Es gibt prinzipiell zwei mögliche Impfpriorisierungs-Strategien:
a) Hohes Sterberisiko zuerst
b) Hohes Übertragungsrisiko zuerst
Auf den ersten Blick scheint a) besser zu sein, weil man so Todesfälle direkt verhindert. Aber ist das so? Ein Thread 🧵⬇️
Das Problem der Sterblichkeits-Priorisierung ist, dass die Politik unter Druck kommt zu lockern, sobald die Todeszahlen sinken. Es wird gelockert, bis die Inzidenz so hoch ist, dass wieder viele sterben. Erst dann wird auf die Bremse getreten. 2/
Es ist KEIN Naturgesetz, dass die Inzidenz in einer Winterwelle bei ca. 200 liegt. Diese Zahl ist das Resultat eines gesellschaftlich-politischen Prozesses. In Deutschland haben wir dort gebremst. In anderen Ländern bei anderen Zahlen, je nach politischer Kultur und Stimmung. 3/
.@DirkBrockmann beschreibt das schön in einem Paper zum Impfabstand. Es ist aufgrund menschlichen Verhaltens, dass R immer ungefähr bei 1 liegt bis jetzt.
Das ist gesellschaftliches Feedback.
Je weiter unter 1, umso mehr wird gelockert und Risiko nicht mehr vermieden. 4/
Ist R über 1, reißen sich Politiker und Bürger zusammen. Je höher R umso mehr.
Nur aus diesem Grund ist R im Korridor 0,8-1,3 seit einem Jahr. Das hat nichts mit intrinsischen Eigenschaften des Virus zu tun. 5/
Dem aufmerksamen Leser wird aufgefallen sein, dass R~1 nichts darüber aussagt, wie hoch die Inzidenz in Realität wirklich ist. Dafür brauchen wir einen weiteren Feedback-Effekt: diesmal abhängig nicht von R sondern von etwas anderem. Ja was genau eigentlich? 6/
Das kann man nicht genau sagen, es hängt vom gesellschaftlich-politischen Prozess ab. In Deutschland ist es vermutlich eine Kombination aus: Intensivauslastung, Todeszahlen und theoretisch der Nachverfolgungskapazität. 7/
Mein Gefühl: vor allem Intensivauslastung.
Was bedeutet das? Nicht die Inzidenz ist fix, sondern das Limit wird durch die Intensivauslastung bestimmt. Das beschränkt das Wachstum und bestimmt die Peak-Inzidenz. 8/
Was passiert jetzt wenn wir anfangen zu impfen?
Strategie a) Hochrisiko:
Impfung der Risikogruppen senkt die Intensivauslastung (IA) bei gleicher Inzidenz. Wir könne uns also mehr Inzidenz leisten. Genau das passiert auch wenn entscheidendes Feedback Intensivauslastung ist. 9/
Lieber noch ein bisschen lockern denkt sich der Politiker, am 14.3. sind schließlich Wählen! Wir sind ja nicht am Limit.
Wir treten erst auf die Bremse, wenn wir an die Schmerzgrenze gelangen. Und das heißt: stetig steigende Inzidenzen, je mehr Risikogruppen geimpft sind. 10/
Was ist mit Strategie b) Hauptüberträger zuerst?
Das Verhältnis Inzidenz zu Intensivauslastung bleibt unverändert, weil Hauptüberträger meist nicht Hochrisikogruppe sind.
Gleichzeitig sinkt aber R, weil Impfung Übertragungen effektiv verhindert. 11/
Wir haben also den Luxus wählen zu können zwischen sinkender Inzidenz und Todesraten bei gleichen Maßnahmen, oder stabilen Todesraten bei Lockerungen. Wir können auf jeden Fall mehr lockern als in Fall 1, weil R gesenkt wird. 12/
Hochrisikoimpfung senkt R viel weniger. Man kann also weniger NACHHALTIG lockern. Das einzige was man erreicht ist, dass man höhere Inzidenzen tolerieren kann.
