Finde die Debatte, ob PoC bei #Bridgerton als Adelige auch 'historisch' seien ja irgendwie niedlich. An #Bridgerton (Serie wie Romanvorlage) ist ungefähr nichts 'historisch' – abgesehen von Ortsnamen, der Existenz von Queen Charlotte + erkranktem Gatten und den Adelstiteln.
Die Besetzung von Rollen mit PoC in #Bridgerton scheint mit sehr viel eher eine Reaktion auf die seit einigen Jahren bei den Romance Writers of America geführte Debatte über die whiteness des Genres zu sein. Denn die Romane von Julia Quinn sind durchweg nicht divers.
Das Genre historical romance ist derart fiktiv, dass seine whiteness wohl als scheinbar historischer Marker zu dienen hatte (was allerdings wiederum vollkommen ahistorisch ist, auch bei #Bridgerton ).
Was durchweg erzählt wird, ist der Plot von Stolz und Vorurteil: Boy meets Girl und passt sich in einem Erziehungsprozess ihren Wertvorstellungen an, so wie Simon Bassett letztlich Daphne #Bridgerton s Vorstellung von Familie/glücklicher Ehe akzeptiert.
Geschichte (hier das Regency England um und bei Waterloo) dient als Folie für soziale Grenzen und Außergewöhnlichkeit (Adel) vor allem für die Protagonistin, die Held und Heldin im Laufe der Geschichte immer wieder überschreiten (z. B. Daphnes Ritt zum Duell). #Bridgerton
Dabei dürfen sie sich aber nicht erwischen lassen, denn das kann nur durch Heirat in Ordnung gebracht werden, im ersten Teil von #Bridgerton nach etwas mehr als der Hälfte des Geschehens, danach wird sich auf die Angleichung der Wertsysteme (und sehr viel Sex) konzentriert.
Das ist die zweite Funktion von Geschichte als Folie von Grenzüberschreitungen in Romanen wie #Bridgerton : eine beliebte Form der Grenzüberschreitung ist Sex bzw. dank historischem Setting: Defloration, in der Regel ausführlich geschildert.
Die Abfolge körperlicher Annäherung ist auch ähnlich und erwartbar, Spannung entsteht häufiger durch soziale Ungleichheit oder anfängliche und später überwundene Abneigung der Protagonisten (P&P lässt wieder grüßen). #Bridgerton
Häufig geht es (auch) um das Entdecken und Ausleben weiblicher Lust, ein wichtiger Hinweis darauf, dass Romane wie #Bridgerton wie alle Geschichtsgenres Zeugnisse ihrer Entstehungszeit sind, nicht Zeugnisse der Zeit, in denen sie spielen.
Die Netflix-Serie #Bridgerton wäre damit ein Zeugnis der Jahre 2018ff und eine rein weiße Besetzung (wie es die Romanvorlage vorsieht) mehr als eine Katastrophe. Adjoa Andoh ist großartig als Lady Danbury (trotz ahistorischem Polyester im Kostüm).
Ruby Barker ist Marina Thompson – eine neue, vielschichtige Figur, die man ungern in die Kutsche steigen sieht. Golda Rosheuvel spielt Queen Charlotte, wohl eine Anspielung auf die nicht entschiedene Debatte, ob die Königin eine WoC war. #Bridgerton
Regé-Jean Page ist (hüstel) der Duke.
Das alles ist überbordend und in schrillen Farben kostümiert, streckenweise sehr langatmig, der Konflikt um das Eheglück ist gegenüber dem Roman ziemlich domestiziert. #Bridgerton
Sehr gut dazu: Patricia A. Matthew

lareviewofbooks.org/article/shonda…

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24 Jul
Bessere Lesbarkeit von was? Ein kleiner Thread.

"Wir verzichten überdies zugunsten der besseren Lesbarkeit auf das Gendersternchen."

1. habe ich noch keinen empirischen Beleg dafür gefunden, Texte mit Genderstern seien schlechter lesbar als solche ohne
2. kenne ich das Nicht-Argument "bessere Lesbarkeit" seit meiner Schulzeit von allen Versuchen, nicht ausschließlich in der männlichen Form zu schreiben.

