These: Viele kleine Ungenauigkeiten, die Zuschauer und Leser beim Konsum von Medien wahrnehmen, haben sich mit den Jahren zu einer Welle des Misstrauens aufgebaut, die längst über uns einbricht. Die meisten von uns könnten täglich Beispiele liefern. Hier sind zwei ⬇️ /1
Gestern bei #maischberger: Es wird über Herrenwitz-#Lindner gesprochen und da darf der Ausschnitt nicht fehlen. Aber er wurde umgeschnitten: Teutebergs Reaktion wurde vorgezogen und verkürzt, die Tonspur unverändert gelassen. Eine Kleinigkeit, aber trotzdem: So war es nicht. /2
Trump bei Macron: Das heute-journal zeigt beide beim Gespräch, darüber der Off-Sprecher: "So artig ist der eine Donald Trump, dass er dem französischen Präsidenten zustimmend zunickt, obwohl ihm niemand übersetzt." Doch Macron hat Englisch gesprochen 🤷‍♂️ /3
Das Problem von vielen kleinen Ungenauigkeiten in der Berichterstattung: Sie streuen Zweifel an dem Bestreben nach Wahrhaftigkeit von Medienschaffenden insgesamt. Ein leichtes Flirren, das sich bei Zuschauern zu dem Gefühl steigern kann, dass "die Medien" uns "belügen". /4
In den allermeisten Fällen ist die Lüge nicht die Motivation. Oft ist es Zeitdruck gepaart mit Nachlässigkeit, wie bei Trump und Macron – oder es ist wie bei Maischberger der Zwang zur Form, wenn der Redakteur dem Cutter sagt, dass der Einspieler kürzer sein muss. /5
Aber gerade der ÖRR kann sich das einfach nicht mehr leisten. Er muss besser sein, viel besser und genauer, auch und gerade in den Hauptnachrichten, aber eigentlich immer. Keine Nachlässigkeiten, Verkürzungen vermeiden, im Zweifel: FUCK FORM! /6
Ich habe meine Jugend am (damals noch) analogen Schnittpult verbracht. Als kleiner Piefke saß ich bei Live-Übertragungen am Bildmischer und habe bestimmt, was die Zuschauer im Offenen Kanal Berlin zu sehen bekamen – und was nicht. Schnitt ist Macht. Schnitt schafft Realität. /7
(Zwei Einschübe: In den 90er Jahren gab es einige medienpädagogische Jugendclubs in Berlin, in denen Kinder und Jugendliche genau sowas gelernt haben. Anfang der 00er Jahre hat der Berliner Senat sie dann kaputtgespart. Glückwunsch!) /8
(In den 00ern habe ich Videos für die PolitikAgentur geschnitten. Aus einer öden Veranstaltung des @BMFSFJ wurde so ein Spitzenevent, auf dem alle lächelten. Heute nennt sich die Agentur Quadriga Media, viele von euch hier kennen sie – und ihren Chef). zeit.de/2012/33/Helios… /9
Schnitt schafft Realität. Wenn Maischberger uns zeigen will, was zwischen Lindner und Teuteberg passiert ist, muss der ungeschnittene 4-sekündige längere Ausschnitt gezeigt werden. Stattdessen bekommen wir eine Interpretation – und jemand schreit: "iCh kAnN sELbER dENkeN 🤪" /10
Wenn Tagesschau oder heutejournal, Lanz oder Maischbeger einen Ausschnitt bringen, haben viele die ganze Pressekonferenz, die ganze Rede oder das ganze Interview schon längst gesehen. Und sie merken die Unterschiede, die einen hier, die anderen dort. /11
Dieses Flirren, dieses Unbehagen über die vielen Realitätsquetschungen, ist so gefährlich, weil so unscheinbar, aber in der Summe doch wirkungsmächtig. Ich kann mir das an Strukturen und Arbeitsweise erklären, weil ich das kenne – andere werden böse Absicht unterstellen. /12
Die klassischen Medien sind immer noch in den 90ern hängengeblieben, aber die sind wirklich vorbei jetzt. Wir sehen vieles, wir sehen alles, noch vor euch: auf dem Klo beim Kacken, im Auto, der U-Bahn, während der Pause. Wir sind schon weg – und ihr seid noch hier ⬇️ /13
(Das in dem kleinen Sketch ist übrigens Charlie Brooker, der Macher von "Black Mirror" 🙃) /14
Medienschaffende müssen der Hyperflexibilität der Zuschauer und Leser damit begegnen, dass sie sich selbst von starren Formen lösen. Und zwar radikal, nicht wie der Regisseur, der seinem Kinderdarsteller im Tatort ein falschrumes Capi aufsetzt, damit er "cool" wirkt. /15
Wenn das nicht bald passiert, werden sich die Leute weiter abwenden. Man informiert sich dann lieber bei Einzelpersonen wie @Natascha_Strobl oder @ardenthistorian, denen man vertraut und die in ihrer Form viel freier sind – oder auf Youtube. /16
Es sind alte Strukturen mit unflexiblen Entscheidern, die uns seit Jahren (nicht nur in Medien, auch in der Politik) in den langen 90ern gefangen halten. Aber die sind seit Corona wirklich vorbei – und wenn am 3.11. der finale Sargnagel fällt, ist es vielleicht zu spät. /ENDE
Weil ich kurz vorher den ganzen Ausschnitt auf Twitter gesehen habe, ein neues Beispiel: Es ist einfach zu ungenau, fast faul, wie im @heutejournal die Frage von @kaitlancollins an Biden wiedergegeben wird, ebenso die Übersetzung seiner Antwort.

