Ich habe mir diesen Film jetzt auch angeschaut (obwohl ich dafuer gecancelt wurde 🤪). Ich bin aber inhaltlich wenig begeistert. Denn ein wichtiger Aspekt der Sozialen Marktwirtschaft wurde nicht einmal angesprochen (hauchzart angedeutet, als ueber Gruendungen gesprochen wurde).
Und ist vielleicht auch kein Wunder beim doch ueberwiegend linken Cast deutscher Oekonomen, die diesen Aspekt der Sozialen Marktwirtschaft nie so richtig anerkennen wollten. Worum geht es?
Gleich zu Anfang wird das "Soziale" und "der Markt" im Begriff als immerwaehrendes Gegensatzpaar charakterisiert (von nahezu allen Interviewten), das es dann politisch zu vermitteln gelte: Egoismus versus Kooperation, etc. Das ist sicher EIN Aspekt an diesem komplexen Begriff.
Und damit das klar ist: ich bin fuer aktive Sozialpolitik, die ggf auch Marktergebnisse korrigiert. Ich bestreite diese antagonistische Beziehung zwischen Markt und Sozialem also nicht.
Es ist aber sowohl systematisch als auch dogmenhistorisch viel zu kurz gesprungen, denn die Idee der "Erfinder" der Sozialen Marktwirtschaft war immer auch, dass der wettbewerbliche (!) - darauf kommt es an - Markt selber eine QUELLE des Sozialen ist.
Fuer die "Gruendervaeter" war - gerade vor dem Hintergrund der Monopolwirtschaft des 3. Reiches und dessen Staatskapitalismus - eine wirksame Wettbewerbspolitik AUCH Sozialpolitik, weil sie Macht begrenzt und eben Aufstieg ermoeglicht (im Segment ueber die Gruender wird das
scheu angedeutet). Ein wettbewerblicher, anonymer Markt, auf dem gerade keine Kooperation stattfindet, ist eine Quelle von Sozialem, weil hier kaum Machtbeziehungen, die oft mit kooperativen Verhaeltnissen einhergehen, moeglich sind. Auf diesem Auge sind die linken Oekonomen
im Film vollkommen blind, wie ich finde. Und als weiterer offensichtlicher Aspekt kommt hinzu, dass eben historisch hauptsaechlich der Markt, manchmal sogar der nichtwettbewerbliche Markt, dafuer gesorgt hat, dass es den Wirtschaftssubjekten als KONSUMENTEN besser geht.
Menschen sind eben in der Regel nicht nur (ausgebeutete) Arbeitnehmer, sondern in erster Linie Konsumenten.
Diese Auslassung des zweiten Aspekts der Sozialen Marktwirtschaft ist folgenreich, denn sie erlaubt es den Interviewten (und den Filmemachern) nicht die Befuerworter der Sozialen Marktwirtschaft so beim Wort zu nehmen und zu kritisieren, wie es moeglich waere.
Es liesse sich dann naemlich kritisch die Frage stellen, was denn von den Sonntagsrednern mit Ludwig Erhard im Gepaeck wirklich getan wurde, damit der Wettbewerb funktioniert und Marktmacht begrenzt und abgebaut wird. Oder wurde nicht gerade zu viel Staatskapitalismus betrieben?
Zusammenfassung: eine theoretisch und dogmenhistorische richtige Erfassung des Begriffs "Soziale Marktwirtschaft" muss sowohl die antagonistische als auch die synergetische Beziehung der beiden Teilbegriffe mitdenken.
Im Speziellen waere ich sehr vorsichtig mit der Aussage von @BJMBraun . Er sagt, dass es den Fachkraeften in D vergleichsweise gut gehe, den anderen dagegen nicht. Was meint er damit? Eine Entwicklung ueber die Zeit? Vllt. hat er da Recht. Aber im Laendervergleich?
Geht es den Fachkraeften in Deutschland wirklich besser als Fachkraeften anderswo? Fuer Professoren der Oekonomik gilt das jedenfalls nicht, ich habe meine Zweifel fuer andere Fachkraefte. Und umgekehrt - wenn man arm ist, will man das nicht am ehesten in D sein?
