Die FAZ brachte gestern einen Artikel zu Cookies, Tracking und Einwilligung und feiert dabei eine brandneue Regelung im Datenschutzrecht (§ 26 TTDSG) als letzte Hoffnung der Nutzer:innen gegen die Bannerflut. Der Artikel ist schamlos. #Thread
Die neue Regelung sieht vor, dass Tracking-Einwilligungen in Zukunft nicht mehr konkret ggb. einer Webseite (via Banner) erklärt werden, sondern gegenüber Vermittlungsdiensten (Personal Information Management Services, PIMS). Die Hoffnung: Banner braucht es dann nicht mehr.
Was auf den ersten Blick nach einem Geschenk an einwilligungsmüde Nutzer:innen klingt, ist wenig mehr als ein Geschenk an Werbe- und Medienunternehmen.
Das Ausgangsproblem ist: Eine Einwilligung ist nach EU-Recht zwingend, wenn zB Cookies (bzw. ähnliche Trackinginfos) auf unseren Geräten gesetzt und ausgelesen werden. Ohne diese Einwilligung sitzen Werbe- und Medienunternehmen buchstäblich auf dem Trockenen.
Deren Ziel: Die Erteilung von Einwilligungen muss leicht sein, idealerweise gar nicht mehr auffallen. Genau das versprechen die PIMS. Nutzer:innen erteilen zentral ihre Einwilligung ggb. den zentralen Einwilligungsverwaltungsdiensten und haken das Thema dann hab (pun intended).
Webseiten fragen dann nur noch bei diesen zentralen Verwaltern nach und tracken fröhlich weiter. PIMS machen das Verfahren der Einwilligungserteilung also leichter und senken die Hemmschwelle, sie zu versagen.
PIMS adressieren aber nicht die eigentlichen Probleme, die die datenschutzrechtliche Einwilligung schon lange hat: Die schützt nur jene, die sich das "Nein" leisten können und sie setzt strukturellem Missbrauch von verhaltensbasierten Inhalten keine Grenzen.
Es ist deshalb kein Wunder, dass der § 26 TTDSG im Gesetzgebungsverfahren umstritten war. Lobbyiert haben für ihn vor allem Stimmen aus der Wirtschaft, kritisiert wurde er von der Zivilgesellschaft und Verbraucherschützer:innen.
Dabei ist die eigentliche Lösung des Problems "Tracking" unter Expert:innen längst klar: Es braucht klare Grenzen für Trackingverfahren und strikte Regulierung. Entsprechendes könnte man in die kommende ePrivacy-Verordnung schreiben.
Der FAZ-Artikel ist aber nicht nur deshalb schamlos, weil Presseunternehmen jetzt mit Ansage ein Gesetz feiern, das vor allem ihren Interessen dienen soll, sondern weil der Artikel auch noch frech Aussagen von @anked über Stasi Erfahrungen für eben dieses Anliegen framed.
- fin -
Ergänzung: Wer hofft, dank PIMS immerhin zentral "Nein" sagen zu können und seine Ruhe zu haben, irrt. Nirgends ist geregelt, dass nicht im Einzelfall bei Nutzer:innen trotz "Nein" bei PIMs nachgefragt werden darf incl. "Drohung", sonst bezahlen zu müssen.
Ich verstehe den Sinn von Überschriften wie der von @heiseonline.
Sie verdecken aber tendenziell die Reichweite dieser Ankündigung von Apple, verharmlosen sie gar, weil sie das Narrativ des „guten Zwecks“ übernehmen .
Apple plant den Rollout einer Technologie, die von einem zentralen Server unter Apples Kontrolle Bilder-Hash-Werte abfragt, lokal auf iOS-Geräten abgleicht und Treffer meldet.
Diese Hashwerte können alles Mögliche repräsentieren: Fotos sexualisierter Gewalt genauso wie Fotos von DemonstrantInnen, politisch verfolgten Personen oder auch geleakter Fotos des neuen iPhones.
Ich schätze @anncathrin87 sehr und gratuliere ihr zu der Ehre, ihre Gedanken zu liberaler Netzpolitik auf @zeitonline so prominent schildern zu dürfen.
Doch leider bedient sie das liberale Narrativ, es gehe bei #Datenschutz & #DSGVO um "informationelle Selbstbestimmung". #Thread
In ihrem Artikel schreibt sie:
"Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, garantiert unter anderem durch die Datenschutzgrundverordnung, ist auch in Zeiten einer Pandemie wichtig."
Ein scheinbar harmloser Satz, der aber immens digitalpolitisch und juristisch aufgeladen ist. Denn er ist - wenn es das unter JuristInnen überhaupt gibt - nicht nur "falsch", sondern er ist Resultat deutscher und liberaler Ignoranz ggb. den Herausforderungen der Digitalisierung.