In weniger als vier Monaten wird also der Bundestag gewählt und die Union hat noch immer kein Wahlprogramm. Dafür finden alle CDU-Politiker grundsätzlich doof, was die Grünen machen wollen. Nur kann niemand genau sagen, was die Union besser machen würde, weil kein Wahlprogramm.
Nur so viel: Annalena Baerbock ist doof. Sagen alle. Wegen Art, Aussehen, Frau, Mutter, Erfahrungsmangel, Haltung. Außerdem hat sie mit diktatorischen Mitteln alle Medien auf ihre Seite gebracht, was unfair ist. Besonders gegenüber der Union. Die würde so etwas niemals machen.
Nur ganz wenige Medien berichten nun also kritisch über die Grünen und über die Nebeneinkünfte von Baerbock und die Ukraine-Äußerungen von Habeck. Und mit ganz wenigen sind natürlich ausnahmslos alle gemeint.
Währenddessen hadert die Union mit Korruption und Rechtsradikalen. Heute erst hat sich der Generalsekretär der CDU von der WerteUnion distanziert. Von der hat sich auch Hans-Georg Maaßen distanziert. Von dem wiederum haben sich andere CDU-Politiker distanziert.
Manche distanzieren sich nicht nur, sondern verlassen gar nach Jahrzehnten der Mitgliedschaft die Partei.
Um der Korruption und dem Rechtsradikalismus die geballte Glaubwürdigkeit entgegen zu setzen, hat nun Parteichef Armin Laschet den Jungspund Friedrich Merz ins Team geholt.
Merz wollte vor 20 Jahren mal die "Deutsche Leitkultur" zum Wahlkampfthema machen. Es ist gut möglich, dass er dieses Mal damit sogar die Wahl gewinnt. Für die AfD. Nicht für die CDU. Wobei böse Zungen behaupten, dass es mancherorts auch keinen Unterschied mehr mache.
Währenddessen freut sich Bundesminister Peter Altmaier, dass das Bundesverfassungsgericht ihm in Sachen Klimagesetzgebung die Hose ausgezogen hat. Altmaier ist derjenige, der sich über Jahre hinweg in Sachen Windkraft upsidupsi ein bisserl verrechnet hat.
Altmaier ist auch derjenige, der in Sachen Braunkohleabbau eine Studie zurückhalten ließ, mit deren Ergebnissen man die Umsiedelung ganzer Dörfer hätte verhindern können.
Solche Sachen. Immerhin hat er wenigstens nichts mit dem Wirecard-Skandal zu tun.
Altmaier ist auch derjenige, der mit äußerst fragwürdigen Berechnungen die Entschädigung für Kohlekonzerne auf 4,35 Milliarden Euro taxierte. Auf Fragen, wie man auf diese Summe käme, antwortet Altmeier nicht. Die Berechnungen sind geheim.
Dafür bezieht die Union nun härteste Stellung, was den "importierten Antisemitismus" in Deutschland betrifft. Wobei es den Herrschaften nicht wirklich um Antisemitismus geht, sondern um den "Antisemitismus der Anderen". Wichtiger Unterschied.
Man wundert sich fast ein wenig, dass dieselbe CDU, die eine "systematische Zerstören von Nationalgefühl und Vaterlandsliebe" beklagte, weil Historiker öffentlich über die Verbrechen der Wehrmacht diskutieren wollten, nun so engagiert scheint.
Währenddessen zieht Stephan Kramer in Thüringen seine Bundestagskandidatur für die SPD zurück, weil die Bedrohung durch den nicht-importierten Antisemitismus derart groß geworden ist, dass er und seine Familie das Risiko nicht mehr verantworten konnten.
Darüber hört man erstaunlich wenig vonseiten der CDU und ihrer Presseorgane BILD und WELT. Keine Sondersendungen, keine Titelseiten, keine kraftmeierischen Statements. Es scheint also darauf anzukommen WER den Antisemitismus begeht. Antisemitismus-Identitätspolitik sozusagen.
Wie die CDU mit alledem umgehen möchte, würde ich gerne in ihrem Wahlprogramm nachlesen. Welchen Plan hat sie, um den politischen Extremismus zu bekämpfen? Den Klimawandel aufzuhalten? Die Korruption einzudämmen? Das Gesundheitssystem zu reformieren? Das alles wüsste ich gern.
Stattdessen sitzen die Generalsekretäre von CDU und CSU im Situation Room für Senioren und tüfteln an Schmutzkampagnen gegen die Grünen. Nein, kein Scherz. Ernsthaft. Die versuchen gerade den Wahlkampf von Donald Trump zu kopieren. Donald Trump.
Ein wenig anders macht es der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt. Der baut einem Wahlsieg der AfD dadurch vor, dass er für einen solchen Fall die Corona-Schutzmaßnahmen in Stelllung bringt - und natürlich "die Gendersprache".
