Muster des Leistungssports sind mit Sicherheit keine Antwort auf Bildungsfragen. Aber jemandem beim Hinterfragen von selbstverständlichen Strukturen und beim engagierten Umdenken zuzuhören, bietet fruchtbare Denkweisen auch für Schule. 1/n @TTuchelofficial
Das Selbstverständnis von Tuchel beginnt mit Vertrauen (Zutrauen ohne Absicherung), das er als unerfahrener Trainer erhalten hat. Vielleicht kann jemand, der diesen Vorschuss selbst erfahren hat, ein wirkliches Teilen von Verantwortung besser zulassen (dazu unten mehr). 2/n
Nicht ganz zufällig setzt Tuchel über einen kulinarischen Kontext an: dem Schaffen einer gemeinsamen Esskultur als Ausdruck von Gemeinschaftlichkeit und Teamgeist. Kulinarische Didaktik (sich an einer gelingenden Esskultur zu orientieren) geht über Bildung hinaus. 3/n
Der Unterschied zwischen dem Einschleifen fester Muster (auswendige Spielzüge) und einer durch wiederholte Übungen aufgebauten Kompetenz ("wir trainieren immer alles"). An die Stelle von mechanistischen Vorstellungen tritt die Kombination aus Spieler- und Gruppenintelligenz. 4/n
Ein wertvolles Bild ist, wie Tuchel durch Abstecken des Spielfelds (Diamantform, schmales Feld, breites Feld etc.) den Raum definiert, in dem Spieler ohne Pfiff von der Seitenlinie "in den Flow" kommen. Übersetzt: klare Räume eröffnen, um Bildungserfahrungen zu ermöglichen. 5/n
Das Was vom Wie trennen: Das Was liefern die Trainer, das Wie liefern die Spieler. Das Wie ist der entscheidende Klebstoff. Das Glas (nur halb gefüllt mit dem Was) muss das Team vollmachen. Es gelingt nicht, wenn Spieler erwarten, die Trainer würden das Glas schon vollgießen. 6/n
Es ist "in meiner Überzeugung ein ganz klares Players-Game und kein Coaches-Game ... Die Rolle des Trainerteams ist eine Dienstleisterrolle ... Wir unterstützen und helfen." Die Trainer:innen als Spielbegleiter:innen - Leistungssport trifft Schule. 7/n
Im Hintergrund spielt Digitalität eine Rolle: Zu jedem Team, Spieler, Spiel gibt es heutzutage exakte digitale Daten, die in Profi-Stadien live erhoben werden. Diese Daten optimieren nicht den Fußballsport, sondern sie verunmöglichen eine mechanistische Denkweise. 8/n
Tuchels Strategien verstehe ich als digitale Transformation. Auf die digitale Durchschaubarkeit eines Fußballspiels reagiert er (wie andere) mit einer neuen Spieler- und Gruppenintelligenz. Schule täte gut daran, ähnlich zu reagieren und vom Coaches- zum Players-Game zu werden.
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Nichts anderes als gewinnorientierter Lobbyismus steckt hinter der im Mai veröffentlichten "Gemeinsamen Initiative der deutschen digitalen Bildungsanbieter IDDB" mit ihrem Forderungsschreiben an das BMBF und die KMK, an der Nachhilfemilliarde teilhaben zu wollen. 1/n
Dem Schreiben auf iddb.school folgte wenige Tage später eine Selbstbeweihräucherung durch die CEOs von Cleverly, Sofatutor und Simpleclub, die in ihrem Anspruch (Rettung für das Bildungssystem zu sein) unverschämt überheblich ist. linkedin.com/pulse/wir-sind… 2/n
Erschienen auf dem Account von @FredrikHarkort als Co-CEO von Cleverly wird auf die Ankündigung des BMBF, vorhandene Strukturen fördern zu wollen, mit einem Framing der eigenen Unternehmen als etablierte Anbieter reagiert. Aber wie zutreffend ist das, vor allem für Cleverly? 3/n
1. Rhetorisch einen Widerspruch zu einem performativen Zustand erzeugen, um aus der kognitiven Dissonanz einen aufmerksamkeitsökonomischen Gewinn einzufahren. Darüber reden, dass man nicht reden darf. 1/6
2. Rhetorisch einen Widerspruch zu mehrheitlich und aus guten Gründen akzeptierten Sachverhalten ("Tatsachen") umschiffen, um trotz der kognitiven Dissonanz eine Durchsetzung von Interessen nicht zu gefährden. Probleme ignorieren und wegreden, statt sie anzusprechen. 2/6
3. Rhetorisch einen Widerspruch zur performativen Vorgeschichte wieder einfangen wollen, um trotz bewusst vollzogener Handlung die daraus folgenden Konsequenzen nicht tragen zu müssen. Sich rausreden ("entschuldigen"), statt vorher bereits verantwortungsvoll zu agieren. 3/6
Habe jetzt auch eine Rede geschrieben. Eine Rede? Ja, wegen der Möglichkeit zum Elliptischen. Passt gut zu Twitter und liegt offenbar im Trend. Und wie bei Reden nicht unüblich handelt es sich nicht um einen sachlich gewichtigen Vortrag, sondern um einen Meinungsbeitrag. //1
Ich würde gern über Einhörner und Alpakas reden. Wir müssen darüber reden! (Richtig, das ist so ein Stilmittel, wenn man andere in die eigene Meinung hineinziehen möchte. Funktioniert zuverlässig!) Wir müssen über den tieferen Zusammenhang von Einhörnern und Alpakas reden. //2
Dieser Zusammenhang ist nicht gleich ersichtlich. Es handelt sich dabei nicht um das Verhältnis zweier Huftiere, sondern zweier Visionen, die ausgesprochen verschieden sind. Beide rangeln sie miteinander um das Grün der Bildungswiese, um die Frage, worum es bei Bildung geht. //3
Die Frage, ob Deutschland die Digitalisierung der Schulen verschlafen hat, würde wahrscheinlich einstimmig bejaht. Das Problem steckt in der Frage: Es war kein Verschlafen, sondern ein Ablehnen. Wer verschläft, den genügt es zu wecken. Wer ablehnt, den muss man überzeugen. /1
Diese pedantische Unterscheidung hat konkrete Folgen für die Weichen, die heute beim Schulgipfel im Bundeskanzleramt und auch zukünftig gestellt werden. Anhand der drei "großen Digital-Vorhaben" aus dem Artikel von @JMWiarda will ich dies erläutern. 2/
Die heutige Situation der Digitalisierung lässt sich historisch nicht anders erklären als durch Ablehnung. Bereits 1984 hieß es: “Computer in alle Schulen, alle Schüler an die Computer - dieses Programm wollen die Kultusminister zügig verwirklichen.” 3/ magazin.spiegel.de/EpubDelivery/s…