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@PHuenermund@KaiGehring1@zirnass@JohnHMcWhorter@coldxman@Ayaan Darum geht es. Ignorieren sollst du gar nichts. Wobei ich schon zugebe, dass sich mein zugegebenermaßen auf Twitter beschränktes Engagement gegen Trump und seine GOP aus meiner Auseinandersetzung mit dem kolossalen Versagen des Bürgertums der Weimarer Republik speist.
@PHuenermund@KaiGehring1@zirnass@JohnHMcWhorter@coldxman@Ayaan Es ist für mich nach wie vor unbegreiflich, wie man glaubte, dass man Hitler wuerde zähmen können. Und ich finde das gerade deshalb beschämend, weil ich mich selbst als zutiefst bürgerlich mit oft konservativ-liberalen Werten sehe. Es tut fast so weh wie ein eigenes Versagen.
@PHuenermund@KaiGehring1@zirnass@JohnHMcWhorter@coldxman@Ayaan Und diese Denkfigur “meiner Leute” - notfalls mit Rechtsaußen verbinden weil: Commies - zieht sich leider durch die Geschichte des 20. und 21. Jahrhunderts. Meist natürlich weniger folgenreich wie Weimar, aber die intellektuelle Denkfigur ist oft da.
Besonders interessant fand ich den Abschnitt zu den politischen Temperamenten und in welchen Verhaeltnissen diese dann zu politischen Positionen stehen. In der Tat haette man sich gewuenscht, dass der Podcast noch weiter ginge. Er hoerte auf, als es so richtig spannend wurde.
Zwei Dinge: ich finde nicht, dass der Trumpismus gut mit Libertarismus beschrieben ist. Ja, es stimmt, dass einige Libertaere wie @SenRandPaul (wie libertaer der wirklich ist, ist noch mal ein anderes Thema) sich mit dem Trumpismus identifiziert haben.
Habe ich es zum ersten Mal, wenn auch nicht namentlich, zu @ZDFMarkusLanz geschafft, @MarcoBuschmann ? Da war von Oekonomen die Rede, die erst skeptisch gegenueber dem Investitionsprogramm der FDP waren, dann aber gesagt haetten, es koennte doch funktionieren...
Ja, das stimmt bei mir, aber ich wuerde trotzdem nicht von Multiplikatoren von 2-4 reden, 2 ist schon optimistisch. Das wirkt dann tatsaechlich irgendwann unserioes. Die Sendung war uebrigens insgesamt wieder mal sehr gut.
Anders als der Moderator fand ich gab es einiges an Gemeinsamkeiten zwischen FDP und Gruenen. Laut Juergen Trittin sind auch die Gruenen fuer eine marktwirtschaftliche CO2 Preisloesung mit sozialem Ausgleich. Hier schienen mir @MarcoBuschmann und @JTrittin sehr nahe beisammen.
Also, fasse mal die Diskussion auf #EconTwitter zusammen: es gibt gute ökonomische Gründe, Patente auch skeptisch, jedenfalls janusköpfig, zu sehen, aber “let’s screw over Big Pharma” ist kein guter Grund.
Interessanterweise ist das ja sozusagen ein Konflikt der auch innerhalb des Bereichs Effizienz / Freiheit ausgetragen wird, und nicht nur zwischen Effizienz / Freiheit und etwa Verteilungsdiskussionen (was die Linke mit der Big Pharma Diskussion wohl gerne hätte).
1) Georg Mascolo war grossartig. Er beschrieb neben dem Politikversagen beim Impfstoff noch einmal sehr schön, die deutsche Überlegenheitsgefühligkeitsgeschichte aus dem Frühjahr und Sommer, die jetzt so fatal ist.
2) Es war eine merkwürdige Sendung und ich kann selbst nicht ganz identifizieren warum. Vielleicht weil alle einfach müde sind? Dass irgend etwas mit der Sendung nicht stimmte, war auch das dominante Gefühl der Diskutanten bei @erik_fluegge auf Clubhouse.