3. beides sind aber reine Behauptungen, um nicht Benannte nicht benennen zu müssen
4. wann sind Texte eigentlich gut lesbar, eine unvollständige Liste:
- Verzicht auf Substantivierungen und Partizipien
- präzise Formulierungen
- keine (inhaltslosen) Plastiksätze
- keine Metapherngewalt
- auf den Punkt kommend
Read 8 tweets
7 Jul
Denkmäler (und ihre Stürze) sind ja gerade hot shit, deshalb hier eine kleine Geschichte dieses Berliner Denkmals, das seit 1880 im Berliner Tierarten steht und "des Vaterlandes schönste Zierde" aka Königin Luise von Preußen (1776-1810) darstellt.
An den Initiatoren kann man gut beobachten, wer sich wie am Prozess der inneren Nationsbildung beteiliget und welche kollektiven Selbstbilder dabei entworfen wurden. Außerdem, wie die bürgerliche Berliner Oberschicht mithilfe von KL Frauen zu normieren suchten.
Außerdem ist es ein Beispiel für die Verflechtung von bürgerlicher und monarchischer Erinnerungskultur, denn kaum wurde über die Gründung des "Vereins zu Errichtung des Königin Luise Denkmals" berichtet, forderte Kaiser Wilhelm I. Informationen zum Projekt an.
Read 21 tweets
2 Nov 19
Ein Zeitungsartikel aus dem Jahr 1929, für den man keinerlei Recherche betreiben muss, ersetzt auch keine geschichtswissenschaftliche Analyse.
Natürlich sind Ähnlichkeiten zu finden, deshalb wurde er ja vermutlich veröffentlicht. Das ist eine deskriptive Beschreibung, keine Erklärung.
Beim @KoerberGP History Forum hat Timothy Snyder auf einen entscheidenen Unterschied zwischen den aggressiv expansiven Bewegungen der 1920er Jahre und den aktuellen gemacht, die ihre Anhänger nur in die Vergangenheit zurückführen wollen, weil Expansion keine Option ist.
Read 8 tweets
8 Sep 19
Dieses positive Bild der angeblich nach der Gleichheit aller strebenden Aufklärung hat historisch betrachtet erst im 20. Jahrhundert eine Realität. Weder all men are created equal noch Égalité bedeuteten die gleichen Rechte für alle. Das war und ist eine zähe Entwicklung.
Dazu Adorno: "Eine emanzipierte Gesellschaft jedoch wäre kein Einheitsstaat, sondern die Verwirklichung des Allgemeinen in der Versöhnung der Differenzen. Politik, der es darum im Ernst noch ginge, sollte deswegen die abstrakte Gleichheit der Menschen nicht einmal als 1/2
Idee propagieren. Sie sollte statt dessen auf die schlechte Gleichheit ... deuten, den besseren Zustand aber denken als den, in dem man ohne Angst verschieden sein kann." 2/2
Read 7 tweets
24 Mar 19
@RichterHedwig 1905 zum Beispiel reiste Käthe Schirmacher, die im Vorstand der International Women's Suffrage Alliance war, nach Luxemburg und hielt einen Vortrag über die Frauenbewegung. Der wurde zum Katalysator für die Gründung des "Vereins für die Interessen der Frau" wenige Wochen später.
@RichterHedwig Schon vor dem 1.WK nahmen die Rechte für Frauen in Europa zu: In Finnland wurde das Wahlrecht 1906 eingeführt, im Deutschen Reich konnten Frauen ab 1908 Mitglied einer Partei werden und hatten besser Bildungschancen, in Norwegen kam das Wahlrecht 1913, in Dänemark und Island 1915
@RichterHedwig Das hatte damit zu tun, dass man zumindest weißen Frauen nach und nach zugestand, ein politisches Subjekt sein zu können, d. h. vor allem: unabhängig Entscheidungen treffen zu können. Gerade diese Frage war aber bis zur Einführung des Frauenwahlrechts in allen Parteien umstritten
Read 5 tweets
21 Feb 19
@RichterHedwig Laut Mergel war "Frau Abgeordnete" die Standardansprache. Wurde das Plenum mit dem bekannten "Meine Herren" begrüßt, schallte es "Und Damen" zurück, wie Georg Ledebour am 28. Juni 1920 zu spüren bekam (Mergel 2012: 244f)
@RichterHedwig Auch die nächste Abgeordnete Frida Lührs (1869-1941) war wie viele ihrer sozialdemokratischen Kolleginnen nach ihrem Mandanten in der der Nationalversammlung nicht weiter im Parlament vertreten.
@RichterHedwig Die in Frankfurt als Frida Lührs geborene Politikerin besuchte zwar zunächst in Bockenheim eine Mittelschule, doch auch sie arbeitete – das ist schon fast typisch – bis 1893 als Hausangestellte. Dann heiratete sie und war 16 Jahre lang Geschäftsführerin einer Handelsfirma.
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