Vor etwas über einem Jahr hört ich in #Kiew ein Interview mit Klaus von #Dohnanyi über sein Buch: Die USA seien schuld daran, dass #Russland die #Ukraine bedrohe.
Kernpunkt seiner Aussage ist erneut der Mythos, die #NATO habe 1990 versprochen, sich nicht nach Osten auszuweiten. Alle russischen Politiker hätten seitdem „gewarnt, was die Erweiterung der NATO bedeuten würde". Diese Warnung ist ihm zufolge nun umgesetzt worden:
2/20
"Der Angriffskrieg ist natürlich nie zu rechtfertigen, aber man muss versuchen, ihn zu verstehen" - durch die Erweiterung der NATO habe sich RU bedroht gefühlt. "Es ist eben eine andere Sache, ob man mit amerikanischen Marines an der Grenze Russlands patrouillieren kann."
3/20
Natürlich ignoriert Dohnanyi zum einen wieder die NATO-Russland-Grundakte von 1997 - in der die "russischen Sicherheitsinteressen" sehr wohl berücksichtigt wurden: U.a. indem in den neuen Mitgliedsstaaten eben *keine* Marines stationiert wurden.
4/20
V.a. aber tut er, als habe die Aufnahme der Ukraine in die NATO kurz bevorgestanden: Brzeziński habe 2015 gewarnt, deren NATO-Mitgliedschaft könne zu einem heißen Krieg führen – und er habe Recht gehabt. Unter den Bedingungen bis zum 23.2.2022 war diese aber ausgeschlossen
5/20
Dohnanyi klagt, es sei "eine verpasste Situation gewesen, dass man im Dezember 21, als Putin gesagt hat ‚Bitte lasst uns über die Nato verhandeln!‘, gesagt hat, das kommt nicht einmal auf die Tagesordnung." Abgesehen davon, dass Dohanyi geflissentlich übersieht, dass dies
6/20
keine Bitte, sondern ein Ultimatum war, ignoriert er, dass Putin damit die Axt an die Charta von Paris legte, die eine freie Bündniswahl beinhaltet. Wie kann man von einer kollektiven Sicherheitsarchitektur reden, wenn man einer einzelnen Großmacht hier Vetorechte zugesteht?
7/20
Ganz kurz blitzt bei Dohnanyi die Erkenntnis auf, dass es Putin beim Krieg gegen die Ukraine vielleicht doch nicht um die vermeintliche Bedrohung durch die NATO geht: Die Russen hätten deren Erweiterung nämlich hingenommen, bis es um die Ukraine ging - da aber dann gesagt:
8/20
"Das ist ehemaliges russisches Staatsgebiet und das ist eine andere Frage als Polen oder Litauen." Dohnayi distanziert sich von dieser Behauptung mit keiner Silbe. Denn das würde von seinem Hauptanliegen ablenken - der Verurteilung der bösen USA.
9/20
Auf die Suggestivfrage, was er über die "Inszenierung" der Rede von Joe #Biden in Warschau denke, sagt er: "Ich fand das schrecklich, wie sich Herr Biden fast wie ein Popstar hat feiern lassen." Putins Rechtfertigung des Angriffskrieges finde er "genauso schrecklich".
10/20
Bitte nochmal kurz innehalten und das sinken lassen: Klaus von Dohnanyi findet eine Rede, in der einem überfallenen Land die Solidarität versichert wird, *genauso schrecklich* wie die Rede eine Kriegsverbrechers, der diesen Überfall rechtfertigt.
11/20
Er halte nichts von der Interpretation, dass Putin als ehem. Geheimdienstler immer falsch gespielt habe und der Westen naiv gewesen sei, sagt Dohnanyi - und belegt selbst, dass er weiterhin naiv ist: 2001 habe Putin im Bundestag überhaupt nicht von der Ukraine gesprochen!
12/20
Er ignoriert, dass diese Rede die erfolgreichste PsyOp in Putins Karriere war: Indem er den geschmeichelten Deutschen Honig ums Maul schmierte, vergaßen diese, dass er in den beiden Jahren zuvor Grozny in Grund und Boden bomben ließ - wie später Aleppo, wie jetzt Bachmut.
