Jetzt, da die anderen im Praktikum sind, kann ich teilweise Einzelbeschulung mit dem neuen Schüler, starker Autismus, machen. Auf seiner letzten (inklusiven!) Schule für 3 Monate suspendiert, weil er "Arschloch" zu der Lehrerin gesagt hat, hat er jetzt bei uns noch ein paar
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Wochen bis zur Abschlussprüfung. Heute Mathe-Prüfungsaufgaben. Das Meiste kann er gut. Was er nicht kann, erkläre ich ihm kurz und zack, er rechnet es richtig. Nur bei einer vermeintlich leichten Aufgabe wird er unruhig. In einem Rechteck, 4 Kästchen hoch, 9 Kästchen lang,
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sollen 3/4 der Fläche markiert werden. Er zieht 3 senkrechte Linien und teilt das Rechteck in 4 Teile. Die ersten drei Teile, die er mit dem Bleistift schraffiert, sind dadurch 2 Kästchen breit, der letzte Teil natürlich 3 Kästchen. Ich versuche ihm zu erklären, dass er
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waagerechte Linien hätte ziehen können. Dann gäbe es 4 Reihen mit jeweils 9 Kästchen. Er protestiert lautstark:„NEIN, NEIN, NEIN!" DAS IST RICHTIG." zieht seine Linien mehrfach nach und schreit immer lauter:„EINS, ZWEI, DREI."
Argumente bringen so nichts, denke ich, gehe vorn
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an die Tafel, weil er mich auch nichts in sein Heft zeichnen lässt und zeichne das Rechteck auf die Tafel, die zum Glück über Kästchen verfügt. Dann schreibe ich eine 9 und eine 4 an die Seiten. Darunter dann 4 mal 9 gleich 36. Während ich das mache, guckt er aufmerksam zu
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und ist auf einmal ganz still. Ich frage ihn:„Sind bei dir 9 Kästchen übrig?" Er zählt:„Nein, 12. Das ist falsch. Ich bekomme keine Punkte für die Aufgabe." Ich zeichne meine Lösung an die Tafel. Er radiert alles ganz vehement weg und zeichnet meine Lösung ab.
Danach können
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wir ganz normal weiter arbeiten.
Und ich frage mich, wie zum Kuckuck soll das, abgesehen von der m.E. sehr merkwürdigen Suspendierung, in einer Klasse mit 28 SchülerInnen und einem nur stundenweise präsenten Sonderpädagogen, auch nur annähernd adäquat aufgefangen werden?
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Ich habe 10 Schüler und eine Pädagogin, mit der ich seit 20 Jahren im Team arbeite und die an fast allen Tagen 2 oder 3 Schüler differenziert unterrichten kann. Meine Bilanz: In 14 Abschlussklassen 2, die durch die Prüfung gerasselt sind, davon eine Schülerin, die es im zweiten
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Anlauf geschafft hat. Wozu der ganze Aufwand? Nun, das sind dann oft Schüler, die später sehr wahrscheinlich nicht auf der Straße stehen, nicht unterstützt werden müssen mit Steuergeldern und nicht auf dumme Ideen kommen. Ein Monat im Knast kostet ein Vielfaches eines Monats
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Förderschule. Auch wenn ein Förderschüler ungefähr doppelt so teuer ist, wie ein Gymnasiast, profitieren am Ende alle.
Gerade bei unseren Schülern mit dem Förderbedarf emotionale und soziale Entwicklung ist viel möglich. Ab und zu haben welche sogar einen Realschulabschluss
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geschafft und konnten durch viel positive Zusprache und Erfolgserlebnisse ihre Verhaltensprobleme nach und nach ablegen.
Wer nicht in Bildung investiert braucht später nicht zu jammern, dass ein Land langsam den Bach runtergeht.
#Inklusion
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