Vielleicht doch noch mal ein Thread Nr 5 zur #USWahl2020 weil es hier heute Morgen auf Twitter einige sehr uninformierte Tweets gibt. Zwei Punkte: 1) was macht Trump jetzt; 2) politische Interpretation des Ergebnisses.
Zu 1) Liberalo- und Konservato-Twitter verbreitet hier auch den Unsinn: In einem Rechtsstaat hat Trump das Recht, sich vor Gericht zu wehren, blablabla...
Natuerlich.
Aber koennen wir mal bitte die politische Naivitaet sein lassen?
Hier geht es nicht um ein normales Verwenden rechtsstaatlicher Mittel, damit der Rechtsstaat gewahrt bleibt, sondern im Gegenteil, es geht um den Missbrauch rechsstaatlicher Mittel fuer einen versuchten Staatsstreich. Warum? Auf Englisch nennt man das frivolous law suits.
Man geht so lange vor Gerichte, bis man irgend etwas fuer sich selbst erreicht. Das war bisher Trumps gesamtes Geschaeftsmodell als Immobilienhai. Es geht hier gar nicht um angeblichen Wahlbetrug. Den es nicht gibt, jedenfalls nicht in quantitativ bedeutender
Weise. Es geht darum, die Zertifizierung der Wahlen zu verhindern (die naemlich bis zu einer bestimmten Deadline erfolgen muss), um den Staatsparlamenten ein legales Mittel in die Hand zu geben, die Wahlmaenner selbst zu bestimmen.
Die Verfassung der USA erlaubt das im Prinzip, vor allem wenn man eine sogenannte originalist oder textualist Interpretation hat, was mittlerweile fuer die Mehrheit der Richter am Verfassungsgericht gilt. Darauf setzt Trump, dafuer hat er drei davon eingesetzt.
Es geht also nicht darum, dass der Mehrheitswille in den Staaten ignoriert werden kann (das kann er nicht), sondern darum, behaupten zu koennen, dass er wegen offener Wahlbetrugsfragen nicht rechtzeitig festgestellt werden kann.
Es geht hier also ganz klar um den Versuch, einen legalen Staatsstreich mit dem Missbrauch der Gerichte durchzufuehren. Und es ist deswegen, warum die anderen Republikaner hier mitmachen: sie werden am Ende sagen: so sind die Regeln.
Ich weiss nicht, ob das gelingen kann. Das ist aber das Kalkuel von Trump und den Republikanern. Und wenn es nicht gelingt, dann hat man noch schoen Spenden gesammelt von den Anhaengern, damit man in den naechsten 4 Jahren weiterhin Dolchstosslegenden verbreiten kann.
Zu 2) gleich mehr....
Es gibt einige Linke in Deutschland, die meinen, die Wahl habe gezeigt, dass man mit linksliberalen Politiken in den USA Wahlen gewinnen koenne (sie moegen vielleicht mehrheitsfaehig sein, aber das ist halt was anderes in den USA):
Dafuer gibt es keinerlei Evidenz. Es stimmt zwar, dass der Biden-Sieg, wenn er denn einer bleibt (siehe erster Teil des Threads) deutlicher ist als knapp (er ist zB deutlicher und breiter als Trumps Sieg 2016) - er ist allerdings deutlich schlechter als die Umfragen -
aber die Wahl insgesamt muss als Niederlage fuer die Demokraten gelten. Und insofern als Anti-Trump Wahl, bei dem die Zentristen sich klar auf die Seite Bidens geschlagen haben. Aber in anderen Wahlen durchaus GOP gewaehlt haben.
Die Chancen fuer die Demokraten, den Senat zu uebernehmen, waren selten so gut. Es kann zwar noch durch die Nachwahlen in Georgia gelingen, aber selbst dann waere die Mehrheit denkbar knapp. Und auch eher eine Reaktion auf das jetztige unmoegliche Verhalten der GOP.
Abgesehen davon, dass dieses Szenario immer noch als unwahrscheinlich zu gelten hat. In 2022 bei den Senatswahlen werden die Chancen der Demokraten nicht gerade besser. Die Wahlen im Repraesentantenhaus muessen als krachende Niederlage fuer die Demokraten gelten.
Man hat Sitze verloren, gerade auch in moderaten Distrikten, und nur mit Muehe die Mehrheit verteidigt. Die Erwartungen war es, weitere moderate Distrikte zu gewinnen.
Was die sonstigen Entscheidungen angeht: weitere Marihuana Legalisierungen in den Staaten sind in den USA nicht nur eine linke, sondern eben auch eine liberal-libertaere Forderung, Ausdruck eines Freiheitsgeistes, den viele auch linke Amerikaner immer noch haben.
Ansonsten hat John Cochrane zu dem Thema einiges gesagt. Selbst das linksliberale Kalifornien lehnt viele linksliberale Ideen ab:
Mein vierter (und vorerst letzter) Thread zu den #USWahlen2020 : Die gute Nachricht zuerst: alle Networks haben nun #JoeBiden zum #PresidentElectJoe erklaert. Es waren weitere positive Stimmenanteile aus Pennsylvania heute Morgen, die das ganz ueber die Schwelle gehoben haben.
