Der Anruf kommt von der diensthabenden Assistenzärztin: "Ich wurde von der Intensivstation angerufen. Sie haben angefangen die Patientin in der 10 zu reanimieren. Ich bin inzwischen da. Sie tamponiert. Die bekommen aber unter Rea keinen Druck zusammen."
Der Schlaf ist weggewischt
Bin komplett da und stehe schon vorm Bett. Sammle meine Klammotten. "Die kriegen sie nicht stabilisiert".
"Du musst sie rethorakotomieren. Sofort. Ruf die OP Mannschaft und fang an. Ich bin unterwegs."
Stocken am anderen Ende.
"Du weißt ich bin keine Fachärztin"
"Das weiß ich. Du
kannst das. Ich habe es dir oft genug im OP gezeigt. Wenn du es nicht tust, ist sie tot bis ich da bin."
Ich brauche vielleicht unter Mißachtung aller Verkehrsregeln 10 Minuten vom Anruf bis in die Klinik. Muss aber noch OP Klammotten anziehen. Auf die Intensivstation kommen.
Sie
ist noch am Telefon. Sie zögert.
"Du kannst das. Ich übernehme die Verantwortung und stelle die Indikation. Du musst anfangen. Die Patientin hat keine Zeit mehr. Wenn du eine Blutungsquelle findest. Finger drauf und abwarten. Nur Thorakotomie und entlasten."
"OK." Sagt sie. Ich
kann ihre Nervosität hören. Ich kann hören wie ihre Zunge am Gaumen klebt. Aber sie kann es. Sie ist kurz vorm Facharzt. Hat es in geordneten Situationen im OP zig mal gemacht. Ich alleine habe es mit ihr zig mal diese Woche alleine geübt. Sie ist eine intelligente, zuverlässige
geschickte Kollegin mit einem großen Verantwortungsbewusstsein. Ihr zögern spricht für Sie. Jetzt kommt die Feuertaufe.
Inzwischen rase ich durch die Nacht. Apeln sind aus. Mein Glück. Ich sehe keine Menschenseele in der Großstadt. Zum Glück auch keine Polizei die mich fragen
würde was ich mache. Ich parke direkt vor der Klinik. Nehme die Treppen in Zweierstufen. Bewusst rufe ich nicht an um zu fragen, was los ist, obwohl meine Neugier brennt. Die Klammoten die ich vor vielleicht 10 Minuten angezogen habe, werden gegen das OP Grün gewechselt.
Haube und Maske kommen während des Laufens drauf. Bettplatz 10. Ich rase um die Ecke. Der enge Raum ist voll. Intensivmannschaft. OP Team. Die Kollegin steht über dem offenen Thorax. Ihr Blick straht größte Erleichterung aus. "Ich habe die Blutung..."
Der Monitor zeigt schon
normale Werte.
Ich wasche mich ein. Eine kleine Blutung. Braucht nur einen Stich. Der Spuk endet. "Gut gemacht." sage ich als erstes.
"Bin ich froh dass du so schnell da warst."
"Ich habe nichts gemacht. Du hast es gemacht. Ohne dich wäre sie jetzt tot."
"Danke dir." Sagt sie.
"Meine Knie sind noch leicht wacklig".
"Ging mir beim ersten Mal genau so."
Zwei Tage später erkläre ich der Patientin was passiert ist. Sie und ihre Angehörigen sind glücklich. 10 Tage später verlässt sie die Klinik.
Die Kollegin? Inzwischen ist sie Oberärztin.
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Wir stehen am Morgen auf der Intensivstation. An den langen Gesichtern aller beteiligten ist schon zu sehen, dass es keinen Grund zur Freude gibt. Die Stimmen sind unwillkürlich gedämpft. Die Augen der beteiligten wirken glanzlos.
"...insgeamt hat er sich verschlechtert..."
Kurzes schweigen. "Was wollen wir machen?"
"Therapieeskalation?"
"Was wollen wir erreichen? Er hat ja keine Chance das so zu überstehen, um in ein würdevolles Leben zurückzukehren"
Eigentlich wissen das alle, die da stehen. Die Intensivpflege und Ärzt*innen. Es auszusprechen
schmerzt aber dennoch. Jemand zählt nochmal alle Probleme und Schäden auf, die der Patient schon hat. Schweigen. Ich gehe in mir die Optionen durch. Klar, wir können mehr machen. Klar, können wir erneut an die ECMO. Theoretisch. Überleben wird der Patient das dennoch nicht.
"Er
Früher gab es die "Sham-Operation". Eine Plazebo-OP. In der Herzchirurgie z.B. wurde der Brustkorb eröffnet und wieder verschlossen, ohne die strukturelle Herzerkrankung zu begeben.
