Ich werde in diesem Thread mal noch ein paar Beobachtungen zusammenfassen. Parallelen, die ich aus nun bald 8 Jahren Erfahrung mit Recherchen im Pseudomedizin-/Quacksalberbereich zu aktuellen Vorgängen ziehe.
Ich bitte aber, es als "Work in Progress" zu sehen, nicht als Beweise.
Ich sehe in der Corona-Rebellen-Bewegung ähnliche Narrative und Muster auftauchen, die bereits vorher etabliert waren. Massiv vor allem in der Impfgegnerszene.
Das ist nicht weiter verwunderlich, weil gegen das Impfen zu sein, ist sowas wie der kleinste gemeinsame Nenner vieler pseudomedizinischen und pseudowissenschaftlichen Strömungen.
Es ist auch die Einstiegsdrogen in pseudowissenschaftliches und auch verschwörunsmystisches Denken.
Viele Menschen kommen über ihre bewussten oder bewussten Ängste gegenüber dem Impfen diesen Zusammenhängen nahe. Es ist eine Ebene, auf der man auch leicht emotional mit Menschen sympathisiert, die man sonst eher gruselig oder fanatisch finden würde.
Impfen ist scary. Man bekommt ein Medikament ohne krank zu sein. Manchmal ist das mit einem demütigenden Erlebnis verbunden und Kontrollverlust (mit nacktem Hintern vorbeugen und nicht sehen, was hinter dem Rücken geschieht). Hinterher fühlt man sich eventuell 1-2 Tage schlecht.
Aber man erlebt nicht wieso. Wir sind so priviligiert, dass wir impfpräventable Krankheiten nicht am eigenen Leib erleben und sie oft nicht mal mehr im Umfeld zu sehen bekommen. Wir kennen fast niemanden der an einer Krankheit gestorben ist, gegen die man impfen kann.
In meiner Kindheit sah man, selten, noch Menschen an Krücken oder mit Schienen an den Beinen, die sich durch den Laden quälten und bekam dann flüsternd von einem Erwachsenen erklärt: "Kinderlähmung".
Diese Leute sind längst in einem Pflegeheim, weil die Polio-Folgen, plus Altern, plus ein exkludierendes Gesellschaftssystem, selbstständiges Leben nicht länger möglich machten, oder tot. Wer heute 30+ oder jünger ist, hat sie nicht mehr gesehen.
Ich hatte mit 20+ Mumps. Angesteckt bei meiner kleinen Schwester. Dank Waldorfkindergarten.
Das hat nicht nur mich gelehrt, wie wichtig Impfungen sind, auch meine damaligen Mitbewohner sind dadurch besser gegen die Einflüstereien von Impfgegnern immunisiert.
O-Ton: "Das war schockierend."
Aber ich schweife ab. Ein Narrativ aus der Impfgegnerszene, mit dem der angebliche Zusammenhang zwischen der MMR Impfung und Autismus (ES GIBT KEINEN!) belegt werden soll, ist: Ein Italienisches Gericht hat geurteilt, dass Impfen Autismus auslöst.
Und welches Narrativ finden wir nun bei Corona-Rebellen?
In beiden Fällen geht das Narrativ wie folgt:
Regierungen sind in der Tasche der Pharmamafia oder wollen uns gar über die Impfungen kontrollieren und vernichten.
Gerichte dagegen sind immer unabhängig. (Außer natürlich, wenn sie Urteile fällen, die nicht ins Weltbild passen.)
Deswegen sind Gerichte auch eine höhere Instanz als der wissenschaftliche Konsens. Denn Gerichts-Gutachter sind zwar auch Wissenschaftler aber dann den Zwängen des wissenschaftlichen Betriebs entkommen*, während die Wissenschaft an sich komplett in der Tasche der Wirtschaft ist.
*ungeachtet der Tatsache, dass Gerichte natürlich oft aktive Wissenschaftler als Gutachter heranziehen, aber solange das Urteil im eigenen Sinne ausfällt und der Name der Gutachter nicht öffentlich zu auffällig genannt werden, kann man das gut wegignorieren.