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23 Apr
Völlig durch.
Nein, wie kommt man denn nur darauf, dass die irgendwie den Querdenkern nahestehen könnten? Man wird doch in einem Interview wohl noch sagen dürfen, ein WDR-Moderator erinnere einen an ein Mitglied des ZK der DDR. Oder doch lieber so rum vielleicht:
Brüggemann: "Was diese Aktion hier macht, ist: Sie hält dem besserverdienenden und bessergestellten Medienbürgertum, der selbstgerechten Twitterblase [...], dem hält sie den Spiegel vor. Diese ganze Heuchelei, die sagt, ich schütze mich und andere, indem ich zuhause bleibe."
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19 Apr
Man muss es so nochmal so klar sagen und festhalten: Christian Lindner ist einer der Hauptverantwortlichen dafür, dass die Pandemiebekämpfung bei uns vor die Wand gefahren wurde. Niemand sollte sich von seiner aus tollen Worten bestehenden Politiksimulation blenden lassen. /1
Lindner hat den Inzidenzwert als die Richtgröße zersetzt. Warum? Damit trotzdem geöffnet wird. Nicht, weil er untauglich ist. Mit der Inzidenz steigt die Zahl der Patienten steigt die Zahl der Toten. Immer. Das war in der ersten Welle so, in der zweiten Welle und auch jetzt. /2
Aber die Fleischfabriken, das isolierte Geschehen, das die Inzidenz verfälscht! Man müsse da doch "differenzieren" (eines diese Zauberworte aus dem Sprachkasten einer Politik, die schlaue Überlegungen lediglich simuliert). Als ob die Leute in der Fabrik leben würden. /3
Read 9 tweets
6 Apr
Laschets #Brückenlockdown ist eine einzige Mogelpackung: Zwei bis drei Wochen bis Inzidenz unter 100, um Öffnung "in die neue Zeit" mit Tests, Modellprojekten und Luca vorzubereiten, auch ohne ausreichende Impfungen. Besonders dreist auch, wie er hier Wissenschaft vereinnahmt ⬇️
Das Verrückte: Laschet ist mit seinem #Brückenlockdown gar nicht weit weg von Lauterbach. Der Unterschied: Lauterbach will mRNA-Impfung strecken und so Tempo machen, was Laschet und die meisten hier begrüßen dürften. Ich halte das für falsch:
Es gibt keine politische Kraft, die sich für irgendeine #NoCovid-Strategie einsetzt. Laschet nicht, Scholz nicht, Merkel nicht, Söder nicht, Habeck-Baerbock nicht, Bartsch nicht – und auch nicht Lauterbach. Und Lindner hat es geschafft, die Inzidenzlatte oben festzuschrauben.
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24 Mar
Hmm
Ich glaube, vielen ist bei dem ganzen Bohei um die Entschuldigung nicht wirklich klar, was der heutige Tag für eine Dynamik auslösen wird. Die Länder machen ab jetzt ihr Ding – und das Saarland fängt an:
Die nächste MPK ist für den 12. April geplant. Die Länder werden alleine entscheiden, wie sie der dritten Welle begegnen. Damit übernehmen sie endgültig das Ruder und sind die Bremserin los. Die Kanzlerin hat sich ausmanövriert – und die Länder werden die Gunst der Stunde nutzen.
Read 7 tweets
8 Feb
Übrigens: Die Produktionsfirma i&u TV dieser ZDFzeit-Doku mit Streeck hat Günther Jauch 2019 an den Investor KKR unter Führung von Fred Kogel verkauft. KKR hat 2019 auch die Mehrheit an der Axel Springer SE erworben. Kogel baut für KKR den Medienkonzern Leonine auf.
Deutschland steht bei Investitionen von KKR besonders im Fokus. Neben dem Aufbau des Medienkonzerns Leonine interessiert man sich besonders für die Branchen Gesundheit, Finanzdienstleistungen und Einzelhandel. manager-magazin.de/finanzen/artik…
Wir erinnern uns: Die Arbeit von Storymachine für die Heinsberg-Studie von Streeck wurde von zwei Unternehmen finanziell unterstützt, der Gries Deco Company (10.000 EUR) und Deutsche Glasfaser (20.000 EUR), welche bis Februar 2020 noch zu KKR gehörte. handelsblatt.com/technik/it-int…
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10 Apr 20
Ihr merkt aber schon, was gerade passiert, oder? Nach dem zweiwöchigen Schock sortieren nun viele ihre Agenda um das Virus herum neu: Lindner doing Lindnerthings, der Laschetmerz ruft uns zurück ans Fließband, Faschotrolls schimpfen auf den "Staatsvirologen", you name it. /1
Um ihre Agenda zu setzen, nutzen sie unsere Anliegen aus: Sie imaginieren Maulkörbe, die es nicht gibt. Sie zeichnen das Bild einer Diktatur, die nicht kommt. Sie warnen vor Suiziden & häuslicher Gewalt durch die Beschränkungen, aber sowas ist ihnen sonst egal. /2
Diese Leute nehmen mit der Forderung nach einer schnellen Rückkehr zur Normalität unseren Tod in Kauf. Das Virus bleibt gefährlich. Weil es sehr ansteckend ist. Weil es langsam ist (5 Tage bis Symptome, 10 Tage bis zur Intensiv). Weil es dadurch Krankenhäuser überrennen kann. /3
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