Thread. Ich will mal etwas ueber den Januar hinausschauen und annehmen, dass Joe Biden am 20. Januar tatsaechlich vereidigt wird. Dann stellt sich folgende Frage: Quo vadis, GOP?
Ich denke, die GOP hat im Grunde zwei Optionen gegeben den demographischen und soziokulturellen Wandel in den USA: 1) weisse Oligarchenpartei, die mit den sogenannten countermajoritan Strukturelementen der amerikanischen Verfassung und Politiktradition eine populationsmaessig
kleiner werdende Waehlerschaft kompensiert: durch den Senat und die Weigerung, weitere Gebiete der USA als Staaten anzuerkennen, das oberste Gericht und das Justizsystem ueberhaupt, sowie Gerrymandering von Wahlbezirken.
Am besten ausgedrueckt hat das hier @SenMikeLee (neben Mitt Romney einer der Senatoren aus Utah):

Das Vorbild hier ist in etwa die roemische Republik, in der eine vermoegende Oligarchenschicht regiert, der weisse Poebel mit Kulturkampf bei Laune gehalten wird und der Rest marginalisiert ist. Ich schaetze, das ist auch in etwa die Position Mitch McConnells.
Bei dieser Strategie lohnt sich durchaus auch ein Wiederaufstellen Trumps 2024, denn er besorgt den Kulturkampf und stellt die weissen Oligarchen zufrieden. Vielleicht ergaenzt man das ganze noch mit ein paar schwarzen Oligarchen (aka Bling-Rapper). Das muss aber nicht sein.
Nur - und in diesem Sinne ist Demographie dann doch unumgehbar - eine solche Oligarchie muss sich auf immer geringere Unterstuetzung im Volk stuetzen und damit immer autoritaerer werden. Das ist quasi deterministisch (Nebenbemerkung: auch in Rom ging es ja nicht gut).
Dieser Pfad fuehrt meiner Meinung nach ueber die noch einigermassen demokratisch gestuetzte rule of law Oligarchie zu einer autoritaeren reinen Machtoligarchie, jedenfalls fehlt mir die Fantasie fuer ein anderes Ende.
2) Ich glaube aber, dass die GOP noch einen zweiten und am Ende viel mehr versprechenden Pfad hat: den multiethnischen Mix einer CSU und FDP. Ich schreibe bewusst CSU und nicht CDU, weil in ersterer das populistische Element traditionell eine groessere Rolle spielt.
Ich stelle mir eine Koalition aus Arbeitern (non-college Abschluss), Kleingewerbetreibenden und all jenen vor, die einen kleineren Zentralstaat bzw. einen Staat eher vor Ort befuerworten (wie gesagt Mischung aus CSU und FDP). Eine Partei, die eher immigrationsskeptisch ist, aber
dann am Ende kein Problem mehr hat mit staatlicher Gesundheitsfuersorge, vielleicht auch mal oefter den Mindestlohn anhebt, klar fuer Waffen, Tradition und Religion ist. Auch in dieser Partei wuerde - in CSU Tradition - ein bisschen Kulturkampf gegen die Linken gemacht, der aber
niemals ausser Kontrolle geraet. Diese Partei wuerde wie die moderne CSU auch mehr fuer die Bewahrung der Schoepfung eintreten. Ganz wichtig aber waere diese Partei multiethnisch und wuerde auch konservative Latinos, Schwarze und Asiaten ansprechen.
Und konservative Grundeinstellungen gibt es in allen drei Gruppen genug. Die GOP muss diese nur ansprechen. Uebrigens bedeutet Immigrationsskepsis und Multiethnizitaet kein Widerspruch, so lange man erstere nicht uebertreibt.
Gerade neue Immigranten sind potentiellen Immigranten als Gruppe (wenn es nicht gerade die eigene Familie betrifft) oft skeptisch gegenueber eingestellt, weil dort um gleiche Ressourcen konkurriert wird.
Jetzt ist natuerlich die Frage: warum geht die GOP nicht diesen zweiten Weg, wenn er doch um so vielversprechender erscheint? Nun, erstens ist nicht ausgemacht, dass das nicht noch kommen kann. Etwa wenn die Senatswahlen in Georgia fuer die beiden Trumpkandidaten verloren gehen.
Allerdings gibt es auch Gegenkraefte: 1) Pfadabhaengigkeiten: die GOP hat halt nun einmal den ersten Pfad probiert und dafuer auch das entsprechende Personal versammelt. Dieses Personal ist fuer den zweiten Pfad eher bedingt geeignet.
Ein Mann wie Marco Rubio, der diese multiethnische CSU Partei haette verkoerpern koennen, ist durch seine Assoziation mit Trump zu sehr beschaedigt. Tim Scott, ein schwarzer Senator aus South Carolina vielleicht?
Das Problem ist halt, dass die Trumpkritiker in der GOP heute alle weiss sind: Sasse, Romney (der auch viel zu unpopulistisch daherkommt), etc. Also hier muesste man auf noch unbekannte Leute setzten.
2) Es ist tatsaechlich unklar, wie viel echte Rassisten bei der heutigen Waehlerschaft der GOP dabei sind. Um in der deutschen Analogie zu bleiben: wie viel AfD ist in der Partei, die eine CSU werden soll? Es kann also sein, dass man zumindest heute mehr weisse Rassisten
verliert als man kurzfristig multiethnisch-populistisch gewinnen koennte. Und wenn es durch die Demographie mal anders waere, ist es bereits zu spaet, und wird sind laengst im oben genannten weissen Oligarchie Szenario.
Und ausserdem hat ja diese Wahl schon gezeigt: ein bisschen multiethnisch kann auch der Trumpismus gewinnen. Denn 3), so unerfolgeich waren die Wahlen unter Trump fuer die GOP nicht (ausser fuer Trump selbst). Warum also was aendern?
Warum ist diese amerikanische Innenpolitik auch fuer Deutschland wichtig? Nun, weil eben amerikanische Innenpolitik immer auch Weltpolitik ist. Das faengt bei der Klimapolitik an und endet bei der Handelspolitik. Hinzukommt: hier wird die Frage entschieden, wie aehnlich
USA und Europa (vor allem Deutschland als Fuehrungsmacht in Europa) sein werden: wenn die USA von zwei Parteien regiert wuerden, die etwa der Einteilung Werte CDU/CSU/FDP (GOP) versus Merkel-CDU/SPD/Gruene (Dems) entspraechen, dann waeren die USA ein ganz anderer Partner
fuer Deutschland als wenn die Einteilung AfD (GOP) versus CDU/CSU/SPD/FDP/Gruene waere.

