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25 Mar, 25 tweets, 4 min read
Erinnert ihr euch an das Hickhack mit der Zulassung von Corona-Schnelltests? Inzwischen sind 19 Tests für die Selnbstanwendung in Deutschland zugelassen. bfarm.de/DE/Medizinprod… Taugen die Tests auf der Liste? Die Antwort lautet, wie so oft in Corona-Deutschland: Unklar.
Das beginnt damit, dass die Zulassung darin besteht, dass die Behörde die eingereichten Herstellerunterlagen prüft. Eine unabhängige Laboruntersuchung von Antigentests durch staatliche Labore ist erst ab 2022 geplant. Bis dahin schaut sich die Behörde nicht mal ein Muster an.
Das ist jetzt kein Skandal, aber genau genommen bestätigt eine Zulassungsprüfung nur, dass der Beipackzettel in Ordnung ist. Das sollte man einfach nur wissen. Insgesamt sind hier 258 Tests erfasst, 19 davon zugelassen: antigentest.bfarm.de/ords/
Einige der Tests in der Liste warten mit extrem guten Zahlen auf, aber unabhängige Tests sind rar; einen davon findet sich hier: cochrane.de/de/news/aktual… Man beachte auch die unten verlinkte Expertenkritik an der Bewertung.
Unter dem Strich ergibt sich ein gemischtes Bild. Die Ergebnisse variieren stark, und ein Test, der nur die WHO-Mindestkriterien erfüllt, taugt für Massenscreenings nicht. Auch mit den besten der Schnelltests, die im September 2020 erfasst wurden, gibt es Probleme mit den Zahlen.
Zumindest aber kann man sich von dem Gedanken verabschieden, man könnte mit dieser Klasse von Schnelltests Großveranstaltungen oder Schulen sicher machen. Hier ein Zitat aus dem Artilkel über den Test der Tests:
„In einer Gruppe von 10.000 Personen ohne Symptome, in der 50 Personen wirklich mit SARS-CoV-2 infiziert sind, würden zwischen 24 und 35 Personen korrekt als Virus-Träger identifiziert werden, zwischen 15 und 26 Fälle würden übersehen werden.“
„Man müsste damit rechnen, dass die Tests zwischen 125 und 213 positive Ergebnisse liefern würden und dass zwischen 90 und 189 dieser positiven Ergebnisse tatsächlich falsch positiv wären.“
Generell hatten die Ergebnisse eine große Spannbreite, aber ich wünschte mir, die Angaben auf der Packung der Tests wären so formuliert und nicht nur als Prozentwerte. Ich will nicht ausschließen, dass neuere Schnelltests deutlich besser sind, aber wie man an den Zahlen sieht,...
...liefert Testen großer asymtomatischer Gruppen mit Schnelltests nicht das, was man sich erhofft oder viele glauben. Tests sind hilfreich, aber es rutschen viele Positive durch, und noch mehr Gesunde werden durch einen falsch positiven Schnelltest beunruhigt.
Ich hörte, dass sich bei uns in der PCR so ein Drittel bis die Hälfte der positiven Schnelltests nicht bestätigt, aber das ist Hörensagen aus einer Quelle. Kennt jemand genauere Zahlen?
Wie auch immer, auch nach den Werten im geprüften Beipackzettel sind Schnelltest keine Game-Changer, die sicheres Öffnen von irgendwas ermöglichen; wir hätten sonst auch längst Erfolgsgeschichten aus dem Ausland gehört, wo Schnelltests seit 9 Monaten üblich sind.
Bei uns kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Schnelltests primär als Beruhigungsmittel in Öffnungsdebatten eingesetzt wurden und ihr Beitrag zur Eindämmung der Infektion eher vernachlässigbar ist.
Ich wollte die Schnelltests nicht so runtermachen, sie sind ein wichtiges diagnostisches Hilfsmittel, und am Ende freue ich mich über jede einzelne verhinderte Infektion, aber großflächig eingesetzt leisten Schnelltests nicht das, was viele glauben oder glauben wollen.
Aber selbst, wenn die Tests perfekt wären: Ein Testergebnis gilt für rund 12 Stunden. Bei Tests einmal pro Woche sind die Ergebnisse für die anderen 6 Tage so aussagekräftig wie ein negativer PCR-Test vom Sommer letzen Jahres.
