Thread by @zineworkshop

Für eine Diskussion der "industriellen Vernunft" immer noch lesenswert ist das Buch von Eckhard Neumann _Funktionshistorische Anthropologie der ästhetischen Produktivität_ aus dem Jahr 1996. Er bringt die nachweisbaren Punkte zur Sprache,

bei denen die Trennung in Arbeit und Kultur, Fremdbestimmung und Freizeit erst virulent werden. Wenn diese Trennung von Sozialgruppen kollektiv wieder aufgehoben werden soll im Schutzgebiet von "Kultur" (Freizeit) und voluntaristisch die Arbeitswelt ästhetisch aufgewertet werden

soll, werden die Rekuperationen, die Verschönerungen der Pläne nur überdeckt und sogar befördert. Es sieht aus wie Subversion, wird aber die von VW gesponserte Übernahme des kritischen (kritisierenden) Raums sein. Ein Hofnarrentum zur Optimierung der Dauerrede

der ideologischen Besprechung durch die Zuträger der aktuellen Macht. Auf dem Kerngebiet des entfremdeten Ästhetischen sollen gesellschaftspolitische Vermittlungen der Mittelschichten für Mittelschichten stattfinden, auf dass die Unterschichten die Kulturhoheit der

Mittelschichten akzeptieren. Pop, Kunst, Kultur sind im Wesentlichen Projekte der Mittelschichten und derer, die es werden wollen. An der Sachlage der a-sozialen Verwerfungen ändert in Kassel das ehemalige Kaufhaus voller Ateliers am Friedrichsplatz nichts. Direkt vorm

Haupteingang des Domizils der Kunstinstitution Documenta residieren Obdachlose. Die Arbeitslosigkeit der Region ist "coronabedingt" gestiegen, Insolvenzen werden erwartet. Neumann weist nach, wie ästhetische Praktik "Arbeit" bedingt und erst durch die bürgerliche

Gesellschaft geschieden wurden, um dann in "Firmenphilosophien" und Design aufzugehen. Mit "Ruangrupa" die documents von einem Kollektiv mit sozialpädagogischem Portfolio kuratieren zu lassen, ist nur folgerichtig. Das Scheitern der Avantgarden soll hier endlich

beendet werden. Kultur soll das neue Politische sein.

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