Thread Ende.

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18 Nov
Thread zu den gestrigen Geschehnissen in den USA. Ich muss etwas ausholen. Ich erinnere mich noch gut an eine Diskussion mit PhD Kollegen in Yale aus Lateinamerika, denen ich in etwa (immer noch etwas jugendlich naiv) sagte:
"Ihr habt es gut, mit eurem PhD hier von Yale, geht ihr in eure Laender zurueck...und bekommt die hoechsten Posten bei der Zentralbank oder Euren Regierungen. Manche von euch koennten sogar Minister oder Praesident werden. In Deutschland interessiert sich keine Sau fuer mich."
Die Antwort war kopfschuettelnd: "Ja, manche von uns werden aber vielleicht auf offener Strasse erschossen, wer weiss, wie viele Militaerputsche wir noch durchleben muessen, etc."
Read 12 tweets
11 Nov
Vielleicht doch noch mal ein Thread Nr 5 zur #USWahl2020 weil es hier heute Morgen auf Twitter einige sehr uninformierte Tweets gibt. Zwei Punkte: 1) was macht Trump jetzt; 2) politische Interpretation des Ergebnisses.
Zu 1) Liberalo- und Konservato-Twitter verbreitet hier auch den Unsinn: In einem Rechtsstaat hat Trump das Recht, sich vor Gericht zu wehren, blablabla...