Ein anderes Narrativ, ist "der Test weist das Virus gar nicht nach", teils erweitert zu "das Virus selbst wurde noch gar nicht isoliert/nachgewiesen)".
Leute, die sich schon länger in der Skeptikerszene (der ursprünglichen Bedeutung des Worts, nicht im Sinne von "Klima-Skeptiker" oder "Corona-Skeptiker") bekommen hier eine Art Deja Vu.
Auch bei Lanka ging es u.a. darum, dass der Nachweis des Masern-Virus angeblich noch nie gelungen sei.
An dieser Stelle diversifizieren sich die Narrative der Szene etwas.
Wir haben:
- Ja, Viren gibt es, aber die daraus resultierenden Krankheiten sind wichtig für die kindliche Entwicklung. (Anthropologie)
- Viren gibt es nicht.
- Viren und Bakterien gibt es, aber sie verursachen keine Krankheiten. (Totale Ablehnung der "Germ theory of disease")
- Bakterien und Viren gibt es, aber ob sie Krankheiten auslösen weiß man nicht so recht und die Wissenschaft rätselt ja sowieso nur rum. Die glauben nur es besser zu wissen, aber die eigentlich Weisen sind ja die Schamanen (einsetze andere 'Naturheiler').
Wer jetzt glaubt, dass die Anhänger solcher Thesen, wegen der Vielfalt doch der Kopf explodieren müsste…
Nö, in den meisten Fällen rationalisieren die sich das mit Links weg und hängen den Thesen entweder nacheinander an, oder sogar widersprüchlichen Thesen gleichzeitig.
Nicht direkt ein Narrativ, aber ein ganzes Feld, das teils an der Grenze zur Pseudowissenschaft entlangschrammt, bzw., das sich Quacksalber, Pseudowissenschaftler und Pseudomediziner zu Nutze machen, weil es so unübersichtlich und schwierig ist: Ernährungslehren.
Bevor ich jetzt die gesamten deutschen Ernährungswissenschaftler gegen mich aufbringe und mein Bild die Dartscheibe in der Ökotrophologen-Teeküche ziert: Nein, ich sage nicht, dass Ernährungswissenschaften pseudowissenschaftlich sind.
Ich sage: Ernährungswissenschaft ist hart. Das der gesamte Lebensstil Einfluss auf die Gesundheit hat, ist unstrittig. Aber welchen Anteil Ernährung daran genau hat, ist - außer in einigen, wenigen Punkten - vage.
Und Studien, die andere Lebensstilfaktoren wie Bewegung, Schlaf, Stress, Wohnumfeld, als Faktoren ausschließen und damit einen genaueren Blick auf die Ernährung erlauben, sind nur sehr schwer durchzuführen.
Wo viele Variablen eine Rolle spielen & Fragen offen bleiben, bleibt auch das Feld für Pseudowissenschaften und Geschäftemacher weit offen.
Ernährungslehren sind im Prinzip nicht schlecht. Die meisten führen im Endeffekt darauf hinaus, dass die Kalorienaufnahme reduziert wird.
Im Idealfall weisen die unterschiedlichen Ernährungslehren einen Weg, wie Menschen diese Kalorienreduzierung so in ihren Alltag einbauen können, dass es für sie machbar ist und nicht ständigen Hunger oder einschneidenden Verzicht auf Lieblingsgerichte bedeutet.
Im Prinzip sollte es daher nicht die Frage sein: Ist Low Carb, Low Fat, Keto, Paläo, etc. die _richtige_ und zwar die einzig richtige Form sich zu ernähren, sondern, wer kann mit welchem Grundkonzept dauerhaft glücklich werden.
Welche Form der Kalorienreduktion lässt sich in den Alltag von Person X einbauen, so dass eine langfristige Nahrungsumstellung machbar ist, ohne bald wieder sausen gelassen zu werden, weil der Aufwand zu hoch und die Einschränkung zu krass ist.
