Was mir jetzt gerade erst richtig auffällt und das tatsächlich erst nach 22 Monaten 😬:
Wir, also Behindertenrechtsaktivisten reden sehr oft davon, das zu viel der vermeindlichen Normalität geopfert wird, ohne zu verstehen, dass wir die Normalität gestalten.
Sehr viel, was vor allem in Bezug auf Kinder gefordert wird, also die Pandemie möglichst für beendet zu erklären und Kinder keine Maßnahmen spüren zu lassen, ist Normalität zum Dogma, zum übergeordneten Ziel zu erklären.
Es wird bei der Kindererziehung und (Schul)-Pädagogik sehr oft davon gesprochen, wie man Kinder zu Resilienz erzieht. Also dazu, nicht gleich bei jedem bisschen Gegenwind umzufallen.
Mit den Forderungen, alles schnell möglichst normal zu machen, weil Kinder könnten sonst psychisch darunter leiden, wird im Prinzip genau das Gegenteil getan.
Kindern wird die Fähigkeit zu Resilienz abgesprochen. Es wird ihnen auch Einsicht in die Situation abgesprochen.
Statt ihnen also beizubringen sich an eine Ausnahmesituation flexibel anzupassen und ihnen zu helfen Wege zu finden, damit psychisch umzugehen, wird behauptet, man müsste die Welt für Kinder rosarot einfärben.
Es wird behauptet, das Virus stelle für sie ohnehin keine Gefahr dar, obwohl das, was sie sehen und erleben dem zumindest teilweise widersprechen dürfte.
Und ich vermute, das Ganze, weil es weiterhin die Erwachsenen sind, denen die Resilienz fehlt, souverän mit der Ausnahmesituation umzugehen.
Das hat sehr viel mit dem Umgang mit Behinderungen und behinderten Menschen zu tun. Wir sind in diesem Fall - wieder mal - die Grubenvögel. Wir zeigen, wo es in der Gesellschaft knirscht, wo wir alleine deswegen abgelehnt werden, weil wir den Status quo ins Wanken bringen.
Wo unsere pure Anwesenheit Menschen theoretisch zwingt, außerhalb normaler Muster zu agieren und sich an die Realität anzupassen, statt die Realität an ihr Bild von Normalität.
Und jetzt sehen wir, dass wo es in der Gesellschaft genau entlang dieser schlechten Schweißnähte aufbricht, weil einige selbst dann, wenn die Ausnahmesituation zum harten, unausweichlichen Fakt wird, nicht damit umgehen können.
Und alles dafür tun, die Norm wieder herzustellen, egal was es kostet. Und wen.
*Vermeintlichen
Ich habe es gerade nicht parat, aber ich bilde mir ein @Christiane hatte da sogar Untersuchungen, die belegen, dass nichtbehinderte Kinder, die inklusive Schulen besuchen, davon profitieren, in dem sie lernen die Norm nicht als harte Größe zu sehen.
Indem sie früh lernen, Lösungen für Probleme zu suchen, die unerwartet auftauchen. Eben Resilienz entwickeln, ganz ohne ausgefeiltes pädagogisches Konzept.
U.a. deswegen reden wir auch vom Recht nichtbehinderter Kinder, mit behinderten Kindern gemeinsam beschult zu werden.
Exklusion nimmt auch ihnen etwas weg.

Es ist kein Wunder, dass ich einige Menschen mit Behinderungen kenne, die als Berater in Change Management arbeiten.

Wir SIND lebendes, atmendes Change Management auf zwei Beinen oder zwei Rädern.
*vier Rädern. 😬
*mit dem zweiten 'wir' ist die Gesellschaft gemeint.

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21 Oct
Mal ganz praktisch als Mensch mit Behinderung gesprochen: Warum soll ich mich in ein Umfeld begeben, in dem behindertenfeindliche Ansichten etwas sind, das man haben darf und eben 'aushalten' muss? Warum sollte ich meine Arbeit dort sehen wollen? #FBM21
Nur, weil es nicht verboten ist, diese Ansicht zu haben suche ich mir meinen Umgang ja dennoch danach aus, wer mich und andere Menschen, die in dieser Gesellschaft in der Minderheit sind, respektiert. #FBM21
Wenn Rechte ihre Thesen verbreiten dürfen, die sehr, sehr close to home sind, dann fühle ich mich nicht frei. Ich fühle mich dann nicht respektiert. Nicht erwünscht.