Sorry dafür, wenn ich jetzt Hoffnungen zerstört habe, aber ich habe diese Doppelzüngigkeit einfach satt. Die Behörden haben zu Recht das Experiment von Union Berlin nicht genehmigt, vor „freigetestem“ Publikum zu spielen, aber für Schulkinder soll es sicher sein?
Das Geld für die Schnelltests an Schulen halte ich mittlerweile für rausgeschmissen. Ich fürchte, ihr bescheidener Beitrag zur Eindämmung wird mehr als aufgezehrt dadurch, dass Getestete unvorsichtiger werden.
Und Schnelltests nur einmal die Woche kann man sich nicht nur völlig sparen, ich halte sie sogar für kontraproduktiv, weil sie ein falsches Sicherheitsgefühl erzeugen und dadurch vermutlich die Zahl der Ansteckungen vergößern.
Wenn, muss man täglich testen, und zwar nur mit den besten der Tests. Wenn man das nicht hinbekommt, ist man in meinen Augen auch nicht qualifiziert, in Pandemiezeiten Schüler in einer Schule zu versammeln. Was man ohnehin besser ganz lassen sollte.
Bei vielen dieser Tweets habe ich Mühe, ruhig und sachlich zu bleiben. Inbesondere, wenn ich mich an das unqualifizierte Gequatsche vieler Bildungspolitiker erinnere. Ich ärgere mich darüber, dass ich die Schnelltestdebatte lange nicht als Nebelkerze erkannt habe, aber ich....
...merke auch, dass ich mich zunehmend radikalisiere, was das Thema Corona betrifft, auch, weil sich die Politik immer weiter vom wissenschaftlichen Konsens entfernt, und die Kanzlerin dem Druck des Amtes nicht mehr gewachsen und handlungsunfähig scheint. Alles nicht gut, gerade.
Ich möchte den Thread nicht so negativ enden lassen, wir werden da schon durchkommen, durch das Ganze, und wir klüger sein, und ich denke, viele von uns werden Konsequenzen ziehen aus den Mängeln unseres Systems und der offen zur Schau gestellten Dummheit vieler Politiker.
Insbesondere dürfte durch die Pandemie klar geworden sein, dass wir mit dem Personal und mit dem System den Klimawandel nicht in den Griff kriegen werden und die menschliche Zivilisation untergehen und alles, was je jemand geleistet hat, vergessen sein wird.
Im Kampf um das Überleben der Menschheit wird es um mehr gehen als nur unser Menschenleben. Es wird um die Vergangenheit, die Geschichte, die Lebensleistung aller gehen, die jemals gelebt haben, und um die aller, die jemals leben könnten.
Das ist der eigentliche Kampf, auf den es ankommt, und mit den politischen Gruselkabinetten, die gerade die Pandemie managen, werden wir das nicht wuppen, aber ich glaube, dass die Erfahrungen der Pandemie uns helfen werden beim weiteren Kampf um die Zukunft der Menschheit.

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26 Mar
Ich hätte nicht erwartet, dass sich die Corona-Politik so vieler Bundesländer so weit von der Wissenschaft entfernt und dermaßen pseudopopulistische Züge annimmt. Faktisch làsst die Politik die Zahlen wieder so weit ansteigen, bis das vermeintlich dumme Volk einsieht, dass ...
...es ohne harten Lockdown nicht geht, oder hofft darauf, dass mal wieder ein Wunder passiert und die Zahlen irgendwie im Rahmen bleiben. Das ist so unsäglich dumm und rückgratlos und kommt uns wieder teuer zu stehen. Überraschend ist aber nur das Ausmaß, nicht der Fakt an sich.
Hat man sich vielleicht überlegt , dass es besser ist, die Zahlen môglichst schnell nach oben zu treiben, damit man früher in den Lockdown gehen kann? So viel strategisches Denken traue ich den Regierungen eher nicht zu, aber der Effekt ist zumindest da.
Read 4 tweets
26 Mar
Ich hoffe ja, wir finden bald eine Spur von außerirdischem intelligentem Leben, aber nicht aus den Gründen, die ihr wahrscheinlich denkt, es sei denn, ihr habt von den letzten Papers über das Fermi-Paradox und die Drake-Gleichung gehört.
