Der Auftritt von Kanzlerin #Merkel bei #AnneWill. Eine Analyse ihrer höchst spannenden Strategie als Thread: 1/x
Die Kanzlerin hat gestern einen bemerkenswerten Auftritt bei Anne Will hingelegt.
Sie verwandelte ihr Scheitern mit dem Oster-Lockdown in eine für Merkel äußerst ungewöhnliche Offensive gegen die Ministerpräsident:innen. 2/x
I. Warum geht die Kanzlerin zu Anne Will?
In der Politikwissenschaft bezeichnen wir diese Strategie als "going public" (die Öffentlichkeit suchen). Regierungschefs wenden sie an, wenn sie intern nicht mehr weiterkommen, bzw. ihre Autorität nicht mehr akzeptiert wird. 3/x
Das ist bei Merkel der Fall. Sie setzt sich in den Sitzungen mit den Ministerpräsident:innen nicht mehr durch.
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Sie hat aber nicht nur Autorität in Gremien, sondern als Kanzlerin auch öffentliche Autorität. Diese hat sie nun bei Anne Will in die Waagschale geworfen, um die Ministerpräsident:innen unter Druck zu setzen. 5/x
II. Zu wem hat Merkel gestern gesprochen?
Für viele Bürger:innen blieb Merkels Auftritt gestern rätselhaft. Wer sich konkrete Antworten der Kanzlerin erhoffte, wurde enttäuscht. Für politische Akteure hingegen war der Auftritt gestern maximal aufschlussreich. 6/x
Merkel richtete sich vor Millionenpublikum gar nicht an die große Öffentlichkeit, sondern ganz strategisch an die Ministerpräsidenten und ihre eigene Partei. 7/x
Sie wählte dafür das Mittel der größten deutschen Talkshow bewusst, weil jetzt die gesamte Bevölkerung weiß, was Merkel von den Ministerpräsident:innen und von ihrer Partei fordert. Wer jetzt davon abweicht, stellt sich öffentlich gegen die Kanzlerin. 8/x
Was hat Merkel den Ministerpräsident:innen gesagt?
Merkel wurde gestern ungewöhnlich deutlich. Anne Will fragte, "verstößt Armin #Laschet gegen die Vereinbarungen?" - Die Kanzlerin antwortete: "Ja, aber er ist nicht der Einzige." 9/x
Das ist ein klarer Angriff auf den #CDU-Parteivorsitzenden und Ministerpräsidenten des größten Bundeslandes. Auch andere Ministerpräsidenten wurden nicht geschont. Namentlich kritisierte sie Hans (CDU) im Saarland und Müller (#SPD) in Berlin. 10/x
Deutlich wurde auch, welche Konsequenz sie bereit ist zu ziehen, wenn diese ihr nicht folgen: 11/x
Sie kündigte an, aktuell darüber nachzudenken, dass sie das Mittel des Infektionsschutzgesetzes ausweiten könnte, um bundeseinheitlich schärfere Regeln zu verhängen. Das käme praktisch einer Entmachtung der Ministerpräsident:innen in der Krise gleich. 12/x
Eine Botschaft, die nicht alle TV-Zuschauer:innen sofort verstehen können, die aber sicherlich für helles aufhorchen in allen Landeshauptstädten gesorgt haben wird. 13/x
III. Was hat Merkel ihrer Partei gesagt?
Merkels Botschaft in der Sendung richtete sich massiv an ihre eigene Partei. Abgesehen von der Kritik an Müller (SPD) kritisierte die Kanzlerin ausschließlich Mitglieder ihrer eigenen Partei. 14/x
Sie sprach an, dass die Wirtschaftshilfen viel zu langsam ausgezahlt werden. Das fällt klar in die Verantwortung von CDU-Wirtschaftsminister Peter Altmaier. 15/x
Sie sprach an, dass die mangelnde Beschaffung von Schnelltest gerade andere Strategien aufhält. Dafür ist CDU-Gesundheitsminister Jens Spahn zuständig.
Die Politik des CDU-Vorsitzenden Laschet kommentierte sie mit den Worten "das stimmt mich nicht fröhlich". 16/x
Drei Ansagen, die typisch für Merkel weitgehend verklausuliert waren, aber die von den Betroffenen durchaus verstanden werden. 17/x
IV. Was war auffällig an Merkels Auftritt?
Sehr untypisch für Politiker:innen war, dass Merkel komplett darauf verzichtete Kritik an ihren Koalitionspartnern im Bund zu üben (SPD + CSU).
Sie kritisierte in keinster Weise die Arbeit oder die Forderungen der Opposition. 18/x
V. Wozu dient das alles?
Merkel hat gestern eine überparteiliche Machtdemonstration durchgeführt. Durch ihre Entschuldigung für den Oster-Lockdown hat sie sich Gehör in der Bevölkerung verschafft. 19/x
Durch die Angriffe auf die eigenen Parteileute, hat sie überparteiliche Autorität aufgebaut und diese dann genutzt, um alle Ministerpräsident:innen unter Druck zu setzen. 20/x
Der Fachbegriff in der Politikwissenschaft für diese Strategie nennt sich "Kanzlerdemokratie". Steuerung außerhalb der üblichen Verfahren schlicht durch öffentliche Autorität. 21/x
Das Gegenteil der "Kanzlerdemokratie" ist die "Koordinationsdemokratie", für die Merkel lange stand. Jetzt, da sie mit der Koordination aller Beteiligten nicht mehr weiterkommt, greift sie auf das Mittel der Kanzlerautorität zurück. 22/x
Dass sie das macht ist nicht neu. Kanzler haben schon immer, wenn sie intern Macht eingebüßt haben, dieses Mittel genutzt. 23/x
Am stärksten sicherlich Gerhard Schröder bei der Durchsetzung seiner Agenda 2010. Merkel musste diesen Weg 16 Jahre lang nicht beschreiten, aber jetzt ist es soweit:
Die Kanzlerin spricht vor dem Volk zu anderen politischen Akteuren.