Das Problem beginnt aber an dem Punkt, an dem bewiesen werden soll, dass mit Ernährungskonzept X auch das Krankwerden überwunden werden kann. Wo auch die Schwelle zu Anti-Aging-Philosophien überschritten wird und quasi die Idee existiert:
Wenn wir nur zu einer richtigen Ernährungslehre finden, am Besten zu einer möglichst ursprünglichen, naturbelassenen, schaffen wir es, gar nicht erst krank zu werden. Vor allem nicht an - oft - Krebs.
Weil früher, als die Menschen noch im Einklang mit der Natur lebten, bekam man auch keinen Krebs.
Das ist der Moment, in dem mein 'with History'-Degree schluchzend an der Wand herunterruscht.
Das ist auch der Punkt, an dem magisches Denken beginnt und der protestantische Einfluss auf unser ganzes modernes Denken recht deutlich wird.
Aber bevor ich hier mal wieder in die Vergangenheit abtauche, muss ich mal ne Weile weg vom Rechner.
Ich bin inzwischen davon überzeugt, dass jeder Mediziner oder Forscher im Medizinbereich auch Medizingeschichte gehört haben sollte. Und nicht nur 1-2 Vorlesungen über die Errungenschaften der modernen Medizin.
Sondern auch darüber, wann man frühe Nachweise für Krankheiten fand.
Oder wie sich Menschen früher ernährt haben.
Immer wenn ich die Behauptung höre, heute, mit den industriellen Nahrungsmitteln und den Zusatzstoffen sei ja alles so schlimm, während früher …
Dann beginne ich innerlich zu schluchzen. Und möchte den Leuten gerne was von den kreativen Nahrungsmittelzusätzen des Mittelalters erzählen.
Immerhin, heutzutage sind unsere Trinkgefässe üblicherweise nicht mehr neurotoxisch.
Merkwürdigerweise möchten die Leute meine heiteren Schwänke über Kreide im Brot etc. aber nur selten hören.
Denn: Früher. War. Alles. Besser. Punkt.
Dabei haben wir wirklich viele medizinische Errungenschaften, die die Menschen älter werden lassen. Da Krebs eine Krankheit der Zellteilung ist & alternde Zellen beim Teilen öfter mal einen Fehler hinlegen, muss eine Gesellschaft mit älter werdenden Menschen mehr Krebs haben.
Es ist aber menschlich, Menschen, die da sind und schwer erkrankt sind, eher zu bemerken als Menschen, die nicht da sind, weil sie früh gestorben sind. Auch in den Medien sind Menschen die gestorben sind nicht so präsent wie lebende und leidende Menschen. (Ja, es gibt Ausnahmen.)
Ergo sieht es von unserem heutigen Blickwinkel so aus, als wäre Krebs eine Krankheit, die noch nie so häufig aufgetreten ist, wie heute. Und das ist möglicherweise sogar zutreffend. Weil viel mehr Menschen älter werden als früher.
Ja, ich weiß, in der Literatur kommt oft Urgroßeltern vor. Öfter, als Kinder heute gefühlt noch Urgroßeltern haben. Das ist auch so was, das den Blick auf Realitäten verzerren kann. Ich würde da dann mal vorsichtig den Blick auf das Lebensalter werfen, in dem man Kinder bekam.
(Ich will jetzt gar nicht davon reden, das manche Impfgegner mit der Bibel argumentieren, dass Personen tausend Jahre und mehr gelebt haben sollen. ;) )
Jedenfalls: Menschen versuchen zu verstehen, warum viele (alte) Leute heute schwer krank werden.
Und sie erklären es sich nicht damit, dass wir eine höhere Lebenserwartung haben und auch schwere Krankheiten dank Medizin länger überleben. Aber eben auch länger damit leben.
Daher schauen sehr viele Menschen zu Dingen, die sich geändert haben. Ernährung. Toxine. Technik.
Ich will und kann weder qualitativ und quantitativ belegen, ob wir heute in der Nahrung oder Umwelt mehr oder weniger Toxine haben als früher und ob diese gefährlicher sind.
Wir haben sicherlich einige Dinge mit der Umwelt gemacht, die nicht so prickelnd waren.
Und die sich auch deutlich auf die Entwicklung von Krebs und Schäden am Erbgut ausgewirkt haben.
