#MEcfs – Chronic Fatigue Syndrom. Was ist das? Wie wird es behandelt? — Ein leicht verständlicher 🧵 von Neurona, der kleinen Neurone, über die schlimmste Form von #LongCOVID.
(Bildbeschreibung als Text, Credits am Ende)
„Hallo! Ich bin Neurona! Ich möchte dir erzählen, was wir heute über ME/CFS wissen. Du & deine Angehörigen können dann besser verstehen, welche Ursachen für ME/CFS wir heute vermuten & wie wir es behandeln.
ME steht für Myalgische
Enzephalomyelitis. Enzephalomyelitis bedeutet
Entzündung des Gehirns & des Rückenmarks. Mark, altgriechisch muelos. Gehirn, altgriechisch enképhalos. Myalgie bedeutet
Muskelschmerz. CFS steht für
Chronic Fatigue Syndrome oder chron. Erschöpfungssyndrom.
„Was die Auslöser für ME/CFS sind, können wir im Moment nur vermuten. Wahrscheinlich sind sowohl genetische, immunologische als auch
Umweltfaktoren verantwortlich.
Viren können vermutlich
ME/CFS auslösen.
– COVID-19-Virus, Epstein -Barr-Virus, Enteroviren & andere. Auch Bakterien lösen wahrscheinlich manchmal ME/CFS aus.
Wir glauben auch, dass Stress, Geburten, allergische Reaktionen oder Traumata Auslöser sein
können.
ME/CFS ist eine
Multisystemerkrankung. Bei Menschen mit ME/CFS wurde z.B. ein gestörter Energiestoffwechsel
in den Zellen oder ein gestörter
Fettsäurestoffwechsel beobachtet. Leitsymptom ist eine allumfassende körperliche sowie geistige Erschöpfung,
die durch Ruhe nicht verbessert wird. Ebenso kommt es zu Veränderungen der Blutdruck- &
Herzfrequenzregulation oder zu
Anomalien des Immunsystems.
In Österreich sind geschätzt
25.000 Menschen von ME/CFS betroffen. USA: 840.000 bis 12,5 Mio. Deutschland: 250.000
Weltweit sind ~17 Mio. Menschen an ME/CFS erkrankt. 2/3 der Erkrankten sind Frauen.
Viel zu lange wurde ME/CFS als psych. oder psychosomat. Krankheit missverstanden. Der verharmlosende Name
führte zu Stigmatisierung.
‚Die ist einfach nur faul!‘
Patient*innen berichten, dass sie sich von vielen Ärzt*innen nicht ernst genommen fühlten &
dass es 5 Jahre und länger dauerte, bis sie die Diagnose
bekamen. Die Krankheit wird in 4 Schweregrade eingeteilt.
Leicht: phasenweise
arbeiten möglich
Mittelschwer: meist ans Haus gebunden
Schwer: einfache Aktivitäten zu anstrengend
Sehr schwer: vollständig ans Bett gefesselt
Hauptmerkmal ist eine allumfassende Erschöpfung und Schwäche. Selbst einfache Alltagsaktivitäten können zu anstrengend sein. Nach Körperlicher oder mentaler
Anstrengung kommt es zu
einer Zustandsverschlechterung, „Crash" genannt.
Dies kann Tage oder Wochen annalten oder wird permanent schlechter. Diese Art der Erschöpfung ist nicht vergleichbar mit Müdigkeit oder normaler
Erschöpfung.
Viele Erkrankte haben Durch-/ Einschlafstörungen. Nach dem
Aufwachen fühlen sie sich, wie von einem Lastwagen überfahren. Oft werden auch grippeähnliche Symptome berichtet. Glieder-, Halsschmerzen, veränderte Körpertemperatur, Husten.
Viele leiden unter Kopfschmerzen einem Brennen oder Druckgefühl
im Kopf. Es kommt zu Konzentrationsstörungen, häufig zu einem eingeschränkten Kurzzeitgedächtnis.
Betroffene berichten von einem Gefühl der Benebelung oder
Benommenheit. Es kann zu Störungen bei der Wortfindung kommen. Dies wird auch als ‚brainfog‘ bezeichnet.
Häufig vorkommende Symptome von ME/CFS sind auch Muskelschmerzen sowie Magen-Darm-Probleme & Blasenstörungen.
Derzeit gibt es noch keine zugelassenen Medikamente oder Therapien. Aber es gibt
Behandlungsmöglichkeiten
der Symptome. Mittels eines Aktivitäts- & Symptomtagebuchs kannst du die Grenzen deiner geistigen & körperlichen
Aktivität herausfinden. Sehr wichtig ist der schonende
Umgang
mit Energiereserven. So ein Aktivitätsmanagement nennt man #Pacing. Ein körperliches Training, wie es bei anderen Krankheiten von Vorteil sein kann, führt bei Patient*innen mit ME/CFS zur Zustandsverschlechterung, auch #PostExertionalMalaise (#PEM)
genannt.
Patient*innen reagieren oft empfindlich auf Medikamente. Deshalb sollten vor allem Medikamente, die auf das Zentralhervensystem wirken, niedrig dosiert & die
Dosierung langsam gesteigert werden. Beim Aktivitätsmanagement können Hilfsmittel unterstützen aber auch eine Heimhilfe.