Also kurz lockern, dann geht Inzidenz hoch und schon muss man wieder bremsen. 13/
Wenn man das System Mensch & Politik zusammen betrachtet spricht also einiges dafür, nicht Hochrisiko zuerst zu impfen, sondern die Hauptüberträger. Aber ich verstehe natürlich, dass so eine Argumentation bei der Ethikkommission nicht sehr überzeugend klingt. 14/
Wie kam ich auf den Gedanken diesen Thread zu schreiben?
Ich las diese Aussage von Michael Meyer-Herrmann und wollte nachvollziehen was dahinter steckt. 15/
Was heißt das denn jetzt konkret für jeden von uns?
Unser persönliches Covid-Erkrankungs-Risiko bis wir geimpft sind hängt vom zwei Dingen ab: 1. Wie lange, bis wir geimpft werden 2. Wie hoch ist die Inzidenz bis dahin
Als Formel: Risiko = Inzidenz * Wochen bis Impfung 16/
Nenne wir dieses Risiko Inzidenzwochen oder IW.
Ist die Inzidenz 200 und werde ich in 20 Wochen geimpft, so ist mein Risiko 4000 IW (=4% Infektionsrisiko)
Bei Inzidenz von 20 nur 400 IW also 0,4%. Viel besser! 17/
Meine Sorge ist folgende:
In der Politik wird die Inzidenz verharmlost und ersetzt durch Intensivauslastung. Das führt zu höheren Inzidenzen und damit unmittelbar zu einem höheren Erkrankungsrisiko für alle Ungeimpften. 18/
Inzidenz ist DIE Kerngröße für #LongCovid
Am härtesten werden die Jugendlichen getroffen, die bereits heftig auf Covid-Erkrankung reagieren können aber keine Impfung erhalten weil es keine Zulassung gibt
Einziger Ausweg: wir drücken die Inzidenz! Nicht die Intensivauslastung! 19/
Ja, wir wissen noch nicht genau wie gut Impfungen gegen Übertragungen schützen, aber es wird deutlicher Effekt sein. Sonst kann man sich gleich die Diskussion um Freiheiten für Geimpfte schenken...
Denn es geht bei Maßnahmen ja nicht um Selbst- sondern Gesellschaftsschutz 20/
Leider sind beide Strategien zumindest teilweise unvereinbar. Warum?
Risikogruppen, wenn ungeimpft, haben hohes Eigeninteresse sich zu schützen. Deswegen niedriges Infektions- und und Übertragungsrisiko. Ausnahme: Menschen die sich nicht schützen können, in Pflegeheim oä 21/
Das höchste Übertragungsrisiko ist also durchaus genau nicht bei den Risikogruppen sondern bei denen, die sich nicht aus Eigeninteresse vor Ansteckung schützen.
Beispiel: 25-jähriger Maßnahmenverweigerer der auf illegale Partys geht.
Hier würde Impfung größten R Effekt haben 22/
Korrektur:
Das individuelle Risiko steigt schneller als die Inzidenzwochen, weil man es durch den Anteil der Ungeimpften teilen muss. Und der schrumpft.
Bei Inzidenz von 100 und 80% geimpft entfallen nämlich die 100 fast komplett auf die 20% Ungeimpften.
Effektiv also 500! 23/
.@DirkBrockmann hat hier noch eine Leseempfehlung zu Feedback-Effekten bei Pandemien
@Karl_Lauterbach@annewill Wie um alles in der Welt können wir in einem exponentiellen Anstieg lockern?
Mutanten haben Inzidenz von 50 und ein R von 1,2.
Der Tsunami kommt, und anstatt vom Strand wegzurennen, ziehen wir die Rettungsweste aus und kaufen uns ein Eis.
@Karl_Lauterbach@annewill Dort wo die Welle mindestens 3 Sekunden später eintrifft, werden sogar die Strandkörbe rausgeholt. Die Korbvermieter müssen schließlich Umsatz machen!
Wir haben sogar eine "Notbremse":
Wenn die Welle 0,2 sec weg ist, erklingt eine Sirene, um die Schwimmwesten anzuziehen. Safe!
@Karl_Lauterbach@annewill Zum Glück haben wir gerade angefangen einen Damm zu bauen.