13/20
Auf das Stichwort, dass Dohnanyi mit seiner Haltung Gefahr laufe, als Putinversteher diffamiert zu werden, sagt der den entlarvenden Satz:
"Ich bin ein Putinerklärer, und ich versuche auch die USA zu verstehen, die [mit der NATO] ihre Weltmachtposition ausweiten wollten."
14/20
Der Schlüssel, um den Krieg zu beenden, so erklärt Dohnanyi dementsprechend, „liegt in Washington“ - als hätten die USA den Krieg begonnen, nicht Putin.
An dieser Stelle sinkt er dann (weiterhin unwidersprochen, lieber @DLF!) auf Reichsbürgerniveau ab:
15/20
Wir seien "von den USA uneingeschränkt abhängig, viel abhängiger, als wir je von russischen Gas waren." Dohnanyi stellt uns damit als Vasallen Amerikas dar und setzt die Mitgliedschaft in der NATO gleich mit dem Versuch Putins, Nordstream als Waffe einzusetzen.
16/20
Und es kommt noch schlimmer. Dohnanyi greift zu einem strukturell antisemitischen Narrativ: "Europa hat in seinen eigenen Sicherheitsfragen nichts mehr zu sagen ... die USA entscheiden das alleine. Und da entscheidet das eine kleine Gruppe in Washington.“
17/20
Wenn also die USA den Krieg in der Ukraine "bis zum bitteren Ende führen wollen, was sie können, wenn sie wollen", werde keine Friedensinitiative eine Chance haben.
Es wäre eine anspruchsvolle Aufgabe die Unterschiede zu Aussagen von Putin oder Höcke herauszupräparieren.
18/20
Ich war kürzlich anderer Ansicht als @EFDavies über die Frage, ob die @SZ den jüngsten Text von Habermas nicht besser freundlich hätte ablehnen sollen. Aber sie hat recht: Es bringt der Öffentlichkeit nichts, tausend mal widerlegte Mythen ein weiteres Mal zu widerlegen, nur
19/20
weil ein Großphilosoph sie wiederholt. Der Holzweg dröhnt unter seinen Füßen genauso laut. Umso schlimmer, wenn in Sendern wie dem DLF Interviews wie das mit Dohnanyi gesendet werden, dem mit Suggestivfragen eine Bühne für befremdlichen Antiamerikanismus geboten wird.
20/20
Günter Verheugen gehört zu den Erstunterzeichnern des #Schwarzer-#Wagenknecht-Aufrufs zu "Verhandlungen" und wurde dazu im @DLF interviewt. Seine Aussagen sind schlagende Beispiele für Täter-Opfer-Umkehr und Botherism.
Gefragt, warum im Aufruf #Putin 1/ share.deutschlandradio.de/dlf-audiothek-…
keinerlei Forderungen gestellt werden, erklärt er, die eigene Regierung sei die logische Adressatin, denn als Deutsche hätten die Unterzeichner:innen ja "nur Einfluss auf die öffentliche Meinung in unserem Land". Dummerweise hat er diesen Grundsatz kurz darauf vergessen, als
2/
er sich darüber erregt, dass ukrainische Offizielle davon träumten, Panzer über den Roten Platz rollen zu lassen: „Ich finde schon, dass man der Ukraine sagen darf, die politischen Ziele, die sie in diesem Konflikt hat, deutlich definieren muss.“ Er werfe der Ukraine vor, den
3/
Vor einem Jahr verfolgte ich von #Kiew aus die deutschen Debatten, ob man der #Ukraine Waffen geben solle (oder dürfe…), um sich gegen die drohende Invasion #Russland|s zu verteidigen. An meinem letzten Wochenende vor der erzwungenen Abreise war ich bei der Demo, auf der sich 1/
die Teilnehmenden überzeugt zeigten, dem neuen Angriff widerstehen zu können. Zurück in Deutschland dann die gegenteilige Haltung: Viele Leute, die ich in den Tagen nach meiner Rückkehr vor zu den Demos am Brandenburger Tor einlud, reagierten nicht, eine ehemalige Kollegin 2/
erklärte mir explizit, die werde nicht komme - die Nachrichten seien doch so widersprüchlich. Wären die USA mit 160.000 Soldaten an einer Grenze aufmarschiert, wären sie alle auf der Zinne gewesen. Aber den guten Putin trauten auch vermeintliche „Russlandexperten“ das nicht zu 3/
Die Parole des deutschen #Pazifismus lautet "Nie wieder Krieg!" und bleibt die Antwort auf die Frage schuldig, was man tun soll, wenn andere sich nicht dran halten.
