Puh. Also die Sache da vorhin, hat mich wirklich belastet. Belastet mich weiter. Gerade weil ich weiß, dass mir in der jüngeren Vergangenheit viele Leute neu gefolgt sind, weil sie mögen was ich schreibe, wie ich schreibe oder meine Analysen.
Auch einige Menschen aus der Pflege folgen mir neu, weil ich während den letzten 14 Monaten versucht habe, ihre Stimmen zu verstärken und weil es danach aussieht, als stünden wir auf der gleichen Seite.
Was wir - von meiner Seite aus - tun.
Das das nicht unbedingt in beide Seiten so ist, habe ich heute gemerkt.
Daher ein paar Tweets dazu.
Was war passiert?

Ich hatte zu Elon Musk getwittert, seinem Autismus-Coming-Out und dazu, dass die Verhaltensweisen, von denen er behauptet, er zeige sie, weil er Autist sei, keine Merkmale von Autismus sind. Sondern Merkmale einer priviligierten, weißen, wohlhabenden Existenz.
Daraufhin kam eine Reaktion im Sinne von "Musk leistet sich autistisches Verhalten, weil er reich ist".
Es sollte witzig sein.
Problem dabei:
1. Es war nicht witzig, sondern wurde damit genau die Aussage meines Tweets unterlaufen.
Nämlich, dass Autisten keine rücksichtslosen Arschlöcher sind.
Was die Reply daraus machte: Weil der Mann reich ist, kann er sich erlauben sich wie ein rücksichtsloser Autist zu verhalten.
Es wurde eines der schlimmsten, hartnäckigsten Stereotype über Autisten geäußert und als witzig verpackt.

2. Die Aussage kam von einem Account, der allem Anschein nach einer Person aus der Pflege gehört.
Nach den ersten angefressenen Reaktionen kam die verwunderte Nachfrage, wo sie denn hier hineingeraten sei. Auf meine Antwort "Unter Autisten" folgte der Block.
Ich finde Blocks prinzipiell gut. Man ignoriert sich in Zukunft. Man kann nicht miteinander. Okay.
Ich weiß natürlich auch nicht warum genau geblockt wurde.
Aber für mich sieht es danach aus, und es fühlt sich so an, als würde geblockt, weil man auf einmal merkte, man ist nicht mehr "unter sich".
Und genau da liegt mein Problem.
Solange ich interessante Sachen schreibe, interessante Analysen liefere, gehöre ich dazu. Werde wahrgenommen.
Und man redet mit mir, als wäre man "unter sich".
Dann wird auf einmal klar, dass ich nicht 'dazu' gehöre.
Und dann arrangieren sich in den Köpfen Dinge neu. Spürbar.

Ich hatte das schon mal im RL, bei einer Frau, die mich für ihre Angebote für Hochbegabte anwerben wollte.
Nach einer halben Stunde angeregter Unterhaltung fragte ich, ob es auch Angebote für hochbegabte Autisten gäbe
Und erwähnte dabei auch meine eigene Diagnose.

Ich habe es weder vorher und noch hinterher je wieder so direkt erlebt, das jemand physisch von mir weggerückt ist (wir saßen nebeneinander), auf Distanz ging und etwas von 'schwerer Störung' und 'nein gibt es nicht' faselte.
Eine ausgebildete Psychologin, nebenbei.

Das ist das Problem, mit der Pflege, mit allen Menschen die "mit" Autisten oder Menschen mit Behinderungen arbeiten. Wir werden für sie zu "den anderen".
Zu denen, die ihren Arbeitsalltag durcheinanderbringen oder zu denen, die ihr Arbeitsalltag sind. Weil wir Hilfe brauchen und uns das zu unterlegenen, unfertigen, schwierigen und einfach 'anderen' Wesen macht.
Wir sind der Arbeitsinhalt und nicht Partner.
Eine Bekannte erzählte mal von einer Ferienfreizeit, bei der sie in die Küche ging um sich mit ihrem Betreuer zu unterhalten. Anwesend waren andere Betreuer und sie wurde hinauskomplimentiert, weil man wollte 'unter sich' reden.
Stellt euch das mal in anderen Bereichen vor. Z.B. der IT. Dort machen die Kunden _immer_ Probleme, sie haben unrealistische Vorstellungen, wollen Dinge gestern realisiert haben, schreiben keine gescheiten Lastenhefte etc etc.
Aber nun stellt euch das IT-Unternehmen vor, dass den Kunden, wenn er zu einem Gespräch vorbeikommt, abweist weil 'man will unter sich reden'.