Es gibt keine Neutralität auch und erst recht nicht für die #FBM21
Read 6 tweets
17 Oct
🧵 So, ich muss noch was, was Letztes, zu der Kausa "Autoren lassen sich für Verlagsinteressen benutzten" loswerden, bevor ich endlich die Geräte ausmache. Ich bin ziemlich müde, also seht mir nach, wenn das nicht mehr so präzise ist, wie ich es gerne hätte.
Und zwar die unfuckinfassbar ignorante, gewissenlose und gefährliche Rhetorik.

Mir ist schon nicht ganz klar, wie man da nichts merken kann. Bei einigen Unterzeichnern hätte ich eigentlich erwartet, dass sie was hätten merken müssen.
Aber wenn man es sich nicht mit dem Verlag verderben will und der doch so nett fragt. Oder so. 🙄

Wie immer fallen sehr ähnliche Formulierungen jener auf, die in das Narrativ eingekauft haben.
Für mich immer ein Zeichen, dass das Thema nicht wirklich durchdrungen wurde.
Read 42 tweets
17 Oct
Es passiert mir selten, aber ich bin einfach nur noch sprach- und fassungslos. Es geht darum, dass sich Bibliotheken das Recht anmaßen, jeJegliches Recht angemessen für die eigene Arbeit vergütet
Dazu dann, das dahinter teils die gleichen Personen stehen, die sich mit Händen und Füßen dagegen wehrten, das der 'Verlagsanteil' der eigentlich den Autoren zustand, auch an diese ausgeschüttet wird. Denen liegt jetzt auf einmal die 'faire Vergütung' von Autoren am Herzen.
Ja. Das soll glauben, wer will.

Niemand ... _niemand_ in der Verlagsbranche gibt sechsstellig Summen für ganzseitige Anzeigen aus, um für die gerechte Vergütung von Autoren zu streiten.

Dann könnte man vor der eigenen Tür anfangen und mal alle Buy-Out-Verträge rauswerfen.
Read 6 tweets
17 Oct
Ich wäre schon neugierig, wie viele der Unterzeichner zu Hause kein gut gefülltes, elterliches Bücherregal hatten, deren Verwandte auch zu Geburtstagen und Weihnachten nicht reichlich Bücher schenkten und deren Bücherwünsche außer der Reihe nicht erfüllt wurden, weil zu teuer.
Für die Bibliotheken und zwar auch die kleinsten und kräpeligsten Dorfbibliotheken nicht zusätzlich mit Büchern versorgten, sondern die Grund- und nahezu einzige Versorgung mit kulturellem Input jenseits des Fernsehens.

Könnte wetten, hoch ist ihre Anzahl nicht
Weil natürlich Arbeiterkinder auch die absolute Minderheit in der Kulturbranche sind. Stallgeruch und so. ¯\_(ツ)_/¯
Read 4 tweets
16 Oct
🧵
Ein paar Worte zu "The Premonition", auch wenn ich gerade erst zu 36% durch bin.

Die ersten zwei Kapitel handeln von @drcharitydean und davon, wie man sich mit Prävention unbeliebt macht. Es geht also u.a. um das Präventionsparadox.

amzn.to/3BP0Qqf (Affiliate-Link)
Michael Lewis stellt zwei Episoden aus Dr. Deans Arbeitszeit als Public Health Officer von Santa Barbara County gegenüber. Einen Ausbruch von Meningitis B an der University of California Santa Barbara und einen vorhergesagten Erdrutsch und die Evakuierung eines Pflegeheims.
An der UCSB gab es einen Meningitis-Fall, der zuerst vom Labor nicht als Meningitis bestätigt werden konnte. Der Autor führt die Leser hier in das kleine 1&1 der Diagnostik von Infektionskrankheiten ein. Quasi:
Read 41 tweets
16 Oct
Was mich bei den Zukunftskonferenzen des Börsenvereins immer angefuchst hat: dass man Autoren und Autorinnen nicht automatisch als Teil der Branche mitdachte.
Aber sieh an, wann man sie plötzlich mitdenkt.
Oder eher: wann sich Autor:innen für Verlagsziele missbrauchen lassen.
Ob das personell die gleichen Leute sind, die in der VG Wort den Verlagen so gerne die Hälfte vom Autor:innen zustehenden Geld abgeben wollten, weil Verlage doch immer so gut zu uns sind und wir sie deswegen unterstützen sollten?
Nachdem ich mir nun die Namen durchgelesen habe: ja, sind zumindest teilweise die gleichen Leute.
Read 7 tweets

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