Gerade WEIL mir internationale Gerechtigkeit sehr am Herzen liegt, ärgere ich mich über die Behauptung, Biontech/Pfizer müssten nur die bösen Patente fallen lassen, und schon könnte man überall auf der Welt Impfstoffe basteln. Nein, so läuft das nicht. (Thread)
Man kann nicht einfach irgendwo im improvisierten Garagenlabor Impfstoffe herstellen, auch wenn man die "Rezeptur" dafür kennt. Das klappt vielleicht mit Crystal Meth, aber nicht mit mRNA-Impfstoffen. Das stellen sich offenbar manche Leute zu einfach vor.
Es geht dabei nicht nur um die mRNA-Sequenz selbst, die Biontech entwickelt hat. mRNA ist höchst instabil, man braucht allerlei Tricks, um sie in passende Lipid-Nanopartikel einzupacken. Dafür braucht man passende Maschinen, erfahrenes Personal und vieles mehr.
Das ist, im wahrsten Wortsinn, eine Wissenschaft - es gibt eigene Firmen, die sich ausschließlich auf Mikrofluidik spezialisiert haben - den Umgang mit winzigen Flüssigkeitsmengen, die man für solche Prozesse eben sehr genau kontrollieren können muss.
Andere Impfstoffe wiederum brauchen exakt die richtigen Adjuvantien, damit das Immunsystem korrekt reagiert - also nicht nur Bestandteile des Virus, die eine Immunreaktion auslösen, sondern auch spezielle Anregungs-Stoffe. Auch das ist kompliziert.
Es gibt auf der Welt nun mal nicht viele Firmen bzw. Labors, die das können. Und die, die es können, arbeiten daran. So wird z.B. Sanofi in Lizenz für Biontech/Pfizer Impfstoff produzieren: Dadurch wird die produzierte Gesamtmenge erhöht. Das wird bereits gemacht.
Aber dafür ist eben Zusammenarbeit nötig: Expert_innen, die miteinander reden, die ihren Kolleg_innen erklären, worauf man achten muss, wo die Probleme liegen. Zu glauben, man müsse nur eine Bauanleitung im Internet hochladen ist eine grobe Unterschätzung der Komplexität.
Natürlich: Es gibt Verteilungsprobleme auf der Welt. Und ja wir sollten über Pharmaindustrie und Patentrecht reden. Aber wer behauptet, dass jetzt im Zusammenhang mit COVID-19-Impfungen geldgierige Großkonzerne Millionen Menschenleben riskieren, tappt in eine Populismus-Falle.
Wir sehen ja, dass es derzeit selbst den Firmen, die diese Impfstoffe entwickelt haben, schwerfällt, rasch die nötigen Mengen zu produzieren. Das zeigt: Es ist nicht so einfach. Selbst wenn man alle nötige Information hat. Für andere wäre es natürlich noch viel schwieriger.
Die gute Nachricht: Es wird besser. Also abwarten, sich auf die Impfung freuen - und gemeinsam dafür sorgen, dass die ganze Welt die Impfstoffe erhält. Das wird durch gute Wissenschaft, Technologie und Logistik gelingen, nicht durch Populismus.
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Ein Text, der mich sehr ärgert: Ein Philosoph verteidigt Sucharit Bhakdi, attackiert naturwissenschaftlich denkende Menschen als "Sektierer" und spricht von "Rückfall in die Barbarei". Man sollte die Philosophie vor solchen "Philosophen" schützen. (Thread) derstandard.at/story/20001231…
Mit bemerkenswerter Arroganz versucht der Autor, Naturwissenschaftlern die Naturwissenschaft zu erklären, als hätten die noch nie von philosophischen Grundbegriffen gehört. Glaubt er, dass Physiker noch nie Popper gelesen haben? Das macht eine Diskussion schwierig.
Zunächst geht es um bloße Wortklauberei: "Wissenschaftliche Fakten" sei ein falscher Ausdruck, doziert der Autor. Denn es gibt ja keine "unwissenschaftlichen Fakten"! Wirklich? Auf diesem Niveau wollen wir diskutieren? Regt er sich auch auf, wenn jemand "Pariser Eiffelturm" sagt?
