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Im Zuge des #EUGipfel (#EUCO) sind vor allem von Sebastian Kurz so viele Nebelgranaten geworfen worden, dass es einen Faktencheck und eine Analyse des Kompromisses braucht (Thread):
1) Es war von Anfang an klar, dass im Merkel-Macron-Plan (500 Mrd als nicht rückzuzahlende Zuschüsse) und dann im Vorschlag der Kommission (750 Mrd insgesamt; davon 500 Mrd als Zuschüsse und 250 Mrd als Kredite) das Brüsseler Verhandlungsspiel eingepreist war.
Der nun beschlossene Kompromiss von 390 Mrd Zuschüssen & 360 Mrd Krediten (insg. 750 Mrd), ist daher kaum als Erfolg der geizigen 4 zu bezeichnen. Das wird nicht zuletzt daran deutlich, dass die Kredite sehr günstig und lang gestreckt werden (bis 2058).
2) Wenig mehr als Falschinformation ist der ÖVP-Spin, dass die ö Beitragszahlungen sinken. Das ist unwahr: Die jährlichen Beiträge Ö steigen künftig von jährlich 2,9 auf 5,4 Mrd. Grund ist der Brexit, der dazu führt, dass die verbleibenden Nettozahler die Lücke schließen müssen.
Von 2021 bis 2027 war Österreich vor dem Gipfel lediglich
d a v o n ein Rabatt zugesagt worden. Nur dieser Rabatt wurde nun wie zu erwarten war nach oben verhandelt und vervierfacht.
3) Gänzlich lächerlich wird der Spin aber, wenn man den nun um 278 Mrd erhöhten Rabatt mit jener Reduktion von Zuschüssen vergleicht, die die geizigen Vier „durchgesetzt“ haben. Denn auch Ö hätte Zuschüsse bekommen.
Diese sinken nun (durch die Absenkung von 500 auf 390 Mrd insgesamt) für Ö um 400 Millionen (!). Selbst die chauvinistische Erzählung des Bundeskanzlers hat daher kurze Beine: Netto verliert Österreich 122 Millionen.
4) Und auch das Gerede der geizigen Vier von harten Bedingungen für die Gelder war ein Bluff. Denn die Einhaltung der bisher stark neoliberal geprägten länderspezifischen Empfehlungen hatte die Kommission schon in ihrem ersten Entwurf vorgesehen (Art 14 Abs 2 VO COM (2020) 408.
Und auch daran, dass sie letztlich allein darüber entscheidet, ob die Bedingungen erfüllt werden, ändert sich trotz der von den geizigen 4 "durchgesetzten" Notbremse nichts:
Denn eine genaue Betrachtung der Textierung zeigt, dass hier nur die Möglichkeit des Rates vorgesehen wird, über die Nichteinhaltung der Bedingungen zu d i s k u t i e r e n . Die Entscheidung trifft die Kommission aber allein ( S. 6 der Schlussfolgerungen).
5) Inhaltlich bestätigt sich die Einschätzung, dass das zentrale Projekt der EU der nächsten Jahre die Errichtung eines grünen Festungskapitalismus ist: Die Ökologisierung fokussiert auf Konzerninteressen (zB Erhaltung der Automobilität durch Wasserstoff und Elektroantriebe).
Und für die Militarisierung nach außen und innen werden gigantische Summen vorgesehen: Für Errichtung neuer Waffensysteme 7 Mrd Euro, für "Grenzmanagement" 22,6 Mrd und für "Sicherheit und Verteidigung" 13 Mrd.
5) Eine Gesamtbetrachtung ergibt daher, dass die geizigen 4 defacto sehr wenig gegenüber dem Block Merkel-Macron-Kommission durchsetzen konnten.
Doch davon sind sie wohl auch nie ausgegangen. Die Strategie war von Anfang an vor allem auf das Ernten einer (rechts-)populistischen Dividende angelegt.
Gleichzeitig war ihre Rolle für Merkel & die Kommission nützlich, weil dadurch sichergestellt werden konnte, dass der schon lang angestrebte Durchgriff durch strenge Konditionalität auf die Wirtschaftspolitik der anderen (südeuropäischen) Mitgliedstaaten nicht gefährdet wird.
6) Das "links-liberale" Akteure gegenüber Kurz-Spin eher hilflos wirken, liegt daran, dass sie sich in dem inszenierten Konflikt pseudo-nationalistisch-neoliberalen (die geizigen 4) gegen pro-europäisch-neoliberalen Block (Merkel-KOM) auf die Seite des letzteren geschlagen haben.
7) Wenn es daher nicht nur zu einer Modifikation, sondern zum Bruch mit der neoliberalen Geschäftsgrundlage kommen soll, braucht es den Aufbau eines dritten Pols, der grenzüberschreitend die Durchsetzung einer öko-sozialen Lebens- und Produktionsweise auf die Tagesordnung setzt.
Wer näher in das Thema reinlesen möchte:
Für das Tagebuch habe ich dazu eine Analyse geschrieben: tagebuch.at/politik/auf-zu…

Und im Infobrief EU & Internationales der AK Wien erschien meine Einschätzung der (rechtlichen) Eckpunkte: bit.ly/2OG5waT
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