Ich erzähle mal einen Schlag aus meiner Jugend. Es wird Ihnen evtl. ein wenig was verraten über den Zustand der heutigen Medienlandschaft und wo es herkommt. Und über Unis.
Erst aber ein wenig Vorgeschichte. Also, damals. Ihr Reporter ist 20 und zieht endlich Zuhause aus.
Ich hatte mich durchgerungen, ein Studium aufzunehmen. Politik. Wieso? Ich hatte tatsächlich vor, Journalist zu werden- man sagte mir, Politologie sei dafür ein guter Startpunkt. Und ich war wirklich...enthusiastisch! Ich wollte so viel lernen, wie möglich. Es fing gut an.
Aber: Die Realität schlug bald zu. Ich versuchte es z.B. am Studententheater. All Ihre Klischees sind wahr. Ich versuchte u.a. ein Bukowski-Stück auf die Bühne zu kriegen, es war ein totales Disaster. Fragen Sie mich nie nach Poetry Slams. Ich bekomme sonst Alpträume.
Der Versuch, mehr Sprachen zu lernen, scheiterte an meiner Frustration über die verbockten Nulpen des FMZ. Aber der größte Fuck-Up war das Studentenfernsehen. Ich war im 3. Semester, kannte einen der Leute und dachte, das sei bestimmt förderlich. Boy, was I wrong.
Was muss man wissen? Die beiden Chefinnen waren zwei typische Studi-Mädchen: Das Outfir aus H&M und Thrift Store war perfekt abgestimmt, um möglichst viele Jungs anzusprechen. Dazu das ganze von Sarah Kuttner und Co. bekannte bubbly Getue. Aus Freundlichkeit ertrug man es.
Die Organisation selbst war eher knirschig. Wie die ganze Misere der Studentischen Medien überhaupt. So etwa veröffentlichte das Studentenmagazin in jeder Ausgabe ein "kritisches Zitat" des Namenspatrons der Uni. Nachdem das Magazin selbst benannt war. Ja, nun.
Das Fernsehen war indes nicht besser. Überhaupt, haben sich die Studentischen Medien seit jeher selbst überschätzt. Aber ich wollte halt was erreichen, nicht? Schreiben konnte ich ja schon (glaube ich), aber Fernsehen, das war was neues! Ich war ja wirklich jung damals...
Denn: Studentenschaft ist nicht weit ab vom Kindergarten. So war etwa die Kommunikation extrem schlecht. Man meldete sich für einen Beitrag- und hörte dann gar nichts mehr, denn von den anderen hatte keiner mehr Bock. Und das wiederholte sich sehr, sehr oft.
Auch die weibliche Doppelspitze war, wie meine Trads hier erahnen, nicht sonderlich erquicklich: Kritik an eher mageren Ideen bekam ein halb gezischtes "Das kann man auch anders sagen." und unter der Fassade entdeckte ich bald zickige Kälte. Ich war sowas von richtig hier.
So etwa das eine Mal, als endlich mal ein Dreh klappte. Ich war dabei, als die neue Mensa (in Bunkeroptik) eröffnet wurde. Nach dem Dreh wurde ich mit einem kalten "Ich brauch dich dann nicht mehr" heim geschickt, nichts mit Zusammenarbeit oder Lernprozess.
Oder die Sache mit der Stupa-Wahl. Dort verlor ich den letzten Rest Respekt vor der Uni. Hautnah erlebte ich, wie die Stimmenauszähler geradezu willkürlich und freudig gefühlte jede zweite Stimme für "ungültig" erklärten und faktisch wegschmissen. Demokratie, Sie verstehen?
Die Kinnlade klappte dann hinunter, als der Wahlsieger interviewt wurde. Natürlich krachlinks, Lehramt im 12. Semester. Ein wenig Kopfrechnen verriet mir, dass, bei der Wahlbeteiligung, die Leute sich einfach selbst wählten und nun vom "klaren Auftrag" faselten. Mir war schlecht.
Nach dem Dreh wurde ich dann auch in der Mensa vergessen. Allein rannte ich durch die kalte Februarnacht und erwirkte dann, wenigstens mal den Rohschnitt machen zu können. Dabei erfuhr ich, dass die Damen Politologiestudenten nicht wissen, dass JuSo "Jungsozialist" bedeutet.
Der Fall-Out kam dann durch einen Zufall. Denn: Die StuM musssten jede Woche dem Senat Rede und Antwort stehen. Wie gut, dass mein Burschenfreund genau dort saß. Und der hätte mich fast in Bedrängnis gebracht. Einige Tage vorher erzählte ich eine seltsame Begebenheit.
Es wird Sie nicht überraschen, dass die politische Ausrichtung ziemlich klar war. So etwa war es sehr selten, auch nicht-linke Verbindungen wie der RCDS in der Wahlperiode für sich werben durften. So begab es sich, dass eine Reportage über eine rechte Gruppierung abgesagt wurde.
Ich witzelte, dass man es einfach mit der Angst zu tun bekam. Jedenfalls, eines Mittwochabends kam ich zu früh zum Treffen und hörte die Sitzung mit dem Senat. Interessant allemal. Da wurde sich über die Unzuverlässigkeit der Mitglieder beklagt, usw.
Und dann stellte jemand die Frage nach dem abgebrochenen Beitrag- was die Damen in Erklärungsnot brachte. Beim nächsten Redaktionstreffen dann die gezischte Frage: "Woher wissen die das??" Ich tat ganz besonders unauffällig. Ich hörte indes die Uhr ticken.
Weitere Highlights waren eine Weihnachtsfeier, zu der niemand erschien oder Treffen, bei welchen ich eigentlich nur ein John Lennon-Sonderheft las. Diese kurze Liason endete mit dem entnervten Verbot meiner Ex-Freundin (ich habe sowas), dort nicht mehr hinzugehen.
Ich war tatsächlich nur noch frustriert, auch die Qualität der Beiträge war zweifelhaft. Was an der Spitze lag: Die hatten dem Format jegliche Kreativität ausgetrieben. Und nahmen noch AUF BAND auf. Ernsthaft. Nichts digital in 2013! Nach ca. einem Semester war ich raus.
Hinterließ ich Eindruck? Es gibt einen Beitrag über einen Gastvortrag von...Gregor Gysi. Dort bin ich mehrfach im Publikum zu sehen. Mit dem gelangweilsten, augenrollendsten Gesicht, dass Sie sich vorstellen können. Ich war noch recht hübsch damals (glaub ich).
Wie weiter? Ich machte stattdessen ein Praktikum beim Lokalfernsehen und noch einige andere irre Sachen. Eine der beiden Damen wurde Praktikantin beim NDR. Die andere Projektmanager. Der Rest? Keine Ahnung. Journalist wurde ich bekanntlich nicht. Oder sonst was Nennenswertes.
Aber da kommts her. Das sind die Ziehstätten der Medienmacher. Sollten Sie sich wundern, warum das alles heute so knirschig und dumm ist.

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