Atomwaffen(tests) zum Beispiel.
Aber überlegt euch bitte mal, warum manche Religionen Ernährungsvorschriften haben. Welchen Sinn sie hatten, als sie eingeführt wurden.
Überlegt euch, woher der Glaube kommt, man dürfe Spinat nicht aufwärmen. (Ja, könnt ihr wirklich. Ist heute kein Problem mehr, außer ihr versucht das Leben im 19. Jhd. zu simulieren.)
Überlegt euch, warum jede mittelalterliche und frühneuzeitliche Stadt sehr detaillierte Schlachtvorschriften hatte.
Food-born illnesses waren eine lange Zeit ein Thing und nicht selten tödlich.
Aber das ist aus den Augen und aus dem Sinn. Und auch Mediziner und Forscher sind im Endeffekt nur Menschen und können diesem Bias anheimfallen.
Dieses Denken, verleitet dazu, in der Rückbesinnung auf das scheinbar bessere Leben nach der Ernährung zu suchen, die uns gesund hält.
Ich weiss nicht, warum man ausgerechnet Getreide als den Übeltäter der modernen Zivilisationskrankheiten ausgemacht haben will. Vielleicht weil Zöliakie eine echte unangenehme Erkrankung ist.
Vielleicht weil man sich den Zucker im Kaffee oder Kräutertee dann doch nicht nehmen lassen will? Vielleicht weil Getreideanbau mit seinen großen Feldern und großen Maschinen etwas entfremdetes hat? Oder weil man Massentierhaltung eben nicht sieht, weil hinter Mauern versteckt?
Dabei ist hoch verfügbarer Zucker eigentlich die einschneidenste Veränderung unserer Ernährung.
Getreide, Ackerbau und Sesshaftigkeit haben die Zivilisation, wie wir sie kennen, erst ermöglicht.
Jedenfalls haben sich viele Ernährungsgurus immer weiter in der Zeit zurückorientiert. Bis wir eben bei der Paläo-Ernährung angekommen sind.
Ich habe nichts gegen Paläo. Für wen das Konzept passt, wer damit glücklich ist, soll es machen.
Aber ich bezweifle schwer, dass es eine Ernährungslehre gibt, die prinzipiell gesundheitserhaltend und lebensverlängernd ist. Über die gesundheitserhaltende und lebensverlängernde Wirkung der Reduzierung der Energgieaufnahme durch Nahrung hinaus.
Jedenfalls hat die Suche nach dieser idealen, gesundheitsfördernden Ernährung mehr als nur einen Schuß magisches Denken.
Und zwar magisches Denken, das für viele Menschen absolut einleuchtend ist.
Auch ansonsten evidenzbasiert-skeptische Menschen sind nicht selten auf der Suche nach der idealen, gesundheitsfördernden Ernährung.
(It's the intake, baby.)
Ernährungslehren, so hilfreich sie manchmal sein mögen, sind die zweite große Einstiegsdroge in Pseudowissenschaft.
Ich halte es daher für keinen Zufall, wenn schon zwei der drei Personen des "Consortiums" extremeren Ernährungslehren anhängen (Paläo, Keto) und auch Forschung betreiben bzw. Veranstaltungen abhalten, in denen diese mit Gesundheit in Verbindung gebracht werden.
(Zwei der drei Personen, mit denen ich mich bisher beschäftigt habe, meine ich damit.)
Versteht mich nicht falsch. Ich sehe es nicht generell als Problem, wenn Forschende, Ideen haben, die nicht 100% evidenzbasiert sind.
Ich denke, es gibt für jeden Menschen einen Punkt, an dem er sein ganzes Tun an nachgewiesenen Fakten orientiert. Das geht nicht.
Das würde uns Entscheidungsunfähig werden lassen und nicht jeder Bereich des Lebens lässt sich in einem kontrollierten Experiment überprüfen.
Selbst wenn die Evidenz sagt, Sache X ist für die meisten Menschen gut, dann muss sie sich für Person A noch nicht richtig anfühlen.
