Was für eine tolle Sendung mit Hans Jessen und @RicardoLange4 Lange bei @TiloJung&naiv.
Ricardo hat meine Fragen sehr kompetent und empathisch beantwortet. Hier eine kleine Zusammenfassung, was mich interessierte:

1. Ich fragte nach der Situation der Angehörigen, wie diese
1/
betreut werden können, wenn die Patienten hochinfektiös schwerstkrank oder sterbend auf einer ITS liegen. Ricardo berichtete, wie befremdlich und belastend diese Situation ist. Falls Angehörige sich verabschieden können, geschieht das in Schutzkleidung und der künstlichen
2/
Situation einer Intensivstation. Die Begleitung der Angehörigen geschieht telefonisch (so werden auch Behandlung und Zustand besprochen) im Spagat mit der Versorgung der Patienten. Es gibt manchmal Krankenhausseelsorger oder Psychologen, die betreuen können, das ist aber nicht
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in allen Kliniken vorgehalten. Die Begleitung der Angehörigen ist zusätzlich emotional belastend.

2. Die Patienten auf den Intensivstationen stammen inzwischen mehr und mehr aus meiner Generation, also der Generation mit minderjährigen Kindern. Ich wollte von Ricardo wissen,
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wie das ist, wenn Kinder wissen, ihre Mama/ihr Papa liegt dort schwerst-lebensbedrohlich krank. Er berichtet von einem Fall einer Frau, Mitte 50, die zwar beatmet werden musste, aber angemessen stabil erschien. Sie verschlechterte sich plötzlich und sehr unerwartet - das war
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für die Kinder sehr schwierig und auch für die Ärzte und Pflegekräfte eine besondere Herausforderung. Solche Situationen gehen nicht spurlos an ihm vorbei.

3. Meine letzte Frage bezog sich auf die Verarbeitungs- und Begleitungsmöglichkeiten der Pflegekräfte, die sich in einer
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Dauer-Hochstress-Situation befinden. Ich wollte wissen, ob es Supervison/Kollegiale Beratung o.ä. gibt. Ricardo berichtete, dass es keinen Standard dafür gibt. Er hat das Glück, sich mit Kolleg:innen gut zu verstehen, so dass man sich gegenseitig stützen kann. Manchmal gibt es
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Seelsorger. Im Grunde trägt aber jeder das Erlebte und die enorme Belastung in sich mit nach Hause. Sehr emotional berichtet er von einem furchtbaren Tag, an dem er seinen erkrankten Hund nicht begleiten konnte, weil er im Dienst nachgegeben und den Dienst angetreten hat -
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während sein Hund verstarb. Er versorgte doppelt so viele Patienten als es eigentlich vorgesehen war. Diese Situation war einfach zu viel.
Besonders bewusst wurde ihm die Hochstress-Belastung, als er die vierteilige Reihe der Covid-19-Station der Charité anschaute und SAH,
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was er selbst jeden Tag erlebt und aushält, ohne dass ihm die Wirkung auf die eigene Psyche bewusst ist.

Mich hat sein Bericht (und alle Aspekte in der Sendung) sehr beeindruckt und bewegt.
Wir werden nach der Pandemie (wann auch immer wir "nach" sagen können) noch Jahre
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mit den psychischen Folgen der Pandemie zu beschäftigen haben. In der Bevölkerung und vor allem bei den Menschen wie Ricardo, die so nah an den Patienten dran sind, wie niemand sonst und die viel zu wenig begleitet sind und zu wenig Entlastungsmöglichkeiten haben. Regelmäßige
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Supervision/Kollegiale Beratung/Krisenitervention o.ä. würden die Belastungen abfedern und verhindern, dass zuviel unbewusst mitgeschleppt wird. Dafür bräuchte es Geld, Zeit und Personal. Ob wir aus der Pandemie lernen werden, dass Pflegekräfte mehr sind als "Roboter"?
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Die Angehörigen von Verstorbenen, insbesondere Kinder oder Familien, in denen Eltern(teile) unter LongCovid leiden und die Versorgung nicht leisten können, erleiden Langzeitschäden in der Seele. Auch genesene Patienten, die intensivpflichtig waren, tragen mit ihren Familie
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eine Traumatisierung mit. Hier werden wir noch lange nacharbeiten müssen, es bedarf Sozialarbeitern/Sozialpädagogen/Psychologen, es bedarf Therapieplätze. Aber an erster Stelle bedarf es der öffentlichen Aufmerksamkeit.
Wir dürfen die Folgen der Pandemie nicht hinter unserer
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aufgeregten Maßnahmen- und Lockerungsdiskussion verstecken, weil sie uns verunsichert und Angst machen, weil wir nicht wissen, wie wir damit umgehen sollen. Die Pandemie bewirkt diese Folgen. Bei den Ärzten und Pflegekräften, bei den Patienten, bei den Angehörigen, bei den
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KINDERN.
Mir war es wichtig, das heute mit einem Menschen zu besprechen, der "mitten in der Pandemie steht" und ihr nicht ausweichen kann.

Danke @RicardoLange4 für die Offenheit. Das ist unschätzbar wichtig. Danke Hans Jessen für die empathische und geerdete Moderation.
16/16
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