahl 2021. Den kann man hier einsehen: cdn.afd.tools/wp-content/upl…
Der radikale Wesenskern der Partei spiegelt sich freilich nur bedingt in der Programmatik wider, es gibt aber ein paar interessante Entwicklungen (1/7):
Das „Rechtsbruch-Narrativ“ der AfD zur Flüchtlingspolitik wird auf die #Corona-Politik ausgedehnt. Weitere Punkte, die eine Anschlussfähigkeit zur Querdenken-Bewegung herstellen sollen: Profilierung als Anti-Lockdown-Partei und Heraufbeschwörung einer Impfpflicht (2/7)
In der Asylpolitik arbeitet die AfD mit klassisch rechtsextremen Framings und Forderungen. Mit "Asylparadies Deutschland" übernimmt die AfD das Wording der NPD, mit "Remigration" die Kernforderung der Identitären Bewegung (3/7).
Wir haben 1.208 Polit-Talkshows untersucht und gefragt: Wer spricht da für wen? Zentraler Befund: Besonders niedrig ist die Talkshow-Präsenz von Akteuren, die besonders hohes Vertrauen in der Gesellschaft genießen (z.B. Verbraucherschutz, NGOs, Gewerkschaften).
Im Detail: (1/8)
1.) Bei den "Big 4" der Talkshows (Anne Will, hart aber fair, Maischberger, Maybrit Illner) kommen 65,5 Prozent aller Gäste aus Politik und Journalismus; 8,8 Prozent aus der Wissenschaft; 6,4 Prozent Wirtschaft; 2,8 Prozent Kultur; 2,7 Prozent organisierte Zivilgesellschaft (2/8)
2.) 70 Prozent der Talkshow-Gäste aus der Politik sind von der Bundesebene; 7,3 Prozent von der europäischen und 2,4 Prozent von der kommunalen Ebene. (3/8)
Das #Sommerinterview von Tina Hassel mit #Gauland zeigt leider, wie unpräzise Frageformulierungen und unterlassene Einordnungen einem #AfD-Politiker ermöglichen, eine "Maske der Mäßigung" in solchen Interviewsituationen zu tragen. Fünf konkrete Beispiele:
1. Gauland löst den Begriff "völkisch" aus der NS-Zeit und bezieht ihn auf die "Jugendbewegung" vom Anfang des 20. Jh. Das bleibt so stehen, obwohl auch die "Völkische Bewegung", die Gauland meint, Nationalismus mit Rassismus verbunden hat und Wegbereiter für die Nazis war.
2. Hassel fragt nach "problematischen" Aspekten bei der #AfD, indem sie altbekannte Provokationen von Gauland, Höcke & Weidel zitiert. Mit Einzelzitaten beweist man nicht, dass die AfD rechtsradikal ist. Das zeigt man mit Befunden der Wissenschaft und des Verfassungsschutzes.