Thread by @christophnebgen

Hier jetzt also der befürchtete Thread zum #Datenschutzrecht.
Es war einmal - oder nein, wir fangen anders an:
"Datum" kommt vom lateinischen "dare" - geben, Partizip II, also "das Gegebene". Das Gegebene ist in diesem Fall eine Information. 1/15

Wenn die Maus aus ihrem Loch guckt, gibt sie dem Bussard, der im Baum lauert, eine Information. Eine, die sie im Nachhinein betrachtet besser für sich behalten hätte, aber hinterher ist man oder Maus eben immer schlauer. Es ist die Entscheidung der Maus, was sie tut. 2/15

Es begab sich nun im Jahre 1983, dass ein Gebot von der Bundesregierung ausging, ganz Deutschland möge geschätzt werden, aufgrund eines Gesetzes, dem so genannten "Volkszählungsgesetz". Damit sollte jeder Bürger gezwungen werden, dem Staat allerlei Informationen zu geben. 3/15

Vorgesehen war auch ein "Melderegisterabgleich", der dazu geführt hätte, dass niemand mehr sicher gewusst hätte, wo seine Informationen so alles gelandet wären. Die Maus hätte fürchten müssen, dass dem Bussard mitgeteilt werden würde, wann sie aus ihrem Loch guckt. 4/15

Das fanden Bundesregierung und Landesregierungen ganz Deutschlands damals übrigens völlig unproblematisch. Ganz Deutschlands? Nein. Ein kleines hanseatisches Dorf war schon damals der Ansicht, das könnte verfassungswidrig sein: Hamburg. (Mal ein bisschen Lokalpatriotismus!) 5/15

Völlig überraschend erklärte das Bundesverfassungsgericht das Gesetz dann tatsächlich für nichtig, weil es aus diversen Gründen gegen die Verfassung verstoße. Dabei bestätigte es erstmals ein "Recht auf informationelle Selbstbestimmung", hergeleitet aus Art. 2 und Art. 1 GG. 6/15

Von da an durfte jeder allein über alle seine Informationen verfügen. Die Maus musste seither nicht mehr fürchten, dass der Staat dem Bussard verraten könnte, wann sie aus ihrem Loch guckt. Lange Zeit war alles gut. Dann kamen Digitalisierung, Facebook und der ganze Scheiß. 7/15

Seit die Maus in den sozialen Medien ist, wirft sie mit persönlichen Informationen nur so um sich. Der Bussard braucht nur deren Status bei WhatsApp anzugucken und weiß, wann er vor ihrem Loch mit der Maus rechnen kann. Die Maus ist in einem selbstverschuldeten Dilemma: 8/15

Sie will nach wie vor nicht gefressen werden, aber auf ihre vielen neuen virtuellen Freiheiten möchte sie auch nicht verzichten. So segeln eine Unmenge neuer Gesetze unter der Flagge des Datenschutzes, die dem Bussard alles Mögliche verbieten wollen. 9/15

Der Bussard soll unter vielerlei Umständen das Mäuseloch nicht mehr beobachten dürfen (Datenerhebung), sich nicht mehr merken dürfen, wann die Maus angekündigt hat, aus ihrem Loch zu kommen (Datenspeicherung), und die Maus nicht mehr fressen dürfen (Datenverarbeitung). 10/15

Dabei gerät etwas aus dem Blick, dass das Recht auf informationelle Selbstbestimmung - wie alle anderen Grundrechte auch - vor allem ein Abwehrrecht gegen den Staat ist, kein Abwehrrecht gegen den Bussard. Es ist aber die Maus selbst, die mit ihren Daten um sich schleudert. 11/15

Das ganze Gebilde Datenschutzrecht dient so mehr und mehr dazu, Daten schleudernde Menschen vor ihrer selbst verschuldeten Unmündigkeit zu schützen, die Gesetzgebung ein einziges "Wasch-mir-den-Pelz-aber-mach-mich-nicht-nass". Das führt zu merkwürdigen Exzessen. 12/15

Weil hinter all den Regeln keine objektivierbare Struktur mehr zu erkennen ist, wird Datenaustausch mehr und mehr von Willkür geprägt. Es kann Ihnen passieren, dass Sie irgendwo anrufen, und man sich weigert, Ihnen Ihre eigenen Daten auszuhändigen, Argument: "Datenschutz". 13/15

Im Krankenhaus erfahren Sie mitunter nicht einmal mehr, wie es Ihren engsten Angehörigen geht - "Datenschutz". Der Bussard verhungert mittlerweile auf seinem Baum, weil die Datenschutzbehörde einen Paravent vor dem Mauseloch aufgestellt hat. 14/15

Ich glaube, einige der Beschwerdeführer (m/w/d) von damals wenden sich ab mit Grausen, wenn sie sehen, was aus dem von ihnen erstrittenen "Recht auf informationelle Selbstbestimmung" heute geworden ist. 15/15