Zur #HagiaSophia von mir ein kurzer Thread.
Grundsätzlich ist es mir als Christ egal ob eine Kirche Museum oder Moschee ist: Sie ist so oder so entwidmet. Wir Christen verlieren strenggenommen nichts, außer dass wir zukünftig für eine Besichtigung die Schuhe ausziehen müssten.
Auf der anderen Seite gibt es dennoch zwei Dinge, die bei diesem "populistischen Notgroschen" (@Besser_Deniz) der da verplempert wird Grund zur Sorge machen.
Das erste ist die Islamisierung der gesamten Türkei. Die Re-Islamisierung der Hagia Sophia ist eben ein symbolträchtiger Schritt für das ganze Land: Abkehr vom Laizismus, hin zu einem religiös aufgeladenen Staatswesen. Das schafft viele Konflikte.
Eine Türkei, die sich als muslimisch, womöglich als politische Schutz- und Führungsmacht der Muslime weltweit versteht, mischt sich auf Seiten islamistischer Kämpfer (Terroristen) in Syrien, Libyen womöglich auch im Westen ein. Das sind keine rosigen Aussichten.
Insbesondere die türkisch-israelischen Beziehungen haben arg gelitten, aber auch das türkisch-deutsche Verhältnis wird auf eine harte Probe gestellt. Erdogan als Fürsprecher der Muslime in Deutschland - das hat uns gerade noch gefehlt.
Dazu bringt eine solche Haltung die Türkei in Konkurrenz zu Saudi-Arabien und Iran, die sich ebenfalls als Schutzmacht der Muslime verstehen. Umgekehrt dürfte es zur Entfremdung mit Ägypten führen, die dem Islamismus blutig abgeschworen haben.
Das zweite, vielleicht noch bedrückendere ist aber das innenpolitische Signal: Eine Islamisierung der Türkei lässt womöglich noch weniger Platz für die verbliebenen Christen dort.
Für sie ist die Widmung einer ihrer ältesten und wichtigsten Kirchen im Lande zu einer Moschee ein fatales Signal. Der neutrale Raum schmilzt zusammen. Der Staat positioniert sich islamisch, Christen fühlen sich ausgegrenzt.
Der Genozid an den Armeniern, wo die größte Christliche Minderheit zu Staatsfeinden erklärt und physisch vernichtet wurde, ist noch kollektive Erinnerung. Dass der Staat sich jetzt nicht mehr neutral, sondern muslimisch definiert, lässt manche Alarmglocke schrillen.
Dabei ist die Situation von Christen und Kirchen schon jetzt nicht wirklich als rosig zu bezeichnen. Staatliche Schikanen wie auch "spontane" Übergriffe durch militante Gruppierungen wie die Grauen Wölfe sind leider schon Gewohnheit.
Diese Minderheit bräuchte einen Staat, der sich klar zu ihr bekennt, und sie unter seinen staatlichen Schutz stellt. Dazu hülfen auch symbolische Gesten, die den bleibenden Wert des christlichen Kulturerbes der Türkei würdigen. Die Re-Islamisierung der #HagiaSophia tut das nicht.