Klingt komisch? Ist es auch.
Ich spüre in Momenten, wie dem heute, was Menschen wirklich denken, sobald sie nicht nur die Frau kennen, die Dinge schreibt, die sie gerne lesen oder die gut analysiert.
Wenn auf einmal klar wird, dass das alles von einer Autistin kommt.
Dann fällt auf einmal alles weg. Alles was ich leiste, was ich bin, was ich kann, es schrumpft zusammen und verschwindet im Abfluss.

Übrig bleibt "das Problem". "Die Andere". Die, die nicht mehr dazu gehört, wenn man 'unter sich' redet.
Und das ist ein wahnsinniges Problem.
Weil es zeigt, dass ich, dass wir nicht als vollwertige Mitmenschen wahrgenommen werden. Dass man uns nicht im gleichen Maße ernst nimmt.
Das eben auch gerade von Menschen, die in der Pflege, in der Medizin arbeiten. Die glauben, Kraft ihrer Ausbildung wüssten sie mehr über uns als wir selbst. Wüssten, wer wir wirklich sind.
Und, dass man uns nicht ernst nehmen muss. Jedenfalls nicht so ernst wie alle anderen.
Das ist ein riesiges, wahnsinniges Problem. Weil ich weiß, dass ich nur als intelligente, fähige Frau wahrgenommen werde, solange mein Gegenüber mich nicht auch als Autistin wahrnimmt.
Und das all meine Intelligenz, meine Erfahrung, meine Fähigkeiten dann auf einmal nichts mehr zählen, nichts mehr wert sind. Weil: presumed incompetence.
So als würde ich all das, was ich leiste, nur faken. Und in Wirklichkeit ist da aber nur ein Pflegling.
Diese Reaktionen sitzen in Menschen in helfenden Berufen tief drin. Teils, weil 'helfen' schon fehlende Augenhöhe impliziert. Denn einer braucht Hilfe und einer gibt sie. Teils, weil unsere Systeme wirklich tiefgreifend und strukturell Behindertenfeindlich sind.
Und das wiederrum wird nur selten von denen reflektiert oder wahrgenommen, die im System stecken.

Aber uns bringt es in Gefahr. Manchmal sogar in Lebensgefahr.
Weil dieses Wegfallen, von allem was wir sind, allem was wir können, allem was wir sein könnten, das uns auf unsere Behinderung, auf den empfundenen Mangel zu reduzieren, nimmt uns Menschlichkeit.
Es lässt uns vielen als wertloser erscheinen, seien wir ehrlich.
Und das senkt die Schwelle, für Taten wie in Potsdam.

Es bringt uns auch dann in Gefahr, wenn wir nicht in Einrichtungen leben. Schon wenn wir uns nur ins Krankenhaus oder in Behandlung begeben müssen.
Weil die Wahrscheinlichkeit, dass wir nicht ernst genommen werden steigt.
Damit auch die Wahrscheinlichkeit, dass nicht oder zu spät auf Dinge reagiert wird, die wir äußern. Dass wir entweder traumatisieren (und in der Folge Behandlungen vermeiden) oder falsch oder zu spät behandelt werden.
Jetzt zu sagen, Pflegende oder Medizinier sollten sich bitte vorstellen, dass die behinderte Person die sie vor sich haben, die sein könnte, deren Klavierspiel sie auf CD lauschten oder deren Animationen sie im Film toll fanden, wäre der falsche Ansatz.
Auch wenn es wahr ist. Hinter dem anscheinenden "Problem" steckt oftmals viel mehr.

Aber wir sind auch dann volle Menschen, mit Erfahrungen, Können, Wissen, wenn wir nichts Besonderes leisten.

Nehmt uns als solche wahr.

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