Dieser blinde Fleck ist historisch bedingt, denn unser Pazifismus entstand aus der Erfahrung, dass wir es waren, 1/
die andere Länder überfallen haben. Aus dieser Perspektive betrachtet ergibt die Parole Sinn - doch wie die letzten zwölf Monate überdeutlich gezeigt haben, stehen wir mit unser Erfahrung in Europa ziemlich alleine da. Aus Sicht der Briten und erst recht der Polen und Ukrainer
2/
stellt sich die Lage ganz anders dar: Nur der Angreifer kann entscheiden, er wolle "nie wieder Krieg", dem Angegriffene bleibt diese Wahlmöglichkeit verschlossen.
Dass dieser blinde Fleck dem deutschen Pazifismus der Nachkriegszeit fest eingeschrieben ist, zeigt der berühmte
3/
Eine Predigt des Hasses im Gewand des #Pazifismus von einem Protagonisten der alten Friedensbewegung: Eugen #Drewermann erklärt u.a. wörtlich, Hitler habe 1939 ja nur nur "zurückgeschlagen", indem er "Böses mit Bösen vergelten" wollte (ab 18:15). 1/
Er spricht viel über Opfer des Zweiten Weltkrieges, meint damit aber in erster Linie Deutsche. Während die Amerikaner und Briten als die eigentlich bösen dargestellt werden: Die Briten, die Hamburg bombardiert hätten, und die vor allem die "Amis", die im April 1945
2/
die (angeblich) militärisch sinnlosen Angriffe auf die deutschen Stellungen in Royan bei Bordeaux flogen - einzig, um ihre Napalmbomben am lebenden Objekt auszuprobieren.
Drewermanns sieht sich nicht als "antiamerikanisch" - es gebe da "wunderbare Autoren“ - aber die USA
3/
Thilo Bode versucht sich in der Quadratur des Kreises - und wiederholt dabei einen oft geäußerten logischen Fehler. Im Interview mit @tazgezwitscher sagt er zum Ziel von #Verhandlungen: Die #Ukraine brauche "Sicherheitsgarantien", diese müssten durch 1/ taz.de/Petition-von-W…
"einflussreiche Garantiemächte überwacht werden". Zugleich aber will er, dass auch #Russland Sicherheitsgarantien erhalte, konkret: die Zusicherung, dass die Ukraine nicht Mitglied der #NATO werde. Sobald aber die Ukraine Sicherheits*garantien* erhält, die diese Bezeichnung
2/
auch verdienen, und das auch noch von "einflussreichen" Mächten, ist die Ukraine de facto in der NATO. Andernfalls hätten wir nach Minsk II ein Budapester Memorandum II, und Russland hätte nach einer Atempause keinen Grund, nicht eine dritte Invasion zu beginnen.
Bode jedoch
3/
wirft Wagenknecht in die Raum, 2021 seien 4000 NATO-Soldaten in der Ukraine "stationiert" gewesen, was sie als direkte Vorstufe einer Bündnismitgliedschaft bewertet.
Allerdings waren in der Ukraine nie NATO-Soldaten stationiert. Entweder lügt sie bewusst - oder sie verwechselt 2/
die Ukraine mit Polen und den baltischen Republiken - wo seit 2016 tatsächlich insgesamt 4000 NATO-Truppen stationiert sind. Und zwar als Reaktion auf die russische Invasion auf der Krim und im Donbas.
Bemerkenswert ist, dass Wagenknecht diese Falschbehauptung schon einmal in
3/