2/14
Geht mal nicht um mich, nicht ums Sexwork, nicht um was aktuelles. Einfach mal ein Blick in die Vergangenheit. Man denkt ja immer, so übel wie jetzt waren Medien und Internet noch nie. Aber auch die Zeit vor dem Internet konnte sehr abscheulich sein.
3/14
Ich bin vor einigen Tagen durch Zufall und Zappen in der Wikipedia auf einen Fall gestoßen, der es wirklich in sich hatte, vor allem wenn man da unvorbereitet nach Einträgen über die Geschichte der englischen Eisenbahn oder des Hutes landet.
4/14
Da gab es vor 40 Jahren, Anfang der 80er einen Fall, in dem ein Millionärsehepaar eine 16jährige entführte, fast über ein Jahr in einem Keller angekettet gefangen hielt und sie übel folterte und missbrauchte.
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Nach 15 Monaten konnte sie sich befreien und das Ehepaar vor Gericht bringen (er hängte sich in seiner Zelle auf, sie kam nach 4 Jahren frei). Der Fall wurde wohl von BILD und Stern sehr ausgeschlachtet, naja das überrascht jetzt weniger.
6/14
Aber wie gings weiter? Die junge Frau war körperlich gezeichnet mit Tattoos, Verstümmelungen und langwierigen Wunden und natürlich extrem traumatisiert. Sie heiratete einen Mann, der wohl gewalttätig war und drogenabhängig.
7/14
Und eben dieser brachte sie dazu, ihre Geschichte in einem merkwürdigen Porno mit Interview durch ein scheinbar interessiertes Paar zu erzählen. Zunächst gespielt einfühlsam, wurde das mit der Zeit immer unerträglicher anzuschauen.
8/14
Sie berichtete zum Beispiel, wie die Entführer ihr eine Brust schwarz tätowierten und direkt kam "Zeig mal!" und als sie es tat nach pflichtschuldigem kurzen "Oh mein Gott" dann "Also mir gefällts irgendwie."
9/14
Und so weiter. Der ziemlich deutlich nacherzählten Perforation der Schamlippen mittels Lochzange ("wächst nie wieder zu, weil rausgestanzt") und der Information, dass dort Vorhängeschlösser hineingehängt wurden, folgte was?
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Klar, zufällig waren genau solche Vorhängeschlösser zur Hand und wurden angehängt. Mit Anmerkung, wie geil das doch aussähe. Die Schilderung einer offenen Wunde am Po, die erst jetzt vernarbt sei, führte (nach Besichtigung der Interviewer)...
11/14
...immerhin zur sinngemäßen Feststellung, "das sieht echt nicht schön aus". Und so ging das dann also gefühlte Ewigkeiten bevor das Interviewerpaar so aufgegeilt war, dass es sich erstmal durch Sex abreagieren musste. Natürlich unterstützt vom Gast.
12/14
Weiter will ich das gar nicht ausführen, was ich sagen will ist, dass unsere Gesellschaft trotz allem heute ein Stück weiter ist und so ein Stück Dreck hoffentlich nicht mehr unkritisch machbar wäre.
13/14
Andererseits - dieser Interviewporno ist online und über den Wikipediaeintrag auch unschwer zu finden. Das gibt auch zu denken. Ich verzichte auf Links und Namensnennungen, weil ich keine Werbung dafür machen will.
14/14
Die Protagonistin hat es hinter sich, sie starb nach weiteren unschönen Erlebnissen 2016 unter nicht ganz geklärten Umständen. Ich hoffe, dort wo auch immer sie jetzt ist, geht es ihr besser als zu Lebzeiten.
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Oft kommt pro Sexwork das Argument, dass es ohne unsere Dienstleistung mehr Übergriffe und Vergewaltigungen gäbe.
Das finde ich grundfalsch.
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Erstmal sehe ich mich und meine Kolleg*innen nicht als legales "Ventil" für Triebtäter, sondern als Anbieter der Dienstleistung Sex auf Augenhöhe.
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Des weiteren sind die meisten unserer Kunden ganz normale Männer (gelegentlich auch w/d), die sich nicht auf die nächste Person im Park stürzen würden, wenn sie keinen Paysex bekämen.
Mein Outing im persönlichen Umfeld habe ich ja soweit abgeschlossen. Ich ziehe mal Bilanz.
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Zuerst habe ich meine beste Freundin eingeweiht und das lief unspektakulär ab. Nicht, dass sie es schulterzuckend zur Kenntnis genommen hätte, aber mehr als ein paar interessierte Fragen und Sorgen um meine Sicherheit waren da nicht.
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Später, im Freundeskreis war das nicht ganz so. Zwar kamen die meisten auch gut klar damit, aber eben nicht alle. Zwei brachen den Kontakt mehr oder weniger ab, interessanterweise die, bei denen ich es nicht erwartet hatte.
Stellt euch noch mal vor, es ist kein Corona, ich bin wieder die Vanessa, hab einen Freund und ein kleines Kind und ich möchte ins Sexwork einsteigen. Diesmal in einem Land mit „nordischem Modell“. 1/14
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Ich bin gesetzestreu und das ist erstmal einfacher als in Deutschland, denn anmelden muss ich mich nicht. Sex verkaufen darf ich, blöd ist nur, dass es für den Kunden strafbar ist, das Angebot anzunehmen.
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Aber ist ja sein Problem, denke ich mir und Nachfrage gibt es ja immer. Also, dann kanns losgehen. Wieder fragt sich, wo und wie. Ein Bordell? Nein, gibt es nicht legal, das fällt ja unter das Verbot.
Stellt euch mal vor, es ist kein Corona, ich bin jetzt die Vanessa, hab einen Freund und ein kleines Kind und ich möchte ins Sexwork einsteigen. Okay? Gut. 1/15
2/15
Ich halte mich an die Gesetze, deshalb besorg ich mir erstmal einen Termin auf dem Amt. Dort gibt es zwei Gespräche, bei denen ich allein erscheinen muss, mein Freund darf nicht mit.
3/15
Im ersten geht es darum, ob ich es freiwillig mache, ob ich weiß was mich so erwartet und welche Rechte und Pflichten so bestehen. Wenn ich Glück habe, ist der Mitarbeiter kompetent, mit Pech wurde er vom Chef dazu verdonnert und hat wenig Bock darauf.
Ich will mal noch was zum Thema #lovemobil sagen. Wer es nicht mitbekommen hat, das ist eine Doku, in der Prostituierte im Wohnwagen porträtiert und begleitet werden und die vor allem von Abolis gern empfohlen wurde. 1/15
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War halt alles drin, Elend, unangenehme Freier, Zuhälterin, Osteuropa und Afrika... Die Doku wurde mehrfach ausgezeichnet und gerade für den Grimmepreis nominiert. Dummerweise waren die Mitwirkenden aber großteils Darsteller und sehr vieles inszeniert.
3/15
Wenn sich bei RTL2 eine vermeintliche Doku als scripted reality herausstellt, dann wundert man sich kaum. Aber wenn wie hier der NDR dahintersteht, dann schon. Das stört mich mit am meisten, denn das ist manipulativ. Als gäbe es nicht schon genug Klischees über uns.