Ein Artikel der @NZZaS, der interessante Frage aufwirft und unbeabsichtigt auch einen Einblick in die Rolle der Medien bei der Darstellung von Wissenschaftlern gibt: "Wieso werden Wissenschafterinnen (sic!) zu Aktivistinnen?" #SARSCoV2#Klimakrise#Schweiz
"Aktivismus" scheint also ein Problem von weiblichen Wissenschaftlerinnen zu sein, denen eine Reihe männlicher Wissenschaftlern gegenüber gestellt wird, denen die Kommunikation wohl besser gelingt. Eine ausgewogenere Auswahl wäre dem eigentlichen Thema besser gerecht geworden.
In meinem Fall wird es durch ein Zitat der Weltwoche belegt (echt jetzt?): Dann muss es ja stimmen. Dass aktive Kommunikation in einer Coronavirus-Pandemie damit zu tun hat, dass ich seit >10 Jahren daran forsche, Genf das Referenzlabor leitet, für WHO arbeite, kann es nicht sein
Dass @NZZaS hier die Weltwoche bemühen muss, zeigt das Dilemma, dass Kommunikation von Wissenschaftlern nicht im freien Raum stehen bleibt, sondern allzu gerne aufgenommen wird, um Klicks zu produzieren & Aussagen durch Positionierung der Person in ein bestimmtes Licht zu rücken
Eine Erfahrung, die ich durch viel Medienarbeit der letzen Jahre gemacht habe, ist, dass gerade Journalisten immer besonders interessiert daran, eine persönliche Einschätzung oder O-Ton zu bekommen. Stand der Wissenschaft & Abwägungen oft sehr viel weniger interessant
Dieser Aspekt wird unten in dem lesenswerten Interview mit Prof. Tanner aufgeworfen: "Da verwischten die Grenzen zwischen Fakten und Haltungen teilweise stark." Und genau hier setzt die Verantwortung der Journalisten ein, dies zu trennen - was sind Fakten, was ist eine Ansicht?
In vielen Fällen fällt mir in Artikeln auf, dass diese Trennung (bewusst?) nicht gelingt. Ganz besonders ist das auch ein Grund, warum ich nicht mehr in Talkshows gehe (eigentlich garnicht so aktivistisch, oder?) Spannend, dass Aspekte wie Talkshows in dem Text nicht vorkommen.
Der Artikel wirft aber wichtige Fragen auf, trotz meiner Kritik: Wie geht eine Gesellschaft mit Wissenschaftlern um, die unangenehme Themen ansprechen & deren Dringlichkeit betonen? Die Themen ansprechen, die Entscheidungsträger in Bedrängnis bringen, Antworten fordern?
Sollen Wissenschaftlern - frei von Persönlichkeit & eigener Meinung - als vergeistigte Wesen in Ihrem Elfenbeinturm bleiben, sich nur unter ihresgleichen austauschen & die Allgemeinheit nicht mit Ihren Ansichten verunsichern? Die sich ja eh dauernd ändern, nicht übereinstimmen?
Welchen Mehrwehr erhofft sich eine Gesellschaft von Wissenschaft? Und was, wenn Weg zum Mehrwert zu einem Preis von unangenehmen Wahrheiten kommt? Die vielleicht sogar eine Verhaltensänderung, politische Entscheidungen bewirken sollen? Wenn Dringlichkeit herrscht?
Wer darf darüber sprechen? Sollen Wissenschaftler die Interpretation ihrer Daten vielleicht lieber ein bißchen abmildern, damit allgemein gefälliger? Ich hätte sicher einen leichteren Stand in der Schweiz & viele Vorteile gehabt, hätte ich SARS-CoV-2 längst für beendet erklärt.
Bei beiden großen Themen, aktuelle/zukünftige Pandemien sowie Klimakrise sind diese Fragen wichtiger denn je. Auch eine Gesellschaft muss sich diesen Fragen stellen, vor allem, wenn (Meinung-) Freiheit & Eigenverantwortung als hohes Gut zählen. Entscheidungen brauchen Information
Eine ganz wichtige Frage ist dies auch an die Medienschaffenden. Über den reinen Bedarf and Klicks & Aufreger-Überschriften hinaus kommt Ihnen eine wichtige Rolle zu, in welchem (vielfältigen) Licht die Berichterstattung über Themen wie Klimawandel & Pandemie erscheint.
Ein weiterer Aspekt ist im Übrigen, dass viele Wissenschaftlern die Lust & Energie verloren haben, sich überhaupt noch zu äußern, "dank" teilweise verzerrter Darstellung durch Medien & aggressivste Anfeindungen, auf Social Media, die aber auch ins echte Leben überschwappen
Die Medien haben deswegen eine große Verantwortung, einer Bandbreite an Wissenschaftlern eine Plattform zum "einmischen" zu geben - Die @NZZaS hat in der Vergangenheit guten, unvoreingenommenen Wissenschaftsjournalismus geliefert, zu dem ich mich regelmäßig gerne äußere
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Der aktuelle Anstieg des Infektionsgeschehens mit #SARSCoV2 & Hospitalisierungen an #COVID19 ist aktuell (noch) nicht durch eine neue dominante Variante verursacht! Die vielen neuen Omikron-Sublinien sind % noch gering detektiert & können deswegen noch nicht der Auslöser sein
Das ist wichtig weil in der Alpha, Delta & 1.Omicron-Welle der Anstieg erst durch die Dominanz der jeweiligen neuen Variante kam. Jetzt kommt eine neue (oder gleichzeitige Wolke von mehreren) Variante wahrscheinlich an, wenn die Situation schon länger angespannt ist.