Ich bin absolut überzeugt, dass es für jeden Menschen einen Punkt gibt, an dem ihm Wissen egal ist und er glauben möchte.
Oder sich gegen das Wissen entscheiden möchte. Aus welchem Grund auch immer.
Das ist okay. Sollte okay sein.
Das Problem beginnt meiner Ansicht nach dort, wo man sich nicht bewusst ist, dass man sich von dem, was Stand der Wissenschaft ist, abwendet.
Eine Bekannte, eine strikte Veganerin, bereits seit Jahrzehnten, dass ihr der Stand der Forschung, zum Thema Veganismus bekannt ist. Sie sich aber für sich selbst entschieden hat, ihren Lebensstil dennoch zu verfolgen.
Das ist, denke ich, völlig legitim.
Menschen rauchen und trinken auch, obwohl sie wissen, dass es ungesund ist.
Problematisch wäre es, wenn jemand die schädliche Wirkung von Alkohol leugnet, und deswegen dem 3-jährigen öfter mal ein Schnäpschen gönnt.
Ich beobachte aber immer mal wieder, dass gerade auch akademisch ausgebildete Menschen, einen blinden Fleck haben, wenn es um das eigene wissenschaftliche Denken geht.
Ich rede von Eminenz vs. Evidenz.
Bei Eminenz läuft die Rationalisierung ungefähr so ab: Ich bin Wissenschaftler, deswegen denke ich wissenschaftlich, wenn ich deswegen nicht an den Klimawandel glauben will, sagt mir mein wissenschaftlich trainiertes Hirn, dass ist schon richtig so.
Und weiter: wenn ich anfangen würde, unwissenschaflich zu denken oder mir meine eigenen Biases und Vorurteile im Weg stehen würden, dann würde ich das schon merken. Ich brauche diese ganzen Kontrollmechanismen nicht. Die sind für Jungforscher, für 'lesser beings'.
Daher denke ich: sehr viel, von dem, was wir gerade sehen und erleben, geht auf Eminenzdenken zurück. Und ich denke durchaus, dass sichtbare (eher unkritische) Beschäftigung mit Pseudowissenschaft schrammenden Themen, ein Indikator für dieses Eminenzdenken sein kann.
Wenn ich beispielsweise Christian Drosten vertraue, dann liegt das nicht nur daran, dass er der ausgewiesene Experte für SARS-Coronaviren ist (eine Eminenz eben), sondern auch daran, dass wir ihm seit dem Frühjahr beim Denken zuhören dürfen.
Ich habe dort einen sehr reflektierten Menschen erlebt, der seine eigenen Limits und dunkle Flecken im Wissen kennt, der in diesen Bereichen auch nur sehr zurückgenommene Aussagen macht und der sein Tun an der vorhandenen Evidenz ausrichtet und mit ihr verändert. Team Evidenz.
Ohne jetzt wieder die Front Drosten-Streeck aufmachen zu wollen ... bei den verzerrenden Zahlen der Heinsberg-Studie, wo alle Infizierten bis Stichtag gezählt wurden, aber eben nicht mehr, wer davon nach Ende der Studie verstarb, habe ich ein bisschen den Eindruck:
Hendrik Streeck versteht gar nicht so genau, was jetzt alle von ihm wollen. Er hat das so gelernt, das wurde immer so gemacht, und das war auch immer so okay. Er ist schließlich die wissenschaftliche Kapazität hier, er weiß was er tut und was wollen denn jetzt alle von ihm?
Eher Richtung Team Eminenz.
Unter anderen Umständen, wäre das wohl auch ohne großes Aufsehen durch gegangen.
Gestern sagte jemand, dass einige Wissenschaftler früh demütigenden Faktenchecks unterzogen worden wären und die Welt nicht mehr verstanden hätten.
Ich denke, an dieser Aussage ist viel dran.
Es handelt sich bei den Wissenschaftlern meist auch nicht mehr um die ganz junge Riege. Teils bereits berentet.
Die einerseits gewohnt sind, Eminenzen zu sein und daraus auch ihre Selbstbestätigung gezogen haben. Und die andererseits nicht gewohnt sind, mit ihren Aussagen auch den letzten Winkel der Republik zu erreichen.
