Thread by @pavel23

Ein Thread zu Schulen und Bildung. Warum ist bei uns eigentlich nicht das gesamte Bildungsangebot im Internet abrufbar? Der Stoff von der 1. bis zu 13. Klasse, der Stoff aller Berufsschulen, und sämtliche Vorlesungen aller deutschen Hochschulstudiengänge?

Mit Videoaufzeichnungen, Kursmaterial, Prüfungsaufgaben und Lösungen, und Foren, wo man sich dazu austauschen kann. Mit Online-Compute-Ressourcen und Simulatoren, die man für simulierte Experimente nutzen kann.

Im Prinzip gibt es das alles bereits in Teilbereichen, Stanford und MIT, khanacademy.org, wikiversity, brilliant.org, skillshare.com, um nur einige zu nennen. Manche sind kostenlos, manche kosten, das meiste ist nur englischsprachig.

Wenn ihr Empfehlungen für gute Online-Learning-Ressourcen habt, immer her damit.

Wir geben fast 150 Mrd. Euro für Bildung aus, aber selbst 25 Jahre nachdem das Internet ausgebrochen ist in die weite Welt, scheint es in unserem Bildungssystem noch immer ein Fremdkörper zu sein.

Eigentlich müsste unser Bildungssystem längst weitgehend mit dem Internet verzahnt und über das Internet zugänglich sein. Kostenlos.

Natürlich kann Wissensvermittlung mit physischer Präsenz eines Lehrenden manche Dinge besser leisten, aber nur, wenn es nicht zu viele Schüler gibt und der Lehrende gut ist. Und man bleibt eher bei der Stange, wenn man schon mal vor Ort ist.

Ich halte aber einen guten Online-Kurs für besser als einen schlechten Lehrer in Präsenz, und Vorlesungen mit hunderten Studenten im Audimax sind praktisch wie remote online.

Ziel für Präsenzunterricht sollte ein Schüler-Lehrer Verhältnis von 1:1 sein. Statt dass 10 Schüler 30 Stunden mit einem Lehrer verbringen, könnte ein Lehrer 3 Stunden mit jedem Schüler allein verbringen - oder irgendetwas zwischen den Extremen.

Den Rest der Zeit lernen Schüler medial an Computern oder dürfen frei in den Laboren der Schule experimentieren. Mit 14 Jahren hatte ich mir mit zwei Freunden nächtlichen Zugang zur Physiksammlung eines anderen Gymnasium verschafft, und wir haben im Laufe der Zeit mit...

...hunderten von Geräten und Versuchsaufbauten herumgespielt, Laser-Interferenz und Hologrammen, Pendeln, Mechanik, Elektronik, Radioaktivität, Quecksilber, Vakuum, Hochspannung, Elektronen- und Röntgenstrahlen, und wir sind nicht erblindet, verstrahlt, elektrokutiert oder ...

...vergiftet worden und haben auch nichts kaputt gemacht. Na ja, fast nichts. Ich erwähne das hier, weil ich damals zum ersten Mal die Erfahrung gemacht hatte, wie geil Physik ohne Lehrer sein kann, wenn man nicht wie ein dummes Kind behandelt wird

Und nachdem ich gesehen hatte, was da in der Physiksammlung so alles an Spielzeug lagerte, war ich empört, dass ich wohl 95% davon im Unterricht niemals würde zu sehen bekommen, und so war es auch.

Und wenn wir schon dabei sind: Im Sportunterricht fehlten lauter interessante Sportarten, natürlich all die, die individuelle Ausrüstung, viel Platz oder Geld brauchen, Skateboarding, Rollerskating/blading, Reiten, Skifahren, Tennis, ...

...Wind- und Kitesurfen, Segeln, Tauchen, Fliegen, Boxen, Fallschirmspringen, Schach, Eishockey, Klettern, Schießsport, Kung-Fu, Rudern, Radsport, Motorsport, E-Sport, das sind so die Dinge, die mich interessiert haben...

...und zu denen ich mir irgendwann Zugang verschafft und darin sehr unterschiedliche Grade an Kompetenz erworben habe - von rudimentär bis Platz 4 in einer Berlin-Brandenburger Landesmeisterschaft.

Bei manchen Sportarten musste ich feststellen, dass ich damit hätte früher beginnen müssen und besseres Training gebraucht hätte, um den Grad an Meisterschaft zu erreichen, es motiviert weiter zu betreiben, ...

...und für manches fehlte irgendwann Zeit, Geld oder Mut. Ja, das Leben ist kein Wunschkonzert, und ich kann mich glücklich schätzen, all die Erfahrungen gemacht haben zu dürfen, und einiges davon gilt als Reiche-Leute-Sport, aber genau genommen ist nichts davon so exklusiv,...

... dass es nicht auch von Normalverdienern oder Jugendlichen betrieben würde, aber oft unter großen Opfern, und es dürfte viele Leute und Kinder geben, die aus Mangel an Geld oder Gelegenheit praktisch davon ausgeschlossen sind.

Und ich hätte jetzt auch nicht erwartet, dass all die oben aufgezählten Sportarten Teil des Schulunterrichts wären, aber es gab nicht *eine* einzige dieser Sportarten im Angebot, und was im Angebot war, war unattraktiv oder wurde sehr schlecht vermittelt, wie Fußball.

Es lassen sich sicher für jede aufgezählte Sportart Schulen finden, die ein oder mehrere davon anbieten, aber natürlich wäre es nicht praktikabel, dass jede Schule alles anbietet. Es gäbe aber eine, wie ich finde, sehr elegante Lösung:

Schule sollte Sport generell in Zusammenarbeit mit Sportvereinen anbieten, wo Gerät und Trainerkompetenz vorhanden ist, und Vereine könnten mit Mitteln aus dem Bildungsetat vergrößert und besser ausgestattet werden - zum Nutzen der gesamten Bevölkerung.

Jeder Schüler könnte überall mal hineinschnuppern, es könnten Grundkenntnisse vermittelt werden, und wenn es einem liegt, kann man am Vereinssport teilnehmen, der dann als Teil des Sportunterrichts gilt. Gibt es bestimmt auch irgendwo in Ansätzen, aber wohl kaum allgemein.

In der Schule kann es ja immer noch Leibesübungen und Mannschaftssport geben, aber vor allem sollte es in jeder höheren Schule ein jederzeit zugängliches Fittnessstudio geben, in dem vor und nach dem Unterricht und in Freistunden Kraft und Ausdauer trainiert werden können.

Und eines noch: Warum lernt eigentlich nicht jeder Schüler mindestens ein Musikinstrument? Was ist das eigentlich für ein Musikunterricht, in dem man nicht musizieren lernt?

Bildung und Schule könnten so viel geiler und besser sein, wenn der Wille da wäre.