Die Werkzeuge, die für diesen Winter bleiben, sind Masken (Verhinderung von Infektionen) & Booster, zumindest für alle Risikopersonen (Verhinderung von schwererer Krankheit). Testen ist bereits zurück gefahren, an Verbesserung der Innenraum-Belüftung gibt es kaum Interesse
Wichtig ist hier noch anzumerken, dass der reine Nachweis von Antikörpern nichts über den Schutz vor #SARSCoV2 Infektion aussagt. Auch kann man nicht zuverlässig sagen, ob sie von Impfung, Infektion oder Kombi aus beidem stammen. Ein hohes Infektionsgeschehen ist trotzdem möglich
Ähnliche Seroprävalenzen haben auch wir in der Schweiz gefunden, s. Preprints. Zusätzlich wurden hier aber noch Surrogat-Neutralisations-Assays durchgeführt. Genesene ohne Impfung (Situation kleine Kinder) neutralisieren schwach oder garnicht medrxiv.org/content/10.110…
In dieser Studie: 94% Seroprävalenz in der Bevölkerung nach der Omicron BA.2 -Welle (repräsentativer Querschnitt Kanton Genf), aber weniger als die Hälfte konnte BA.5 neutralisieren (darauffolgende Sommerwelle) medrxiv.org/content/10.110…
Where did Omicron come from? Theories include a circulation in hidden populations, under immune-pressure/chronic infection, or reverse zoonosis. Our pre-print is out, looking at potential extension of host range in animals vs. better human adaptation biorxiv.org/content/10.110…
Here, we studies Omicron BA.1 vs. all other VOCs and ancestral SARS-CoV-2 in human primary upper airway epithelial cells and other lung-derived cell lines. Only Omicron show a very early replication peak after 24 h with early efficient production of infectious virus
All other VOCs showed comparable patterns but Omicrons phenotype in vitro stands out, most pronounced on cells of he upper airways vs lung cell lines. We also tested replication in 17 cell lines from 11 mammalian species, including bats, rodents, insectivores and carnivores
#Immunität & #SARSCoV2#COVID19: Immunität wird definiert als "komplexer Schutz vor einer Infektion (antiinfektiöse Immunität)" (z.B. lt. Pschyrembel) - wenn man also davon spricht, dass man gegen #SARSCoV2#COVID19 Immunität ist, dann ist das missverständlich
Den Begriff Immunität wird jedoch auch manchmal verwendet im Sinne von "stattgefundener Auseinandersetzung mit einem Erreger, der zur Ausbildung von Antikörpern, T Zellen, etc geführt hat", ohne dass dies direkt einen Schutz (also sterile Immunität) meint - z.B. Teilimmunität
In der öffentlichen Kommunikation von "Immunität" u sprechen, finde ich persönlich missverständlich, denn die meisten von uns verstehen darunter wirklich den Schutz vor einer erneuten Ansteckung - den gibt es nicht bei #SARSCoV2 und wird es m.E. auch nie geben.
Steigende Kosten des Gesundheitssystem, die alle betreffen (nicht nur #SARSCoV2#COVID19 Risikogruppen) & gleichzeitig starke Be- bzw. Überlastung durch hohe Infektionsaktivität, die ebenfalls alle betreffen: so sieht "mit dem Virus leben" aus. 1/
Eine Strategie Impfung PLUS Basis-Infektionsschutz hätte dies verhindern können - ich glaube, dafür ist es aber zu spät. Wer immer wieder hört, es sei ja nur ein Schnupfen, die Pandemie wäre vorbei, Kinder könnten es schon kriegen, der schützt sich auch nicht mehr 2/
An den Auswirkungen werden wir alle noch Jahre knabbern, zu all den anderen Krisen hinzu, die nicht Pandemie-bezogen sind. Als Virologin sehe ich es immernoch so: Klug ist, so viele Infektionen wie möglich mit #SARSCoV2 zu verhindern. Virus & Folgen bleibt unberechenbar. 3/
Habe das Gefühl, der Spätsommer-Honeymoon ist vorbei - wieder mehr #SARSCoV2#COVID19 Infektionen im Umfeld, incl. Zweitinfektion. Zirkulation aber immernoch größtenteils BA.5, noch keine (sichtbare) Zunahme einer neuen Variante. Ab jetzt wieder mehr Vorsicht.
Kühlere Temperaturen werden wohl auch zu einer Zunahme der anderen Erreger führen. Einfache Maßnahmen können das Risiko reduzieren: Menschenmassen meiden oder Treffen draußen, Räume gut lüften, Maske in Innenräumen, wer Symptome hat, bleibt daheim, Händehygiene
P.S. Offizielle Testzahlen sind nur noch ein ganz kleiner Schnappschuss des Infektionsgeschehens, nur noch wenig Menschen gehen zum Testen. Viele Infektionen nur per Schnelltest oder garnicht mehr diagnostiziert. Daten durch Abwasser-Monitoring & Krankmeldungen realistischer.