Die auch nicht gewohnt sind, dass jede ihrer Aussagen unter die Lupe genommen und seziert wird, anstatt dass sie vor jungen Menschen stehen und ihr Wissen unangefochten an diese weiter geben.
Wenn Menschen, die im Eminenzdenken verhaftet sind und nicht gewohnt sind, in Frage gestellt zu werden (sondern wenn sie in Frage gestellt werden, blocken, weil sie qua Eminenz ja doch recht haben) dann in den pseudowissenschaflichen Bereich abdriften, ist das… problematisch.
Auch das wäre unter normalen Umständen wohl gar nicht oder lange nicht aufgefallen. Aber jetzt sehen wir es wie unter einem Schlaglicht.
Eminenzdenken verdeckt (und fördert) - vermute ich - Mittelmässigkeit. In der Forschung wie anderswo.
Nichts ist schlimmer für Mittelmässigkeit, als eine Person, die wirklich brilliant ist. Die auch zeigt, wie es geht, sich selbst immer wieder in Frage zu stellen.
Mittelmässigkeit kann das nicht und will das nicht. Weil Aufwand & Anforderungen dann nämlich enorm ansteigen.
Es kommt also automatisch zu Eifersüchtelleien, zwischen Personen im Team Evidenz und Personen im Team Eminenz. Alleine schon, weil die erste Gruppe der zweiten Gruppe das Leben schwer macht, in dem sie nichts anderes tut, als gute Arbeit zu leisten.
Zu zeigen, wie man gute Arbeit macht und damit die Latte für alle anderen mal gleich ein paar Stufen höher legt.
Diese Eifersüchtelleien hätten, unter normalen Umständen, für uns völlig verborgen stattgefunden.
Aber die Umstände sind nicht normal.
Eminenzdenken ist auch in der Pseudomedizin extrem stark. Eigentlich ist Pseudomedizin sogar zu 100% Eminenzdenken.
Man braucht ja keine Evidenz. Die wird ja teilweise sogar abfällig gesehen.
Pseudomedizin ist im Allgemeinen rein "Erfahrungsmedizin" und ohne Eminenz gibt es die nicht.
Man kann nicht jede Erfahrung selbst machen. Also muss man anderen Leuten glauben, die diese Erfahrung gemacht haben und davon berichten.
Somit wird die Eminenz, also der Erfahrene, das wichtigste Element bei der Entscheidung, ob man eine bestimmte pseudomedizinische Behandlung ausprobiert oder nicht.
Das läuft komplett über Sympathie, bzw. mehr noch als über Sympathie, über Charisma und Selbstsicherheit.
Wer Charisma hat und selbstsicher auftritt, erscheint, als wüsse er wovon er redet und gerade Schilderungen von (angeblich) Erlebtem wird oft geglaubt.
Besonders, wenn bereits bekannte Narrative oder gehegte Vorurteile bedient werden. Wie "früher war alles besser" oder "Wissenschaftler sind entweder alle korrupt oder Hohlbrote".
So kommt es dazu, dass Leute in medizinischen Fragen Personen glauben, denen sie im Normalfall nicht mal den Rasenmäher ausleihen würden.
Weil Hans-Dieter hat es ja geholfen, bei Vollmond dreimal um die Eiche zu laufen und dann ein Rehkitz zu streicheln.
Besonders, seit Hans-Dieter noch den Heilpraktikerschein in der Tasche hat, also zur Eminenz aufgestiegen ist.
Das funktioniert jetzt nicht mehr so 100%. Zumindest nicht reibungslos und nicht medial.
Eminenz wird in Frage gestellt. Mittelmässigkeit wird bemerkt.
Aber niemand steht morgens auf, um einen mittelmässigen Job zu machen.
Ich glaube, die Erkenntnis, mittelmässig zu sein, darf nicht stattfinden.
Ich halte es für denkbar, dass darin eine Teilmotivation für das Consortium liegt. Der Versuch die eigene Reputation wieder herzustellen.