Das Problem ist, dass nach aktuellem Stand der Kosmologie die Drake-Gleichung unter bestimmten Annahmen nur dann aufgeht, wenn Zivilisationen, die sich auf unserem Entwicklungsstand befinden, nicht lange existieren. Nicht lange heißt um die hundert Jahre.
Möglicherweise ist die Erde auch einzigartig und es gibt und gab nie zuvor eine so weit entwickelte Zivilisation wie die menschliche, aber das erscheint sehr unwahrscheinlich.
Read 25 tweets
24 Mar
Hat eigentlich jemand schon die nautisch-eisenbahnerischen Hybrid „Notbremse über Bord“ benutzt?
Was die Kanzlerin und die Ministerpräsidenten gerade gemacht haben, ist, die Pandemie wieder einmal zu verlängern, Lockerungen noch weiter in die Zukunft zu schieben, hunderttausende Menschen mehr krank zu machen und Tausende mehr sterben zu lassen.
Aber das sind wir ja gewohnt. Schlimmer ist, dass sie die Anstrengungen, die Vorsicht, die Zurückhaltung und den Verzicht, die viele seit Monaten ertragen, mit Füßen getreten haben. Besonders bitter ist, dass wir uns nicht einmal richtig wehren können.
Read 14 tweets
22 Mar
Ein Problem bei unserer Art der Pandemiebekämpfung ist, dass viele Leute glauben, dass was nicht verboten ist auch nicht so gefährlich sein kann.
Das ist grundsätzlich nachvollziehbar, aber würde voraussetzen, dass wir
1) Maßnahmen primär aufgrund epidemiologischer Kriterien treffen, und
2) Wissen, wo sich die Leute anstecken

Beides tun wir nur zum Teil, oft nur zum geringen Teil.
Von den meisten Infektionen, je nach Kreis und Inzidenz, wissen wir bei 50-90% der Fälle nicht, wo sich die Leute angesteckt haben.

Wir wissen, dass zumindest in England die meisten Leute einkaufen waren im Zeitraum, als sie sich angesteckt. Wenn Schulen und Kitas ...
Read 13 tweets
21 Mar
Für die Vorbereitung auf das neue Corona-Weekly ukw.fm/ukw065-corona-… habe ich noch ein paar weitere Daten visualiesiert, die ich euch nicht vorenthalten möchte, vor allem, wie Männern und Frauen verschiedenen Alters von Infektion betroffen sind.
Erst mal Verlauf der 7-Tage-Inzidenz bei Männern und Frauen: Liegt er meist nahe beieinander, so waren seit Dezember die Zahlen bei Frauen deutlich höher als bei Männern und haben sich erst in den letzten Wochen wieder abgenähert.
Hier nun der Vergleich von Männern und Frauen nach Altersgruppen. Es fällt auf, dass die Frauen 80+ eine deutlich höhere Inzidenz als die Männer hatten; vielleicht, weil sie rüstiger und aktiver sind. Ansonsten sieht es erst mal sehr ähnlich aus, aber...
Read 12 tweets
21 Mar
Solche Schlagzeilen, Artikel auch noch hinter einer Paywall, sind der Grund, warum man als Unternehmer keine Lust hat, in die Politik zu gehen oder Geschäfte mit dem Staat zu machen. Hier wird Fehlverhalten suggeriert, aber nicht belegt. spiegel.de/politik/deutsc…
Kann man denn zumindest einen Interessenkonflikt annehmen? Wie viel hat Burda an dem Geschäft verdient? Nach Aussagen der Firma nichts. War der Preis überhöht? Wissen wir nicht, aber wahrscheinlich nicht. Sind bessere Angebote deshalb nicht genommen worden? Wahrscheinlich nicht.
Hat Spahns Ehemann das Geschäft eingefädelt oder sonstwie befördert? Angeblich nicht mal das. Ist das glaubhaft? Nun, es wäre ziemlich dumm, wenn die Beteiligten in der Sache gelogen hätten, denn am Ende kommt so was meistens raus, und dann hat man verloren. Stimmt also ...
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