Leider haben wir die Erde dafür zu spät bestellt, und als sie dann ankam, haben wir gemerkt, dass wir weder Pläne noch Baugenehmigung haben.
Deswegen ist erst das Pflegeheim geschützt, der Rest des Dorfs noch nicht.
Steigern wir die #AstraZeneca Impfrate schnell genug um die Lagermenge schnell zu reduzieren?
Nicht wirklich, wie man in diesem Graph sieht.
Die Impfrate steigt linear extrapoliert.
Und die Lieferung kommen aus dem Lieferplan des @BMG_Bund.
Erst in 2W sinkt Lagerbestand.
Die lineare Steigerung der Impfrate halte ich für eine optimistische Prognose. Die Wachstumsrate wird irgendwann abflachen.
Bis wir dann endlich bei den Hausärzten geimpft werden können.
Bis dahin wird Lagerbestand weiter ansteigen.
Und damit Zahl der vermeidbaren Todesfälle
Ich halte folgendes Szenario eigentlich für realistischer:
Wachstum auf 630k Impfungen pro Woche bis 12. März, dann Stagnation.
Damit bleibt die Lagermenge zwischen 2-3 Mio, bis die Hausärzte drankommen.
Hier sind die Daten, zum Kopieren und selber machen: docs.google.com/spreadsheets/d…
Viele werden gerade über ihre Stimme bei den Landtagswahlen in RP und BW nachdenken.
In meinen Augen hat sich leider keine Bundestags-Partei in dieser Krise mit Ruhm bekleckert.
Prüft, ob bei euch seriöse Kleinparteien zur Wahl stehen.
Aber aufpassen: es gibt Querdenkerparteien!
.@HendrikStreeck läuft bei #Riverboat zu Talk-Hochform auf und macht sich über @Karl_Lauterbach "lustig", der bereits bei Welle 10 sei.
Ganz schlechter Witz von jemandem, der praktisch immer daneben liegt.
Währenddessen @Karl_Lauterbach ganz cool als wäre nichts...
Wer ist hier nochmal Entertainer und wer Wissenschaftler, der die Literatur liest?
Zwinkersmiley
Kann jemand bitte @jensspahn nochmal fragen, wie er Impfangebot genau definiert?
Ist es
a) die rein theoretische Möglichkeit für einen Termin zu buchen, so wie in der DDR einen Trabbi, nur, dass man dann noch 9 Jahre warten muss?
Oder
b) Erstimpfung für alle, die wollen?
Ich habe die starke Vermutung, dass das Wort Impfangebot mit Absicht so gewählt ist, dass der Bürger intuitiv b) denkt, Spahn aber sagen kann, ich hab ja nur a) gemeint.
Übrigens: Impfangebot ist schonmal mein persönlicher Favorit für das #Unwort des Jahres.
Laut Merkel und Antwort des @BMG_Bund im @Cicero_online soll tatsächlich die Erstimpfung gemeint sein also im Sinne von a) Impfangebot = Erstimpfung
In der Praxis verwenden Bundesländer das Wort aber Gegenteilig im Sinne von b): Impfangebot = Berechtigung. cicero.de/innenpolitik/i…
Grobe Modellierung der Inzidenzentwicklung in Deutschland zeigt, dass die Schwelle von 100 vermutlich in 1-3 Wochen überschritten wird.
Anfang April sind Werte über 200 möglich.
Im Modell berücksichtigt: Saisonalität, Impfungen, Mutanten & Lockerungen. #B117-Anteil bereits > 50%
Annahmen für Best-Guess:
- Saisonalität verringert um Faktor 300 von Winter zu Sommer
- Impfungen verringern R um 70% des Anteils der Geimpften
- Lockerungen seit Mitte Februar erhöhen R um 15%
- Mutanten haben 9% täglichen Übertragungsvorteil (konsistent mit RKI-Daten)
Annahmen für Worst Case:
- Saisonalität von Faktor 200
- Mutanten sind 10% täglich übertragbare
- Lockerungen erhöhen R um 20%
Best Case:
- Saisonalität Faktor 2000
- Mutanten 8% pro Tag übertragbarer
- Lockerungen erhöhen R um 12%
- 50% schnellere Impfung