Es braucht eine #Bauwende, sagen @Architects4F. Dazu gehört: Weniger bauen & auch: anders bauen. Künftig müssen mehr ökologische Baustoffe eingesetzt werden, um emissionsintensive mineralische Baustoffe zu ersetzen. Was steht dazu in den Bundestagswahlprogrammen der Parteien?
Kontext: Der Gebäudesektor spielt mit einem Endenergieverbrauch von 40% eine wichtige Rolle für das Erreichen der Klimaziele. Es muss in den nächsten Jahren vieles passieren: Steigerung der energetischen Sanierungsrate, Reduktion des Wärmebedarfs im Bestand, neue Heiztechnologien
Während der Fokus hier auf energetischen Aspekten liegt, blieb ein anderer Aspekt bisher oft außen vor: sog. graue Emissionen von Gebäuden, die etwa während der Konstruktion oder der Herstellung der Baustoffe entstehen.
Weltweit entfallen auf die Herstellung von Zement rund 8% aller Emissionen, in Deutschland macht die Zementindustrie immerhin rund 19% der Emissionen des Industriesektors aus. Gleichzeitig gilt die Zementherstellung als nicht dekarbonisierbar & ist absehbar auf #CCS angewiesen.
Es gibt materialseitig also erhebliche Klimaschutzpotentiale in der Bauwirtschaft. Vor diesem Hintergrund möchte ich einen Blick in die Bundestagswahlprogramme aller im Bundestag vertretenen Parteien werfen & schauen, inwiefern diese darin adressiert werden.
Die #AfD fällt hier ganz grundsätzlich aus dem Rahmen, weil sie als einzige Partei den anthropogenen Klimawandel anzweifelt. Dennoch gibt es in dem Programm, trotz grundlegend anderer Vorzeichen, Bezugnahmen auf den Holzbau & die für dafür benötigte Forstwirtschaft:
Holz soll verstärkt als Baumaterial & als Energieträger zum Einsatz kommen, obendrein die „ausufernde Bürokratie bei der Dokumentation in der Forstwirtschaft“ abgebaut werden.
Die Verwendung von Holz als Energieträger ist klimapolitisch nicht sinnvoll & wurde daher erst kürzlich durch zahlreiche Wissenschaflter:innen kritisiert: klimareporter.de/energiewende/e…
In dem Ruf nach einem Abbau von Bürokratie offenbart die extrem rechte Partei schließlich auch, dass sie – anders als es ihr völkisch-sozialer Flügel oftmals glauben machen möchte – eine im Kern marktradikale Partei ist, die in weiten Teilen eine Deregulierungsstrategie verfolgt.
Ganz anders bei den #GRÜNEN: Hier bekennt man sich zur Bauwende, Forderung von @Architects4F scheinen weitestgehend im Programm enthalten. Gefordert wird demnach, dass fortan der gesamte Lebenszyklus von Gebäuden „bei Städtebau und Gebäudeplanung“ berücksichtigt werden soll.
Dabei setzt man auf einen Mix aus ordnungspolitischen Instrumenten und Anreizen: Einführung einer Holzbaustrategie, Förderung von Digitalisierungspotentialen & Gebäude-Ressourcen-Gesetz.
Letzteres lässt sich dabei auch als Kritik an dem derzeitigen GEG verstehen, das graue Emissionen & Ressourcen bewusst ausklammert. Das GEG soll 2022 novelliert werden – denkbar, dass dieses im Zuge dessen schon nächstes Jahr um ein GRG ergänzt wird.
Auch die #CDU möchte die Bauwirtschaft zu einer Kreislaufwirtschaft umbauen & eine Holzbauoffensive anstoßen. Sie setzt hier auf eine CO2-Bindungsprämie für Holzprodukte, also Anreize. Darüber hinaus bleibt sie unspezifisch. Dies entspricht auch ihrem sonstigen Programm:
DIE LINKE hingegen legt einige programmatische Ansätze vor, mit denen ökologischen Baumaterialien im Allgemeinen & dem Holzbau im Besonderen zur Verbreitung verholfen werden soll. Ähnlich wie bei den Grünen wird hier auf Anreize und Ordnungspolitik gesetzt:
Zunächst sollen Hürden im Baurecht für ökologische Baustoffe reduziert werden. Dies ist insofern von Belang, als dass der Holzbau hier noch immer mit dem Vorurteil eines defizitären Brandschutzes behaftet ist & demnach mit stärkeren Auflagen belegt wird.