Was wahnsinnig lustig ist, weil kein Mensch links der Mitte die geschlechtergerechte Sprache derart häufig und prominent zum Thema macht wie Rechte. Beinahe täglich wird vonseiten der CDU, von WELT, BILD, NZZ, Tichys Einblick und Konsorten über den "Gender-Irrsinn" berichtet.
Was allerdings fehlt: Ein Wahlprogramm. Ein Grund, warum man die CDU wählen sollte. Außer eben, weil ihre Politiker:innen bei Pressetexten nicht gendern werden. Aber das ist, sagen wir mal so, ein bisschen knapp für die Bundesregierung der größten Volkswirtschaft in Europa.
Aber vielleicht ist das auch die Erkenntnis, die sich aus alledem ableitet. Die CDU weiß selbst nicht wofür sie steht. Außer, dass sie Rechtsextreme nicht bekämpfen wird. Dass sie Korruption nicht bekämpfen wird. Dass sie den Klimawandel nicht bekämpfen wird.
Ihr ist offensichtlich die Gesundheit der Menschen in diesem Land egal. Sie enteignet kaltblütig ganze Dörfer und schmeißt ohne Not Beratern und Konzernen Milliarden Euro hinterher. Ihre Interessen gelten eingehenden Parteispenden, nicht den Bürger:innen in diesem Land.
Der CDU ist einfach alles egal.
Und das wiederum ist vielleicht alles an Wahlprogramm, was nötig ist, um am 26. September 2021 eine Entscheidung zu treffen.
• • •
Missing some Tweet in this thread? You can try to
force a refresh
Zwei Sätze zu Lukaschenko, Belarus und Protasevich.
Diejenigen, die gerade über "Staatsterror", "Flugzeugentführung", "Terrorismus" und ähnliches twittern, haben Recht. Vielleicht nicht Alle und möglicherweise nicht immer. Aber das Allermeiste ist richtig und angemessen.
/1
Was gerade in Belarus unter der Herrschaft eines Diktators passiert ist eine weitere inakzeptable Grenzüberschreitung. Seit Jahrzehnten werden die Menschen in Belarus unterdrückt. Ihnen wird ihre Freiheit genommen und ihr Wunsch nach Demokratie wird blutig niedergeschlagen.
/2
Deutschland und die EU haben nun die Aufgabe jede Art von Sanktion gegen die Machthaber zu überprüfen und diplomatische Wege auszuloten, um das Leben der Regimegegner zu retten.
Wer dort aufbegehrt wird gefoltert und getötet. Und das Mitten in Europa.
/3
Weil sich gerade alle Welt über Lukaschenko und die Umleitung eines Flugzeuges über dem belarussischen Luftraum erregt, möchte ich gerne an diesen Vorfall erinnern.
Wer mag, kann mir ja mal den Unterschied erklären.
Wer die Einwanderung in dieses Land für eine „orchestrierte Maßnahme“ hält, die der „Zersetzung unserer Gesellschaften“ diene, als „Teil einer perfiden Strategie, zu der auch die „Auflösung familiärer und lokaler Zusammenhalte“, die „Entwurzelung“ von Menschen …“
"Das Leben von Jüdinnen und Juden in diesem Land ist gefährdet. Und auch wenn wir es nicht wahrhaben wollen, scheitern wir als Gesellschaft regelmäßig daran, das Leben und die körperliche Unversehrtheit unserer jüdischen Mitmenschen zu schützen.
/1
Solange jüdische Kinder in Hochsicherheitsgebäuden zur Schule gehen müssen, solange nicht die deutsche Polizei, sondern eine einfache Holztür den Schutz jüdischer Gemeindemitglieder gewährleistet, solange scheitern wir daran, das jüdische Leben in diesem Land zu schützen.
/2
Und solange wir den Antisemitismus in diesem Land nur dann anprangern, wenn er in unsere politische Agenda hineinpasst, wenn wir ihn zu rassistischen Kampagnen ummünzen, weil er Klicks bringt und Auflage, weil sich damit Wählerstimmen kaufen lassen, ...
/3
In derselben "Dalli Dalli"-Sendung saß auch Jürgen von der Lippe, der mir bei "hart aber fair" erzählt, dass man nichts mehr sagen dürfe, dass er mundtot gemacht würde. Dass das N-Wort wirklich nicht schlimm sei.
Schlimm sei vielmehr die "Cancel Culture". Schlimmschlimmschlimm.
Oder Wolfgang Thierse, der ebenfalls gecancelt wurde und nun in allen Talkshows sitzt. Für den das ZDF eigens öffentlich finanzierte Sondersendungen produziert, in denen er nun regelmäßig vor einer Gefahr für die Meinungsfreiheit warnen darf. Er. Wolfgang Thierse.
Geäußert haben sich mittlerweile (kein Scherz!) auch der Handballspieler Stefan Kretzschmer, die Eiskunstläuferin Kati Witt und (festhalten!) der Frontmann von Scooter, H.P. Baxxter. Allesamt warnen vor einer Verrohung des Diskurses und dass man nichts mehr sagen dürfe.