Schüchternheit ist ein Temperamentsmerkmal und insgesamt ist es so, dass schüchterne Kinder ein höheres Risiko haben, später eine Angststörung zu entwickeln. Wichtig ist aber, dass die Größe dieses Einflusses verhältnismäßig klein ist. Dazu gibt es ein ganz wunderbares Paper. 1/7 Image
Das bedeutet, dass die meisten schüchternen Kindern später keine Angststörung entwickeln. Zudem ist es auch so, dass Kinder und Jugendlichen mit einer Angststörung oft berichten, früher nicht besonders schüchtern gewesen zu sein. 2/7
Ein relevanteres Konstrukt ist die Verhaltenshemmung. Sie ist charakterisiert durch Schüchternheit, emotionale Zurückhaltung und Vermeidung unbekannter Menschen oder unvertrauter Situationen. Hier ein Beispiel:

3/7
Aus dieser aktuellen Metaanalyse (27 längsschnittliche Studien) geht hervor, dass Verhaltenshemmung die Wahrscheinlichkeit, eine Angststörung zu entwickeln deutlich erhöht. Gleichzeitig war dieser Effekt am stärksten für die soziale Phobie ausgeprägt. 4/7
Zur Einordnung: Abgebildet sind die Effektstärken aller 27 Studien, also der jeweilige Zusammenhang zwischen Verhaltenshemmung in der Kindheit und dem späteren Risiko für eine Angststörung. Die horizontalen schwarzen Linien stellen die Konfidenzintervalle der Effekte dar. 5/7 Image
Werte rechts von der vertikalen schwarzen Linie zeigen eine größere Wahrscheinlichkeit an, eine Angststörung zu entwickeln. Die blaue raute stellt den mittleren Effekt über alle Studien dar. 6/7
Die gezielte Behandlung von Verhaltenshemmung stellt also eine ganz essentielle Präventionsmaßnahme dar. Sie könnte dazu beitragen, die Zahl der Kinder, die Angststörungen entwickeln, deutlich zu reduzieren. /fin

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