Alles in allem: Höchst spannend! 24/ENDE
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Gegen einen chronisch lügenden Populisten wie Trump hilft keine sachliche Argumentationsstrategie. Im Kampf gegen derartige Populisten hilft nur, kommunikativen Raum klein zu machen.
Genau darin könnte nun das Momentum der Demokraten liegen. Ein 🧵1/9
Kamala Harris hat ein Momentum. Sie löst im progressiven Lager aktuell ein Gefühl der Erlösung vom erstarrten Duell der beiden alten Männer aus.
Diese Neuigkeit blockiert jetzt für wenige Tage den kommunikativen Raum für Trump. Es geht aktuell nicht um ihn. 2/9
Weil im Gespräch zu sein, Trumps Währung ist, wird er jetzt eine Gerüchte- und Lügenwelle gegen Harris starten. Wenn sie dabei nicht schweren Image-Schaden nehmen will, brauchen die Demokraten eine Strategie, die Agenda zu blockieren mit News, die Trump übertreffen. 3/9
Warum funktioniert die Kommunikation von #Kanzler #Scholz zur #Augenklappe so gut?
- Eine kurze Einführung in die PR-Strategie. 1/9
Oft denken Leute, die Werbung im TV und auf Plakaten wäre schon eine Kampagne. Das aber ist zu kurz gegriffen. Überzeugung entsteht nämlich vor allem in der Anschlusskommunikation und nicht durch ein Bild allein. 2/9
Das heißt konkret: Der Auslöser des Meinungswechsels ist nicht die mediale Botschaft, sondern passiert im Gespräch mit Freunden über die mediale Botschaft.
Das heißt, wer Meinungen ändern will, muss Tischgespräch werden. 3/9
Diejenigen, die Desinformation betreiben, haben (vor allem seit Corona) einen eigenen Kommunikationsstil entwickelt.
Es handelt sich um Wissenschaftssimulation durch massenhafte Pseudo-Belege.
Das funktioniert so: 1/18
Während der Wissenschaftsjournalismus versucht mit neuen Formaten wissenschaftliche Erkenntnisse und Zusammenhänge unterhaltsamer zu erklären und zugänglich zu machen, fahren Desinformanten immer häufiger eine gegenteilige Strategie. 2/18
Threads & Postings mit dem Ziel der Desinformation verlinken mittlerweile auffällig häufig auf „Quellen“.
Ein Desinformationsthread hier auf Twitter hat häufig genug in jedem Einzeltweet einen „Beleg“. 3/18
mit den schwäbischen Landsleuten unter meinen Studierenden habe ich mir überlegt, wie man Euch erklären kann, dass Homöopathie nicht über den Placebo-Effekt hinaus wirkt.
Hier das Ergebnis:
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Wenn Du Deinen Daimler homöopathisch tanken willst, dann musst Du einen Tropfen Benzin in 100.000 Liter Wasser geben, das Ganze schütteln und mehrfach auf den Tisch hauen.
Dann hast Du homöopathischen Sprit potenziert. 2/5
Das tankst Du in Deinen Daimler vor den Augen deines Nachbarn, der Ingenieur beim Daimler ist und dich völlig entsetzt versucht zu informieren, dass das eine ganz, ganz, ganz dumme Idee ist.
Ignoriere ihn, der ist nämlich nur "Schulingenieur"! 3/5
Die Plattform des Bundes zur Auszahlung der 200 Euro an Studierende hat einen Warteraum, in dem man als Studi warten muss, bevor man seinen Code in ein Eingabefeld eingeben darf.
Wie Behörde kann das Internet?
- Die Bundesbildungsministerin: Ja.
Ganz liebe Grüße gehen raus an alle Studierenden:
Wahlplakate über Digitalisierung sind kein Hinweis auf Digitalisierungskompetenz.
Ich gebe zu, ich fand den Warteraum absurd. Aber was ich mit unserem studentischen Mitarbeiter gerade miterleben darf, ist wirklich eine spektakuläre Schrott-Erfahrung mit der Digitalisierung des deutschen Staats.
Mon dieu!
Herzliches Mitleid mit allen Studierenden heute.
Zwei Grafiken aus dem aktuellen ARD-Deutschlandtrend reichen aus, um das gesamte politische Dilemma der #FDP zu erklären und das Verhalten von Wolfgang #Kubicki gleich mit dazu.
Eine politische Analyse als 🧵 1/14
Die FDP verbindet in ihrer eigenen Wählerschaft unvereinbare Gegensätze. Solange sie in der Opposition ist gelingt es ihr gut, kommunikativ diese beiden Gruppen zusammenzuhalten. Tritt sie in eine Regierung ein, fallen die Gegensätze auseinander. 2/14
Das ist kein neuer Trend. Westerwelle gelang es mit dieser Strategie 2009 unvereinbare Gruppen miteinander zu verbinden. Die FDP schaffte 14,6 Prozent aus der Opposition heraus, weil sie sowohl von Business-Eliten als auch vom aufstiegsorientierten Prekariat gewählt wurde. 3/14