Hat es den Patienten geholfen?
Wenn man die Patienten befragt hat, sagten 20-30% dass Ihre
Beschwerden wie Luftnot oder das Brennen auf der Brust (Angina Pectoris) deutlich besser oder gar weg wären.
Hat es objektivierbar geholfen? Sprich: Hat es das Überleben der Patienten verbessert? Nein, natürlich nicht!
Das ist das was Heilpraktiker und Homöopathen anbieten. Klar
kann man sich danach besser fühlen. Helfen tut es nicht.
Bevor jemand irgendwas entgegnet: Denkt darüber nach ob ihr eine Sham-Operation haben wollt!
Ein Kollege ruft mich mitten in der Nacht an. "Ich habe gerade deinen Patienten unter Reanimation in den Saal genommen".
Plötzlich ist man wach. Der Schlaf ist weggewischt. Um meine Frau nicht zu wecken, stehe ich auf und verlasse das Schlafzimmer, während ich "Was war los?"
flüstere. Während das Gehirn alle möglichen Szenarien durchgeht, die Operation, die am frühen Morgen war, nach möglichen Fehlerquellen durchsucht. Parallel sich das schlimmste ausmalt. "Es war doch alles gut, als ich ging." Der Satz klingt sogar in meinen Ohren verzweifelt. Als
ob ich mich vor mir rechtfertigen würde. Dabei WAR alles gut. Die OP am Vormittag war glatt verlaufen. Ich war am Abend bevor ich ging noch bei ihm. Schwer kranker, junger Mann. Ein Familienangehöriger einer Pflegekraft, die mich gebeten hatte, die OP durchzuführen. Was ist in
Ein Notfall der zu uns verlegt werden soll. Der Notarzt, der den Patienten begleitet, meldet sich. Er weiß nicht ob er ihn noch stabil zu uns bringen kann. Er wird nicht im Schockraum anhalten und wird direkt den OP ansteuern. Kurze Zeit später Nachricht aus der Leitstelle. Sie
kommen unter Reanimation. Unser komplettes Team ist im OP bereit. Drei Pflegekräfte, drei Ärzte, Kardiotechnik. Es ist mitten in der Nacht. Wir kommen gerade von einer Not-OP. Müde Gesichter. Es wird wenig geredet. Jeder versucht sich zu konzentrieren. Wir hören die Aufzugtür.
Die schrillen Alarme erreichen uns noch vor dem Patienten. Sie biegen um die Ecke. Der Notarzt mit auf der Trage. Er reanimiert. Eine Pflegekraft aus dem Schockraum und zwei Sanitäter begleiten. Sie erreichen uns schnell. Als sie näher kommen sehe ich dass der Notarzt
Ich muss mir mal bisschen Frust von der Seele reden: Wir betreiben High-End Medizin. Die Kränksten der Kranken, die komplexesten Patienten. Es gibt sehr wenige wirklich geplante Operationen, dafür viele Notfälle. Manchmal sind es 3-4 Patienten gleichzeitig, die vital gefährdet
sind.
Womit verbringe ich die meiste Zeit meines Tages? Den Mangel zu verwalten. Ein Mangel an Intensivpflege und damit Betten. Ein Mangel an Anästhesie. Ein Mangel an OP Pflege. Ein Mangel an Ausrüstung. Den Mangel an Chirurgen... wie wir den ausgleichen, weiß jeder, der mir
folgt oder meine Tweets gelesen hat.
Wieder kein Intensivbett, keine Anästhesie, OP Saal defekt aber dafür Notfälle. Jede Menge sogar. Der Plan ist schon voll bis heute Nacht.
Gleichzeitig der Druck: Weniger OP Fälle heißt, Stellen werden gestrichen.
Jeder ist gestresst. Jeder
In einer idealen Welt, in der die Krankenkassen tatsächlich den geleisteten Aufwand bezahlen, den wir betreiben müssen um high-end-medizin zu praktizieren, wäre ich für mein Gebiet nicht allein zuständig.
Jeder Patient wünscht sich eine individuell zugeschnittene Top-Medizin auf
dem neuesten Stand der Wissenschaft. Mit rund um die Uhr Versorgung. Mit immer konzentrierem Personal, das empathisch und professionell ist.
Ich verrate hier ein Staatsgeheimnis: das geht nur mit einer gewissen Personaldecke. Personal kostet Geld und muss bezahlt werden.
Die
traurige Wahrheit ist, dass die Kassen streichen, klagen, verhindern. Ich habe z.B. heute erfahren dass die Klinik für mein Gebiet um Prinzip von den Kassen so gut wie kein Geld bekommt. Die Operation kostet mindestens 100.000€ und die Kosten der Nachsorge betragen ca. 35.000€