Das tut wirklich weh: Ein ganzseitiges Inserat mit haarsträubendem Corona-Unsinn, erschienen heute im Kurier. Sehen wir uns das mal an.
Klarstellung vorweg: Ich schreibe selbst eine Kolumne im Kurier, in der ich mich für Wissenschaft und gegen Verschwörungstheorien einsetze. Dieses Inserat macht leider das Gegenteil. Gerade deshalb MUSS ich Stellung beziehen, sonst würde ich mich völlig unglaubwürdig machen.
Argument 1: Masken seien nutzlos und gesundheitsschädlich. Das ist falsch. Zu Beginn der Pandemie war der tatsächlich noch nicht so ganz klar, wie wirksam die Masken sind. Außerdem gab es Bedenken, die breite Bevölkerung würde dem medizinischen Personal die Masken wegkaufen.
Für mich verblüffend: Die Putschisten im Kapitol versuchen nicht einmal, sich zu vermummen. Sie zeigen sich völlig offen, machen Selfies, geben Interviews. Das sind keine Leute, die das System stürzen wollen. Das sind Leute, die zeigen wollen: Wir sind jetzt das System! (Thread)
Dieses Video fasst das für mich wunderschön zusammen: Eine Frau ist fassungslos, dass sie beim Eindringen ins Kapitol Pfefferspray abbekommen hat. Bereitwillig nennt sie ihren Namen. Was sie dort wollte? Naja, Revolution eben! Was denn sonst?
Man kann gegen etwas sein und es trotzdem nicht verbieten wollen. Ich halte das für einen ganz wichtigen Gedanken. Mir wird momentan erst bewusst, wie viele Menschen das anders sehen. Das beunruhigt mich. (Thread)
Ein Beispiel: Ich engagiere mich seit vielen Jahren für wissenschaftliches Denken, gegen Esoterik, Aberglauben und Pseudowissenschaft. Ich finde Horoskope blöd, Verschwörungstheorien bedrohlich und alternativmedizinische Heilsversprechen gesundheitsgefährdend.
Aber nie wäre es mir in den Sinn gekommen, ein gesetzliches Verbot für all diese Dinge zu fordern. Soll es illegal sein, magische Heilsteine zu verkaufen? Nein. Soll man bestraft werden, wenn man sein Leben nach dem Horoskop ausrichtet? Nein, man braucht eher Hilfe.
Nein, die COVID-19-Impfung macht Frauen NICHT unfruchtbar! Habe heute schon wieder von einem Arzt gehört, der ankündigt, Frauen mit Kinderwunsch nicht zu impfen. Das ist Unsinn. (Thread)
Das Gerücht geht offenbar zurück auf den Biounternehmer Michal Yeadon (manchmal wird in Social Media Posts behauptet, er sei Forschungsleiter bei Pfitzer, das ist er nicht.) Wie jedes gute Gerücht klingt es zunächst nicht unplausibel:
Die Impfung bringt unsere Zellen dazu, ein Spike-Protein des Coronavirus herzustellen, das soll dann vom Immunsystem attackiert werden. So weit, so richtig. Die oft gelesene Behauptung ist nun: Das Spike-Protein ähnelt einem anderen Protein (Syncytin-1),
ACHTUNG: Ich habe heute eine Graphik des deutschen Städte- und Gemeindebundes geteilt, mit einer Prognose, dass es sehr lange dauern wird, bis die allgemeine Bevölkerung gegen COVID-19 geimpft werden kann. Der DStGB hat die Graphik entfernt - daher habe ich den Tweet gelöscht.
Offenbar lässt sich derzeit einfach nicht sagen, wie lange die Sache dauern wird. Es tut mir leid, unzuverlässige Information weitergegeben zu haben. Ich hätte zumindest in meinem Kommentar dazu vorsichtiger formulieren müssen.
Was aufrecht bleibt, ist meine Bitte an die Politik: Wir brauchen ehrliche Kommunikation zu diesem Thema. Wenn man etwas noch nicht weiß, ist es ok zu sagen, dass man es nicht weiß.