Aber eben nicht auf dem schweren Weg, sich ganz Team Evidenz & brillianter Arbeit zu verschreiben.
Dann müsste man auf einmal auch das gesamte Lebenswerk mit einer anderen Brille sehen und - ich wiederhole mich - niemand steht morgens auf, um einen mittelmässigen Job zu machen.
Und niemand will seinen kompletten Lebensweg überprüfen und auf einmal feststellen, dass die qua Eminenz als Tatsache erkannten Erkenntnisse, mit der konsequenten Evidenzbrille dann vielleicht doch eher wacklig aussehen.
Vor einiger Zeit hatte ich in einem anderen Thread schon mal meine Gedanken geordnet, was Heilpraktiker motiviert Heilpraktiker zu werden und nicht etwa Arzt. Mein Fazit da, war, dass es quasi Wunscherfüllung ist.
Und zwar einen Wunsch, den man nicht mit einem regulären Job in der Medizin stillen kann, weil man dabei echtes Wissen vorweisen muss und echte Verantwortung trägt. Während man als Heilpraktiker das Gefühl hat, geholfen zu haben und das Gefühl hat, zu wissen. Und das ausreicht.
Wenn Menschen schon eine Karriere hinter sich haben, also sich tatsächlich durch die Ausbildung zum Arzt gequält haben, bis hin zur Promotion oder zur Professur, dann sollte das eigentlich nicht der Fall sein, oder?
In dem Punkt bin ich mir nicht so sicher. Es ist ja nicht selten, dass Menschen mit zunehmendem Berufsalter manchmal komische Ideen entwickeln.
Das wird in der Pseudomedizinszene dann ganz gerne gesehen, dass sie endlich ihren Horizont erweitert haben.
Während sie den eigentlich verengt haben, nämlich auf einfache Antworten und simple Formeln.
Ich frage mich, ob da dann nicht vielleicht eine Art Ermüdung eingesetzt hat. Jetzt hat man so viele Jahre durchgepowert. Jetzt ist dann auch mal genug.
Man findet ein einfaches Erklärungsmodell, lässt sich draufsinken wie auf ein weiches Kissen und ruht sich erst mal aus.
Oder man merkt halt, unterbewusst, dass man bis jetzt nicht dort ist, wo man gerne wäre und es dann jetzt auch nix mehr werden wird.
Dann muss man sich auch nicht mehr in dem Maße anstrengen, wie in den ersten 10 Jahren.
Und dann noch die sehr tragische, weil _eigentlich_ vermeidbare Seiten: Mediziner, Wissenschaftler, die durch unser Gesundheitssystem ausgelaugt sind.
Die sehen, dass die Zeit fehlt, sich mit den Patienten zu unterhalten. Dass die Zeit für Zuwendung fehlt, für eine menschliche Medizin. Und sie nicht mehr die Kraft haben, das System zu verändern und ihr Heil in Heilslehren suchen, die das scheinbar versprechen.
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Sowas hier ist übrigens ein relativ gut erkennbares Warnsignal.
Achtet mal darauf. Verschwörungsmystiker verwenden oft in kleinen, unwichtigen und nicht überprüfbaren Details sehr konkrete Angaben. "Im geheimen Umschlag waren 351 Dollar",
"der Chip, der uns alle kontrollieren soll wird zwischen den Daumen und Zeigefinger der linken Hand injiziert", "es wurden 238 Straftaten von * begangen".
Gerade, wenn man die Information als Ottonormalsterblicher gar nicht besitzen kann, wird damit Insiderwissen angedeutet.
Und genaue Zahlen wirken automatisch zuverlässig.
Anders als, wenn ich sage, dass ich zwischen 90% und 100% sicher bin, dass ich damit recht habe.
Tatsächlich müssen Menschen mit Behinderungen in der Pandemie nicht erst bei der Triage stärker als sonst um ihr Leben bangen.
Unser System ist strukturell behindertenfeindlich.
Ärzt:innen sind auch nur Menschen und dadurch geprägt.
MmB sind auch im Normalfall stärker gefährdet, dass man ihnen nicht zuhört, sie nicht ernst nimmt, sie verkindlicht, für inkompetent erachtet, Entscheidungen für das eigene Leben, die eigene Gesundheit zu treffen.