Mit ME/CFS gemeinsam treten manchmal sogenannte
Komorbiditäten auf. Das sind
Begleiterkrankungen. Beim Posturalen orthostatischen Tachykardie-Syndrom (#POTS) beginnt das Herz zu rasen bei
Lagewechsel.
Das kann zum Beispiel das Mastzellaktivierungssyndrom
(#MCAS) sein, bei welchem diese Art von Immunzellen überreagiert.
Das Ehlers-Danlos-Syndrom
(#EDS) ist gekennzeichnet durch eine Überdehnbarkeit der Haut &
hypermobile Gelenke.“
Als junge Frau mit komplexer chronischer Erkrankung, für die es keine Therapien gibt, habe ich Angst. Wenn Menschen sich am Kaffeetisch in der Einkaufsstraße die NSDAP zurückwünschen, Prognosen der AfD 19 % zuschreiben, sehe ich mein Leben ernsthaft in Gefahr.
1/
Schon jetzt stellt sich niemand dagegen, wenn Ärzt*innen darüber reden, wie teuer jemand wie ich für die Gesellschaft ist.
Junge Menschen, die angeblich zu häufig medizinischen Rat einholen, werden ernsthaft diskutiert.
2/
Ernsthaft diskutiert wird auch eine Gebühr für Notaufnahmen, wenn der Grund subjektiv nicht ernst genug sei.
Wie besorgniserregend das ist, versteht man erst, wenn man zuerst verstanden hat, wie politisch das Gesundheitssystem ist.
Wenn man die Diskriminierung dort erlebt.
3/
Wechselbeziehungen sozialer Ungerechtigkeit zu berücksichtigen ist wichtig, denn die eigene Diskriminierung entsteht nie im luftleeren Raum. 1/
Intersektionalität bedeutet, dass es möglich ist, gleichzeitig von mehreren Formen der Diskriminierung betroffen zu sein. Diese überschneiden und bedingen sich gegenseitig.
2/
Menschen mit ME/CFS können queer, migrantisiert, armutsbetroffen, psych. krank, behindert usw. sein.
Queere/migrantisierte/armutsbetroffene/psych. kranke/behinderte
Menschen können an ME/CFS erkranken und je andere Diskriminierungserfahrungen haben.
3/
Das Wehren gegen falsche psychische oder psychosomatische Diagnosen ist übrigens gar nicht „antipsychiatrisch“ oder „antipsychosomatisch“, sondern es ist entstigmatisierend und vor allem ist es notwendig.
🧵
Das Wehren gegen falsche F-Diagnosen, die schnell vergeben werden sobald die ersten Blutergebnisse unauffällig zurückkommen, ist unabdingbar für Antisaneismus, also auch der Entstigmatisierung psychischer Krankheiten.
2/
Im Umkehrschluss tragen leichtfertige und falsche psychische und psychosomatische Diagnosen zur Stigmatisierung echter psychischer und psychosomatischer Erkrankungen bei.
3/
Ich bin dankbar für all das, was Menschen mit ME/CFS in den Jahren & Jahrzehnten vor COVID erreicht haben. Ohne sie gäbe es heute kein Wissen, an das wir mit Long COVID anknüpfen könnten. Wir ständen vor dem Nichts.
Keine Patientenorganisationen. Keine Petition im Bundestag. 🧵
Ich habe großen Respekt vor all denjenigen, die bereits Jahre & Jahrzehnte erkrankt sind - viele Jahre davon komplett ohne Hoffnung auf eine Verbesserung ihrer Situation. Nicht, weil sie nicht alles versucht hätten ihre Situation zu verbessern, sondern weil eine Verbesserung
ihrer Situation politisch & medizinisch nicht erwünscht war.
Einige haben den politischen Kampf mit ihrer Restgesundheit bezahlt. Ich denke zum Beispiel an Alem Mathees, der gegen den Betrug um das PACE-Trial vor Gericht kämpfte & seitdem schwersterkrankt ist.
Wo wir gerade viel über politische Aufarbeitung sprechen:
Wann arbeiten wir politisch auf, dass #MEcfs seit Jahrzehnten bekannt ist, aber erst durch #LongCOVID überhaupt thematisiert wird? 🧵
Wann arbeiten wir politisch auf, dass #LongCOVID seit Beginn der Pandemie vorhersehbar war, aber trotzdem nie bei der situativen pandemischen Bewertung berücksichtigt wurde?
Wann arbeiten wir politisch auf, dass die Gesellschaft bis heute nicht entsprechend über die Risiken von #LongCOVID & #MEcfs informiert wird?
Liebe #MEcfs, #LongCOVID, #PostVac Bubble. Viele von euch erzählen mir in Gesprächen, dass sie vor ihrer Erkrankung kaum politisiert waren. Daher möchte ich euch ein paar Gedanken für einen intersektionalen Aktivismus mit auf den Weg geben. 🧵
Vorab: Das Narrativ wir wären Aktivist*innen wird gegen uns verwendet als wäre Aktivismus etwas Schlechtes. Es ist nichts Schlechtes daran aktiv(istisch) zu sein. Dieses Argument funktioniert nur, wenn man Machtstrukturen aufrechthalten will. Es ist antidemokratisch.
Ich finde es wichtig zu verinnerlichen, dass das Leid, das uns angetan wird ein Gesellschaftliches ist – daher sensibilisiere ich. Die Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Problemen setzt natürlich körperliche Ressourcen voraus. Versteht es bitte als ein Angebot: