Worum gehts? Lange hat die Regierung gesagt, sie wolle aktiv von russischem Gas unabhängig werden. Angesichts der Sicherheitslage und der offensichtlichen Erpressungsversuche aus Moskau verständlich. nachrichten.at/wirtschaft/nur…
Nach einer Krisensitzung im Juni angesichts der Lieferdrosselung durch Russland sagte etwa Leonore Gewessler, dass man die Diversifizierung bei den Gaslieferungen vorantreibe, "um uns Schritt für Schritt unabhängiger von russischem Gas zu machen". bundeskanzleramt.gv.at/bundeskanzlera…
Aber ist das so? Fangen wir bei der Ausgangslage an. 🇦🇹 ist ja von Anfang an sehr abhängig von 🇷🇺 Gaslieferungen gewesen (±80% des Imports), und braucht Gas auch noch in größerem Ausmaß als andere EU-Länder. Via @Bruegel_org: bruegel.org/blog-post/prep…
Daher ist die Unabhängigkeit von russischen Importen komplexer als in anderen Ländern, Österreich hat zudem keine eigenen LNG-Häfen oder andere Routen, über die rasch alternative Gaslieferungen organisiert werden können. So weit, so kompliziert.
Im Sommer sanken die Gas-Lieferungen aus 🇷🇺 ja massiv. Wir erinnern uns, es gab eine Posse um eine Wartung von #Nordstream1, 🇷🇺 reduzierte die Gasflüsse massiv (auch über andere Routen) und dann gab es auch noch den Anschlag auf Nordstream1. Auch in 🇦🇹 kam viel weniger Gas an.
Doch durch mehrere Faktoren wurde der Winter 2022 sehr gut bewältigt. 🇪🇺hat massiv mehr LNG-Gas bekommen, viel Gas eingespart, die ersten Wintermonate waren mild, die Speicher daher lange voll und an den Märkten kollabierten die Gaspreise. 👏 #Daten via bruegel.org/dataset/europe…
Das gute Umfeld sorgte dafür, dass es gar nicht so sehr ins Gewicht fiel, dass Österreich beim Gas-Einsparen hinterher hinkt (im EU-Vergleich) und die Strom-Produktion aus Erneuerbaren Energien hierzulande stagnierte bzw. rückläufig war. Die Gasspeicher wurden gefüllt.
Europa ist heute wesentlich weniger abhängig von russischem Erdgas als noch vor einem Jahr, das hat sich zu Beginn der Heizsaison auch noch fortgesetzt. #Grafik via EU-Kommission: consilium.europa.eu/en/infographic…
Auch in Österreich reduzierte sich die Bedeutung von russischen Gasimporten zunächst deutlich. Das feierte auch die Bundesregierung mit Stellungnahmen. Etwa der Bundeskanzler (bundeskanzleramt.gv.at/bundeskanzlera…) oder die Klimaschutzministerin. krone.at/2862135
Die Lage in 🇦🇹hat sich nun allerdings gedreht. 🇷🇺 Gas spielt wieder eine große Bedeutung in der Beschaffung. Im Dezember 2022 waren es 71% der (im historischen Vergleich niedrigen) Gasimporte. Das sind Schätzungen der E-Control, keine harten Daten. Via energie.gv.at
Der Dezember ist übrigens kein schlimmer Ausreißer, dass die Anteile keine Aussagekraft hätten. In absoluten Zahlen floss wohl netto wieder so viel Gas aus Russland nach Österreich wie seit dem Krisengipfel nicht. Die E-Control schätzt, dass es im Jänner auch so ist, im @KURIERat
Übrigens zeigt auch die Außenhandelsstatistik, dass der Wert 🇷🇺 Gasimporte in den Monaten Okt/Nov wieder sehr hoch war. Im Oktober wurde erstmals die Marke von 1 Mrd. Euro / Monat geknackt. Von Jän-Nov wurden für russisches Gas fast 7 Mrd. € überwiesen. datawrapper.de/_/xB2q8/
Da drängt sich die Frage auf: Warum? Warum setzt 🇦🇹 wieder weiter auf 🇷🇺 Gas? Wo doch Energieministerin und Bundeskanzler etwa die Buchung von Pipelinekapazitäten für norwegisches Gas derart lobten und eine Reduktion unserer Abhängigkeit von Russland ab Winter 2022 ankündigten?👇
Nehammer war in der ZIB2 bei Martin Thür mE sehr klar. Man wolle bloß einen Plan B haben für den Fall, dass #Gazprom wieder nicht liefert. Liefert Russland, wird russisches Gas eingekauft wie noch vor dem 24.2.2022. Nehammer sagte dazu in der ZIB 2 (Transkript der @orf_at-TVthek)
Überspitzt formuliert könnte man sagen: Wenn Putin will, bekommt er unsere Milliarden für sein Gas. Nehammer und auch die OMV machen klar: Man will nicht auf russisches Gas verzichten außer man muss. Solange 🇷🇺 Gas liefert, nehmen wir es (und nicht die gebuchten Mengen aus 🇳🇴).
Also müsste es korrekt nicht lauten: „Wir können unsere Abhängigkeit von russischem Gas ab Oktober reduzieren.“ Sondern wir könnTen. Wenn wir (bzw. die OMV) denn wollten.
Aber die OMV möchte keine rechtlichen Zores mit der Gazprom um die Langfrist-Verträge und der Kanzler sorgt sich um die Dividenden für den Fall eines Rechtsstreits: „Es geht auch hier darum Staatsvermögen zu sichern“, sagt er dazu in der ZIB2. Und:
(Kurzer Einschub: Ich bin ja kein Jurist, aber ich bin mir nicht sicher, ob nicht schon die monatelangen gedrosselten Lieferungen ohne nennenswerten Grund zur Erpressung Europas durch die Gazprom längst ein Vertragsbruch durch die russische Seite waren?)
Die Bundesregierung hat also das eigenständige Ziel der raschen Redukation russisches Gasimporte offenbar eingemottet. Niemand hat die Absicht, unabhängig von russischem Gas zu werden. Nur wenn sich Gazprom nicht an die Verträge hält, braucht man eben Alternativen.
Der Ausstieg aus 🇷🇺 Gas ist also eher eine Reaktion der Unternehmen auf die Unsicherheit, als eine koordinierte Aktion mit klarem Rahmen. Und damit wird 🇦🇹 weiter Mrd. Euro zahlen. Und wird damit einen nicht unerheblichen Beitrag zur Stabilisierung der Kriegswirtschaft leisten.
Denn Russland führt weiterhin Krieg mit unseren Milliarden. „Jeder Euro der russischen Exporteinnahmen zählt: er fließt direkt in die russische Kriegskasse“ zitiert Rainer Hank in einem lesenswerten Text den russisch-amerikanischen Ökonomen Oleg Itskhoki. rainer-hank.de/faz-kolumne/ha…
Man kann daher aktuell auch mutmaßen, dass die Gazprom deswegen die Bestellungen der OMV zu 100% erfüllt, weil das Geld dringend gebraucht wird. wilsoncenter.org/blog-post/puti…
Wieviel Geld aus 🇦🇹 wird 2023 nach Russland fließen? Das ist schwer zu sagen. Bereits 2022 sanken die gelieferten Mengen um ±40% (und dennoch verdoppelten sich die Kosten mehr als), wie sich das 2023 entwickeln wird, darauf werden die ersten Monate einen Hinweis geben.
Dabei lohnt es sich, das große Bild nicht aus den Augen zu verlieren. Denn Österreich geht einen Sonderweg (zusammen mit zB Ungarn). Die übrigen Länder Europas haben ihre Abhängigkeit von Russland massiv gedrosselt (bzw. mussten das wie Deutschland).
„Putin hat den Energie-Krieg verloren“, hat ein Rohstoffinvestor dieser Tage als Einschätzung gegeben: . Der Versuch der Erpressung Europas scheiterte: An den Einsparungen, der alternativen Lieferungen (via LNG, 🇳🇴) und am Glück des milden Winters. ft.com/content/d52bcb…
Ich meine ja, es würde der Regierung gut stehen, das Ziel der Unabhängigkeit von Russland stärker zu verfolgen, nicht nur als Backup. Denn der russischen Kriegsmaschinerie gehören so viel Ressourcen für ihren Vernichtungskrieg entzogen wie möglich.
Dafür müssten aber komplexe Fragen intensiv erörtert werden: Wie verfährt man mit dem Gasgeschäft der #OMV und einem möglichen Versorgungsauftrag? Bestellt man tatsächlich das Gas, für das derzeit Kapazität gebucht wurde? Wer übernimmt Mehrkosten, so es sie gibt?
Wird an einem Vertragsausstieg aus dem bis 2040 laufenden Vertrag gearbeitet? Wie intensiv ist man mit den Energieministern Deutschlands und Italiens abgestimmt, auf deren Gasinfrastruktur man ja angewiesen wäre? #Gazprom
Ja, Kanzler Nehammer hat wohl Recht, dass es derzeit keine einfachen Antworten gibt. Aber man macht es sich mE schon zu einfach, wenn die Antwort schlicht lautet: Hoffen wir einfach, dass die Gazprom uns normal beliefert.
Anders formuliert könnte man sagen: Wir überweisen Russland derzeit monatlich, was wir der Ukraine insgesamt seit Kriegsbeginn an Unterstützungen zukommen ließen. Das ist die unbequeme Wahrheit. ifw-kiel.de/topics/war-aga…
Wladimir Putin möchte, dass wir unser Gas künftig in Rubel bezahlen. Warum? Ein #Thread.
Putin will seine Wirtschaft stabilisieren. Er muss seine Wirtschaft stabilisieren, weil eine massive Wirtschaftskrise nicht nur die Bevölkerung trifft und Vertrauen erschüttert, sondern auch die Kriegswirtschaft belastet.
Und die Sanktionen funktionieren ja gut genug, dass sie in Russland wohl eine schwere Rezession auslösen werden. Ökonomen schätzen den Rückgang des BIP aktuell auf gut und gern -10% (Goldman), manche schätzen mehr (CE: -12%), manche weniger (Raiffeisen: -8%).
Ein kurzer #Thread zur aktuellen Größe des österreichischen Hilfspakets, nachdem ich gestern die Zahl wieder an mehreren Stellen gesehen habe, zB bei @sebastiankurz, bei @MartinThuer oder bei der WKO. #Budget#Coronakrise
Was da im März angekündigt worden war, waren
① Haftungen und Garantien (15 Mrd. Euro)
② Steuerstundungen (10 Mrd. Euro)
③ Nothilfe, Entschädigungen (9 Mrd. Euro)
④ Soforthilfe (4 Mrd. Euro)
Macht in Summe die viel gehörten 38.
Allerdings, unter ④ Soforthilfe fällt unter anderem die #Kurzarbeit und der #Härtefallfonds. Beides wurde in der Zwischenzeit massiv aufgestockt. Die #Kurzarbeit wird mittlerweile sehr breit eingesetzt, wie wir hier 👇 datenreich analysiert haben.