Das verschlechtert die Gesundheitsversorgung & verkürzt Leben.
Durch die Pandemie haben wir diese Situation auf Speed. Gestresste Ärzt:innen unter (Zeit)Druck, die jetzt noch weniger Zeit und Empathie für komplizierte Patienten haben als sonst. Und die nun noch möglicherweise noch offener für den Gedanken sind, dass MmB tot besser dran sind.
Für alle HaSt Du NiChTs BeSsErEs Zu TuN aLs LeUtE zU dIfFaMiErEn-Bärchen, die jetzt in meiner Timeline aufschlagen: Das zweiterlei Maß, mit dem ihr messt, merkt ihr schon selbst?
Natürlich haben die Mitglieder des "Consortiums" das Recht, >>
sich wissenschaftliche Arbeiten anzusehen, diese zu kritisieren und auch, bei ernsthaften Verstößen, einen Rückzug zu fordern.
Dieses Recht, wissenschaftliche Arbeit zu kritisieren, nehme ich mir selbst immer wieder heraus.
Aber ebenso ist es mein Recht - und das jedes anderen Menschen - mir anzusehen, wer es tut und warum.
Gerade, mitten in einer Pandemie, wenn eine solche Kritik geeignet ist, Unsicherheit zu verbreiten, Reputationen vielleicht sogar unrechtmässig zu beschädigen, und vor allem>
Warum tue ich das? Ich hab doch eigentlich anderes zu tun?
Aber ich musste jetzt mal schauen, wer da eigentlich hinter diesem "Corman-Drosten"-Review-Report steht.
Ein, "Internationales Consortium von Wissenschaftlern", so die Selbstbezeichnung. (1)
Da ist erst mal "Dr. Pieter Borger". Was ich auf die Schnelle über ihn finde, ist ziemlich fragmentiert. Laut seine, Profil auf Researchgate hat er für die Uni Groningen gearbeitet, für die University of Sydney, University of Basel und Zurich. (2)
Im Prinzip nicht der schlechteste Track-Record, aber er schreibt sonst sehr wenig dazu. Also er verschweigt, in welchen Funktionen er dort beschäftigt war. Aber er hat, laut Eigenauskunft, über 70 Artikel in "leading publications" veröffentlicht. (3)
Ich habe übrigens keinerlei Verständnis für Menschen, die dann, wenn sie eine Covid-19-Infektion im engeren Kreis erlebt haben, als geläuterte Sünder um die Ecke kommen. Gar keines. Ich bin da auch nicht bereit zu vergeben.
Auf Ängste und Unsicherheit reagieren sie mit Arroganz und der Hybris, es 'besser zu wissen'. Statt zu reflektieren, statt sich dem Problem zu stellen, dass sie mit der Pandemie und ihrer Akzeptanz haben, ignorieren sie nicht nur, sie schlagen um sich.
Das entläd sich in Drohungen gegen Drosten und andere Virologen oder Epidemiologen, die mit Gesicht und Namen in der Öffentlichkeit stehen. Es entläd sich gegen berichtende Journalisten.
Es entläd sich auch nicht zuletzt in Molotov Cocktails gegen das RKI.
Das sich nun alle wundern, dass eben doch wieder die Altersgruppe ab 80 stärker betroffen ist und auch die Todeszahlen zunehmen: es tritt ein, was #TeamContainment exakt so vorhergesagt hat. -->
Je stärker das Virus in der Gesellschaft umhergeht, um so weniger Chancen hat man, Risikogruppen zu schützen.
Man kann Risikogruppen nicht in Plastik einschweißen. Jemand muss die Pflege übernehmen, Einkaufen, Arztbesuche, Therapien.
Je mehr Möglicheiten zur Ansteckung es gibt, um so mehr Personen werden sich, trotz aller Vorsicht, anstecken und um so mehr Angehörige von Risikogruppen werden sterben.
Ich weiß wirklich nicht, welches magische Denken bei #TeamDurchseuchung vorherrscht.