Damit stimmt die Partei in die Forderung vieler Umweltorganisationen mit ein. In dem diesjährigen Maßnahmenkatalog von @_GermanZero heißt es dazu etwa:
Ferner sollen nicht nur rechtliche Hürden abgebaut, sondern darüber hinaus auch die Nutzung von Holz „wo es sinnvoll und möglich ist“ vorgeschrieben werden. Ein erster Schritt könnte hier sein, dass Gebäude des Bundes fortan hauptsächlich in Holzbauweise gefertigt werden.
Weiter will die Partei Ökobilanzen für Neubauten einführen & staatliche Förderungen künftig an Nachhaltigkeitsbewertungen knüpfen, die den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes umspannen. So spielen graue Emissionen, etwa bei der Kreditvergabe der KfW, bisher keine Rolle.
Schließlich fordert die Partei, verwendete Baumaterialien „klar und nachvollziehbar“ zu dokumentieren, um ihre Wieder- und Weiterverwendung im Falle eines Rückbaus zu erleichtern. Eine Position, die auch das UBA in einer Broschüre zu ‚Urban Mining‘ vertritt:
Im Wahlprogramm der #FDP findet sich keine explizite Bezugnahme auf die Frage der Baustoffe. Anzunehmen ist hier, dass man sich allein auf CO2-Preise & den Emissionshandel verlässt: Der Markt regelt, dass emissionsintensiver Beton durch biobasierte Baustoffe verdrängt wird.
Wenngleich an dieser Stelle auf die Diskussion eines Für und Wider des Emissionshandels verzichtet werden soll, sei darauf hingewiesen, dass etwaige Instrumente in der Vergangenheit keine Lenkungswirkung auf die Zementindustrie entfalten konnten. So schreibt die DEHSt:
Zu tun hat dies mit der bisher hohen Zuteilung freier Zertifikate, die ‚carbon leakage‘ gefährdeten Sektoren im EU ETS zugutekommen. Im Rahmen des ‚Fit for 55‘-Pakets sollen diese jedoch sukzessive sinken und durch einen europ. Grenzausgleichsmechanismus (#CBAM) ersetzt werden.
Schauen wir schließlich auf das Programm der #SPD. Wenngleich hier konstatiert wird, den Gebäudesektor CO2-neutral gestalten zu wollen, bleiben Baustoffe ebenfalls unerwähnt.
Zusammenfassend lässt sich festhalten: Die Baustoff-Frage taucht in den Programmen der Grünen, der Union & der LINKEN auf. Während die Union ausschließlich auf Anreize setzt, weisen Grüne & LINKE deutliche programmatische Schnittstellen auf, die über Anreize allein hinaus gehen.
Zu hoffen ist, dass Baustoffe in der sektoralen Betrachtung nicht weiter ein Nischendasein fristen, bieten sie doch massive Klimaschutzpotentiale. Die nächste Regierung muss dringend die Weichen für eine #Bauwende stellen, will man die Klimaziele einhalten.
*Gemeint ist hier natürlich: Ordnungsrecht

• • •

Missing some Tweet in this thread? You can try to force a refresh
 

Keep Current with Frederick Coulomb

Frederick Coulomb Profile picture

Stay in touch and get notified when new unrolls are available from this author!

Read all threads

This Thread may be Removed Anytime!

PDF

Twitter may remove this content at anytime! Save it as PDF for later use!

Try unrolling a thread yourself!

how to unroll video
  1. Follow @ThreadReaderApp to mention us!

  2. From a Twitter thread mention us with a keyword "unroll"
@threadreaderapp unroll

Practice here first or read more on our help page!

Did Thread Reader help you today?

Support us! We are indie developers!


This site is made by just two indie developers on a laptop doing marketing, support and development! Read more about the story.

Become a Premium Member ($3/month or $30/year) and get exclusive features!

Become Premium

Too expensive? Make a small donation by buying us coffee ($5) or help with server cost ($10)

Donate via Paypal Become our Patreon

Thank you for your support!

Follow Us on Twitter!

:(