Ich war mir bisher immer sehr sicher, dass #NoCovid (tiefe Fallzahlen, entschlossene Eindämmung) in allen Bereichen die beste Strategie gewesen wäre. Ich bin es immer noch, aber mit der wachsenden Durchimpfung werde ich es nicht mehr ewig bleiben. (1/14)
Der Grund, warum ich mich so früh und so eindeutig für eine Eindämmung der Pandemie eingesetzt und ausgesprochen hatte, war eine Gewissheit, die mir in den meisten anderen Fällen abgeht. Wieviel Markt? It depends. Wieviel Staat? Schwer zu sagen. (2/14)
Drogen legalisieren? Hmm. Nuklearenergie als Übergangslösung? Äääähm.
Aber Fallzahlen tief halten als höchste Priorität? JA. Wirtschaftlich, gesundheitlich, demokratisch – die Rundum-Gewinner der Pandemie sind die NoCovid-Demokratien. (3/14)
Das war abzusehen und ist wahr geblieben. Kleine Unsicherheiten gab es natürlich: ist NoCovid im eng vernetzten Europa möglich? Würde man die Bevölkerung überzeugen können? Der Versuch wäre es allemal wert gewesen. Unseren Weg kann man kaum als Erfolg bezeichnen. (4/14)
Jetzt ist die Ausgangslage besser als sich die Modellierer gedacht hatten, trotz #b117. Die Massnahmengegner:innen, die jetzt triumphierend lachen, haben natürlich keine bessere Erkenntnismaschine als die Wissenschaft anzubieten. (5/14)
Ja, die Wissenschaft lag falsch. Das lag zuerst mal daran, dass sie quantitative Szenarien liefert, die überprüft werden können. Welcher Schwurbler sagt: «ich denke, in 14 Tagen liegt die Inzidenz bei gleichbleibenden Massnahmen mit 70%-iger Wahrscheinlichkeit bei 200?». (6/14)
Eben. Jetzt, wo die Modellierungen falsch lagen, stehen Wissenschaftler:innen hin, erklären, erläutern, diskutieren. Wo ist das Gegenmodell dazu? Nirgends. Wissenschaft ist weit von perfekt, aber auch weit besser als alles andere, was im Angebot ist. (7/14)
Was meine Meinung betrifft: Mit jedem Tag, an dem weiter geimpft wird, ist die ethische Frage «wie sollen wir handeln?» weniger leicht zu beantworten. Entschlossene Eindämmung (am besten mit möglichst unschädlichen Massnahmen) ist noch immer win-win-win. (8/14)
Aber irgendwann wird der Punkt kommen, wo die Grundimmunität hoch ist in der Bevölkerung und Corona sich eher wie die Grippensaison anfühlen wird (die meisten Fachleute gehen davon aus, dass Sars-Cov-2 endemisch werden wird). (9/14)
Dann wird ein Moment kommen, wo wir die Massnahmen aufheben sollten. Die schädlichsten zuerst, die wirksamsten und unschädlichsten zuletzt. Über diesen Moment wird es keine so grosse Klarheit geben wie über den bisherigen Weg. (10/14)
Ab wievielen LongCovid-Patient:innen im Monat ist es gerechtfertigt, sämtliche Menschen dazu zu verpflichten, eine Maske zu tragen? Wie klein sollten wir das Infektionsgeschehen halten, um das Risiko von weiteren immune-escape-Varianten gering zu halten? Nicht einfach. (11/14)
Das ist auch der Grund, warum ich mit meinen Corona-Threads jetzt langsam etwas ausfaden werde. Bisher schien mir, dass ich zur Debatte etwas beitragen konnte. Wenn ich das in Zukunft weiter tun will, müsste ich sehr viel mehr recherchieren. (12/14)
Der entscheidende Faktor für den Herbst wird wohl sein, wieviele Menschen sich impfen lassen. So gerecht es sich für manche anhört, Impfgegner:innen ihrem Schicksal zu überlassen – sobald sie die Intensivstationen füllen, werden wir wieder handeln müssen. (13/14)
Das ist also ein kleines good-bye. Vielleicht mit einem letzten Anliegen: Andere werden weiterbrüllen, auch wenn’s kompliziert wird. Je freier sie von Zweifeln sind, desto weniger solltet ihr auf sie hören. À bientôt. Hoffentlich zu anderen Themen. (14/14)

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5 May
Kleine Rechenschafts-Übung: Hatte versprochen, meine Januar-Aussagen im März zu überprüfen. Ist Mai geworden. Kurz gefasst: hatte die Bereitschaft des Bundesrats für strengere Massnahmen unterschätzt und B117 etwas überschätzt (aber nicht seine Dominanz). (1/11)
Nach meinem Januar-Rant («b117 wird sich in der Schweiz ausbreiten, in ein paar Wochen den grössten Teil der Infektionen ausmachen und eine dritte Welle verursachen, die die bisherigen zwei Wellen in den Schatten stellt.») hat der Bundesrat Massnahmen deutlich verschärft. (2/11)
Das kam spät, hat unnötige Tote und Schwerkranke verursacht, aber war trotzdem eine erfreuliche Nachricht für mich. Die Verschärfungen haben die b117-Welle wohl deutlich verlangsamt und nach hinten geschoben. Dadurch war auch meine Vorhersage falsch. (3/11)
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5 Feb
Die Covid-Impfstoffe sind unfassbar gut. Von 30'000 Probanden, die mit Pfizer/Biontech oder Moderna geimpft wurden, ist 1 einzige Person schwer erkrankt (mit der denkbar mildesten Form von schwer). In der Placebo-Gruppe waren es 39 Personen.
Thread (1/12)
Auch gegen die neuen Varianten bieten die Impfungen vermutlich einen guten Schutz. Wenn der extrem hohe Schutz etwas vermindert ist, dann ist es immer noch ein hoher Schutz. Wenn es irgendeinen medizinischen Jackpot gibt, dann ist das einer. (2/12)
Guter Podcast dazu: nytimes.com/2021/02/02/opi… (3/12)
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2 Jan
Ich konnte es im März irgendwie verstehen. Niemand von uns hatte je eine Pandemie erlebt. Das Leben einzufrieren schien surreal, wer würde das verstehen? Irgendwann hat die Welt (und am Ende schliesslich auch der Bundesrat) es doch noch getan. Glücklicherweise. (1/15)
Weil absehbar war, was sonst kommen würde.
Was jetzt geschieht, kann ich nicht mehr verstehen. Jeder von uns hat bereits eine Pandemie erlebt. Wir hatten fast ein Jahr Zeit zu lernen, Rezepte zu finden, die funktionieren (Taiwan, Südkorea, Neuseeland, Taiwan, Taiwan, (2/15)
Taiwan), uns bei den Epidemiologinnen zu entschuldigen, die von Anfang an gewarnt hatten (@C_Althaus , @EckerleIsabella u.a.) und uns auf weitere Entwicklungen vorzubereiten. Und diesmal verpassen wir es auf noch fatalere Weise. Dabei ist wieder absehbar, (3/15)
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