Natuerlich.

Aber koennen wir mal bitte die politische Naivitaet sein lassen?
Hier geht es nicht um ein normales Verwenden rechtsstaatlicher Mittel, damit der Rechtsstaat gewahrt bleibt, sondern im Gegenteil, es geht um den Missbrauch rechsstaatlicher Mittel fuer einen versuchten Staatsstreich. Warum? Auf Englisch nennt man das frivolous law suits.
Read 18 tweets
7 Nov
Mein vierter (und vorerst letzter) Thread zu den #USWahlen2020 : Die gute Nachricht zuerst: alle Networks haben nun #JoeBiden zum #PresidentElectJoe erklaert. Es waren weitere positive Stimmenanteile aus Pennsylvania heute Morgen, die das ganz ueber die Schwelle gehoben haben.
Damit hat die USA einen Schritt zurueck gemacht vor dem Rechtspopulismus (ich wuerde sagen vor dem Abgrund des Faschismus). UK, Polen, Ungarn - bitte nehmt euch ein Beispiel an Uncle Sam.
Fuer die Nerds: auch in Nevada und Georgia gab es inzwischen einen substantiellen Stimmenzuwachs ueber Nacht / heute Morgen. Beide Staaten werden wohl beim vorlaeufigen amtlichen Endergebnis noch deutlicher Biden vorne haben. Das ist zumindest bei Georgia nicht ganz
Read 26 tweets
6 Nov
Dritter Thread zu den #USWahlen2020 . Nach menschlichem Ermessen ist das Rennen gelaufen. Lokale Beobachter sind sich sicher, dass es reicht in Arizona und Nevada; und in Pennsylvania wird sich der Biden Lead am Ende noch sehr erhoehen. Allerdings geht es jetzt noch langsamer,
weil das zunehmend Wahlzettel verschiedener Spezialkategorien sind (in die Details will ich jetzt nicht eingehen, aber das reicht von Knicken im Brief, so dass der Zettel nicht in den Scanner geht, zu Uebersee- und Militaerwahlzetteln). Georgia ist am knappsten und koennte
rein theoretisch auch noch mal kippen, auch wenn ich niemand gelesen habe, der das ernsthaft fuer moeglich haelt. In jedem Fall wuerde das erst in ein paar Tagen feststehen und es wird auch keine Rolle mehr spielen.
Read 15 tweets
5 Nov
Here is another problem with identity politics: if you do identity politics targeted to the majority (plurality really), then it's easy. This is what the GOP has done to perfection.
By contrast, the problem with doing identity politics based on diversity is: no matter what you do: someone will be offended. You put up a white old centrist male and a Jamaican/Indian-heritage woman the young voters will be disappointed, the Latinos and Asians
might be offended, the left will not be enthusiastic, etc. I don't think you can win over stable coalitions like that. You might just barely beat the most incompetent, vile president in the history of the USA but not achieve anything more.
Read 4 tweets
5 Nov
Zweiter Thread zu den #USWahlen2020 : Zunaechst: wo stehen wir? Nun, wir sind nicht wirklich schlauer geworden. Es gab ueber Nacht leichte Veraenderungen pro Trump in Arizona, und staerkere Veraenderungen pro Biden in Pennsylvania und Georgia. Diese waren aber gestern schon
erwartbar, obwohl es natuerlich immer gut ist, wenn Erwartungen auch eintreffen. Keine dieser Veraenderungen ist aber per se wahlentscheidend. Man hoert, dass es heute im Laufe des Tages wichtige und auch womoeglich entscheidene Updates bei den Auszaehlungen geben wird.
Ich habe vor der Wahl folgende These aufgestellt: viele Kommentatoren, denen das Verstaendnis fuer Wahrscheinlichkeiten abgeht, haben immer wieder gesagt: Biden liegt in so vielen Staaten gleich auf oder leicht vorne, in ein paar muss es doch einfach klappen. Das gilt aber nur
Read 10 tweets

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