Thread by @Engel_Re

Eine kurze Textanalyse zu Philipp #Amthor, dessen Team/Agentur es wirklich sehr gut versteht, mit Sprache Politik zu machen.

Was ist passiert? Amthor ist auf einem Foto mit zwei Neonazis zu sehen, nachhzulesen hier:

https://twitter.com/tagesspiegel/status/1417107775914717189

Hier nun sein Statement auf Instagram dazu. Wie auch im Fall Augusta Intelligence sprachlich sehr geschickt, wie sie diese Geschichte zu spinnen versuchen.

Zunächst einmal: 4 unverfängliche Bilder von der Veranstaltung, die keinen Bezug zu den Vorwürfen haben (wichtig!)

(Analyse seines AI Statements vergangenes Jahr von @shengfui hier:)

https://twitter.com/shengfui/status/1271749924351283200

Genau wie die Fotos lässt das gesamte Statement keinen Schluss auf die Vorkommnisse zu - er erwähnt mit keinem Wort, was genau ihm vorgeworfen wird oder dass es #Neonazis waren, mit denen er posierte.

Wer nicht bereits weiß, worum es geht, erfährt es in Amthors Statement nicht.

Das geschieht nicht zufällig. Der Vorwurf wird nicht wiederholt, weil er sich alleine durch die Erwähnung ins Gehirn einbrennt. “Amthor” und “Neoznazis” darf nicht in Verbindung stehen - Grundlagen des Framings und der politischen Krisenkommunikation.

Aber von vorn: Amthor fängt an, indem er die Veranstaltung Revue passieren lässt und die klingt durchaus nett “Jahreshöhepunkt in der kleinen Gemeinde”, “Glückwunsch an alle Reiterinnen und Reiter” usw.

Erst dann kommt er auf das eigentliche Thema zu sprechen.

Armin Laschet hat es in seinem Statement zu #LaschetLacht ähnlich gemacht - Dank an den Bundespräsidenten, die Betroffenen liegen uns an Herzen, erst dann zum Thema.

Auch das ist Strategie. Erst das mentale Bild malen, weil das beeinflusst, wie der Rest rezipiert wird und dann den unangenehmen Teil, der dann hoffentlich etwas freundlicher aufgenommen wird.

Zum interessanten Teil:

1️⃣ ”Da es aktuell auf Social Media einige Debatten über ein Foto gibt”

Kritik/Shitstorms sind “lebhafte Debatten” oder werden “kontrovers diskutiert”. Das impliziert, dass es immer mehrere Sichtweisen gibt, selbst wenn das gar nicht der Fall sein sollte.

2️⃣ Alles ganz normal - “Bei solchen öffentlichen Auftritten kommt es GANZ REGELMÄSSIG vor, dass ich von Bürgern nach Fotos gefragt werde - so auch DUTZENDFACH gestern Nachmittag.”

Subtext: Das kann immer und jedem passieren (eigene Verantwortung wird von sich gewiesen)

(Die Fragen, ob Amthor diese Leute hätte kennen müssen oder ob er sich Gedanken macht, warum Neonazis mit ihm auf ein Foto wollen, werden von ihm nicht thematisiert. Auch ich will diese Fragen hier nicht besprechen, hier geht es um die handwerkliche Betrachtung seines Statements)

3️⃣ Ich weiß von nichts: „Die beiden Bürger, die auf einem Foto [..] gezeigt werden und ihren Hintergrund kannte und kenne ich nicht. Ob und inwieweit das auf Twitter veröffentlichte Foto bearbeitet wurde, lässt sich für mich nicht mit Sicherheit feststellen.“

Er nennt die beiden Neonazis „Bürger“, weil er sie so als Teil der Masse an Menschen kategorisiert, von denen ihn am Tag dutzende für Fotos ansprechen. Darüber, ob er die beiden und ihren Hintergrund KANNTE, kann ich nur spekulieren, sicher ist aber:

Die Behauptung, Amthor würde sie und ihren Hintergrund weiter nicht KENNEN (also Präsenz) ist mit 100%iger Sicherheit eine Lüge.

Wer veröffentlicht eine Stellungnahme zu einem Vorfall, von dem er nicht weiß, worum es geht? Niemand.

Natürlich hat er sich über die Neonazis informiert und daraufhin dieses Statement geschrieben, er wäre verrückt das nicht zu tun. „Ich kannte und kenne sie nicht“ ist der Versuch, Distanz und sogar Desinteresse an den beiden (und dem damit verbundenen Milieu) zu suggerieren.

4️⃣ „Es dürfte jedenfalls allseits bekannt sein, dass ich im Bundestag wehrhaft gegen die Gegner unseres Rechtsstaates kämpfe“

Auch hier vermeidet er penibel, die „Gegner unseres Rechtstaates“ beim Namen zu nennen - weil er „Neonazis“ nicht sagen will oder sein konservatives Publikum nicht gegen sich aufbringen will, indem er sich zu stark gegen Rechts positioniert; wer weiß, womöglich beides.

„Allseits bekannt“ ist übrigens vor allem, welche islamfeindlichen und rassistischen Aussagen zum Repertoire des Herrn MdB gehören.

https://twitter.com/simbosan/status/1417114385022165002

5️⃣ Mein absoluter Lieblingssatz: „weshalb es ein umso befremdlicheres Zeichen eines völlig unsachlichen Wahlkampfes ist, mich in einen solchen Kontext rücken zu wollen.“

Also erstens Brudi Amthor hast du dich selbst in diesen Kontext gerückt, denn du hast ein Foto mit Nazis gemacht.

Das aufzuklären, liegt natürlich an Amthor selbst, darum tut er es ja auch.

Was da aber noch drin steckt: Amthor prangert „unsachlichen Wahlkampf“ an.

Die Rückkehr auf die Sachebene hat er auch damals in seinem ersten Instagram-Post nach der Affäre um Augusta Intelligence thematisiert - verloren gegangenes Vertrauen sollte durch “fleißige Sacharbeit” zurückgewonnen werden.

Dass Amthor ein fauler oder fachlich nicht versierter MdB ist steht (meines Wissens) gar nicht zur Debatte, diese beiden Sätze offenbaren aber wenn nicht eine Denkweise doch zumindest eine Kommunikationsstrategie:

Fragen des Charakters, der Integrität & politischen Ausrichtung, die ja fundamental wichtig sind für einen Abgeordneten, können 1. durch Fleiß wettgemacht werden und sind 2. Teil eines unsachlichen Wahlkampfes - besonders ersteres eine spannende Strategie, mit Kritik umzugehen.

(Präsens schreibt sich natürlich mit s).