Damit hat die USA einen Schritt zurueck gemacht vor dem Rechtspopulismus (ich wuerde sagen vor dem Abgrund des Faschismus). UK, Polen, Ungarn - bitte nehmt euch ein Beispiel an Uncle Sam.
Fuer die Nerds: auch in Nevada und Georgia gab es inzwischen einen substantiellen Stimmenzuwachs ueber Nacht / heute Morgen. Beide Staaten werden wohl beim vorlaeufigen amtlichen Endergebnis noch deutlicher Biden vorne haben. Das ist zumindest bei Georgia nicht ganz
Dritter Thread zu den #USWahlen2020 . Nach menschlichem Ermessen ist das Rennen gelaufen. Lokale Beobachter sind sich sicher, dass es reicht in Arizona und Nevada; und in Pennsylvania wird sich der Biden Lead am Ende noch sehr erhoehen. Allerdings geht es jetzt noch langsamer,
weil das zunehmend Wahlzettel verschiedener Spezialkategorien sind (in die Details will ich jetzt nicht eingehen, aber das reicht von Knicken im Brief, so dass der Zettel nicht in den Scanner geht, zu Uebersee- und Militaerwahlzetteln). Georgia ist am knappsten und koennte
rein theoretisch auch noch mal kippen, auch wenn ich niemand gelesen habe, der das ernsthaft fuer moeglich haelt. In jedem Fall wuerde das erst in ein paar Tagen feststehen und es wird auch keine Rolle mehr spielen.
Here is another problem with identity politics: if you do identity politics targeted to the majority (plurality really), then it's easy. This is what the GOP has done to perfection.
By contrast, the problem with doing identity politics based on diversity is: no matter what you do: someone will be offended. You put up a white old centrist male and a Jamaican/Indian-heritage woman the young voters will be disappointed, the Latinos and Asians
might be offended, the left will not be enthusiastic, etc. I don't think you can win over stable coalitions like that. You might just barely beat the most incompetent, vile president in the history of the USA but not achieve anything more.
Zweiter Thread zu den #USWahlen2020 : Zunaechst: wo stehen wir? Nun, wir sind nicht wirklich schlauer geworden. Es gab ueber Nacht leichte Veraenderungen pro Trump in Arizona, und staerkere Veraenderungen pro Biden in Pennsylvania und Georgia. Diese waren aber gestern schon
erwartbar, obwohl es natuerlich immer gut ist, wenn Erwartungen auch eintreffen. Keine dieser Veraenderungen ist aber per se wahlentscheidend. Man hoert, dass es heute im Laufe des Tages wichtige und auch womoeglich entscheidene Updates bei den Auszaehlungen geben wird.
Ich habe vor der Wahl folgende These aufgestellt: viele Kommentatoren, denen das Verstaendnis fuer Wahrscheinlichkeiten abgeht, haben immer wieder gesagt: Biden liegt in so vielen Staaten gleich auf oder leicht vorne, in ein paar muss es doch einfach klappen. Das gilt aber nur
1) Trump ist ein phantastischer Wahlkaempfer, der durch seine Energie auch marginale Waehler mobilisieren kann. Und das bedeutet: persoenliche Energie und Waehleransprache sind auch im 21. Jhr. weiterhin wichtig.
2) Das alte Bonmot aus der Clinton-Aera "It's the economy, stupid" gilt immer noch. Die wirtschaftliche Lage war mindestens genauso wichtig fuer die Waehler wie die Pandemie, wenn nicht sogar mehr. Ich kann es zwar nicht nachvollziehen, warum man Trump da mehr zutraut als Biden.
Fakt ist aber, dass viele US Waehler so denken. @N_Heisterhagen hat aus dieser Erkenntnis seine eigenen Schluesse fuer die europaeischen Linken gezogen (und ich sehe seinen Punkt):
Was soll ich sagen? Wir wissen es wirklich nicht. Von einem knappen Trumpsieg zu einer Blue Wave Election ist alles drin. Es gibt einen ganz klaren Trumppfad zum Sieg: der Rustbelt ist noch ausreichend Trumpista (wahrscheinlich in Pennsylvania), ...
... und der Sunbelt noch nicht blau genug. Wenn sich Leute die Umfragen in den einzelnen Staaten anschauen, denken sie immer intuitiv, das seien stochastisch unabhaengige Ereignisse, und wenn Biden nur einen von einer handvoll Staaten gewinnen muss (plus alles was Clinton hatte
plus Wisconsin und Michigan, worueber ich relativ optimistisch bin), dann sollte das doch klappen. Letztlich gibt es meiner Meinung nach am Wahlabend aber nur zwei Ereignisse und noch nicht mal die sind ganz unabhaengig. Ist der Sunbelt schon blau genug, dass es fuer