Weil jetzt mit Hinweis auf falsche Umfragen wieder allerorts „shy Trumpists“ vermutet werden, die einfach nicht zugeben wollten, Trump zu wählen: Das kann ein Teil der Erklärung sein, es ist aber wenn überhaupt ein kleiner. Warum? Man muss zu Umfragen in den USA (aber auch in EU)
wissen, das du im schlimmsten Fall 500-1.000 Leute anrufen musst, bis dir jemand ein Interview gibt, das für eine Umfrage verwendbar ist. Für eine Umfrage nicht verwendbar ist ein Itv, in dem nur zwei oder drei Fragen gestellt werden. Du willst ja 1. demographische Daten haben
und 2. Fragen zu Wahlmotiven stellen und 3. Rückerinnerungsfragen an vergangenes Wahlverhalten zur Plausibilisierung des Fragebogens stellen und 4. vielleicht noch andere Dinge wissen. Warum das alles? Die wenigsten Institute, die seriös arbeiten, verlassen sich auf 1ne zufällige
Stichprobe und tun einfach so, als wären die 1.000 Leute, die sie befragt haben, repräsentativ. Statt dessen modellieren sie eine Stichprobe, in der die Bevölkerung nach bestimmten Kriterien abgebildet ist: Du brauchst 520 Frauen in deiner Stichprobe, von denen knapp die Hälfte
einen College Abschluss hat. Du brauchst auch ein knappes Fünftel Latinx, von denen aber zwei Drittel keinen College Abschluss haben sollen und von denen wieder ein Drittel unverheiratet sein soll und jede/r Siebte über 100.000$ im Jahr verdient und so weiter. Dieses Modellieren
der Stichprobe ist extrem aufwändig und um die 1.000 richtigen Befragten zu haben, musst du mehr als 1.000 Leute finden, die dir ein Interview geben. Und dann brauchst du ein „Turnout Model“, das heißt eine Annahme darüber, welche Gruppe wie massiv zur Wahl gehen wird. Also ist
der Anteil der weißen Arbeiterschaft ohne College in Wisconsin 25%? Oder 27%? Oder 29%? Sind 30% der WählerInnen in Georgia Schwarze? Oder 32%? Oder sogar 35%? Vorsichtige Prognose, ohne das noch detailliert untersucht zu haben: der extrem hohe Turnout bei
Trumps demographischer Stammklientel ist (ja, einmal mehr!) unterschätzt worden. Wir hatten 2016 einen nachweisbaren Bias zwischen telefonischen und computerautomatisierten Umfragen, da war „Shy Trumpism“ nachweisbar, weil Trump bei nicht-persönlichen Itvs besser abschnitt als
bei persönlichen Gesprächen. Das hab’s dieses Mal nachweislich nicht. Aber was es geben dürfte, sind falsche Annahmen darüber, welche demographische Gruppe noch wieviel 100.000 oder Millionen Menschen zur Wahl bringen kann. Und wenn eine Gruppe, die zu 80% Trump wählt einen zu 4%
geringen Anteil im Turnout Model der Umfragen hat, dann kostet das diesen Kandidaten in Umfragen 3,2%. Da sind wir dann nicht mehr so weit weg vom
Umfragefehler vom Dienstag. (Alle Zahlen zu demographischen Gruppen in diesem Text sind Hausnummern, sie stimmen schon ungefähr, sind
aber nicht genau recherchiert.)

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