#onkonurse #oncology #onkologie #fuckcancer

Kisha

Kisha ist zwölf Jahre alt und kommt über eine Hilfsorganisation aus Afrika zu uns. Sie spricht daher weder deutsch noch englisch. Aber sie lernt schnell ein paar Brocken so dass man sich über die wichtigsten Dinge sprechen kann.
Zum Beispiel ob sie Schmerzen hat, oder ob ihr übel ist etc.

Als Kisha wieder zur Therapie bei uns ist bekommt sie unter anderem eine Chemotherapie mit dem Namen Ifosfamid. Das kann schwere neurologische Nebenwirkungen haben. Es kann sogar zu einer Ifosfamid Intoxikation kommen.
So war es auch bei Kisha. Das ist mir so eindrücklich im Gedächtnis geblieben, da Kisha die erste Patientin war, die wir mit einer Ifosfamid Intoxikation hatten.
Als eines nachmittags eine Kollegin Kisha versorgt, kommt diese vollkommen aufgelöst auf mich zu.
Kisha reagiere nicht mehr. Sie wirke somnolent, nur auf Schmerzreize gebe sie Geräusche von sich, würde aber weiterhin nicht ansprechbar sein. Wir verständigen den Dienstarzt, der zum Glück einer unserer Stationsärzte ist. Da er das gleiche feststellt nach einer Untersuchung,
aber selbst unsicher ist, ruft er den Oberarzt an, der Hintergrund hat. Der weiß sofort, das Ifosfamid ist schuld. Die Infusion wird gestoppt und wir bestellen aus der Apotheke notfallmäßig das Antidot, Methylenblau. Das kannte ich bis dahin nur als Färbemittel im Labor.
Wer es nicht kennt, es ist eine tintenblaue Flüssigkeit. Wir fangen dann direkt auch mit Infusionen an. Doch leider gehen die Zugänge immer wieder kaputt. Wir kontrollieren engmaschig, aber man kann erst bei Schwellungen erkennen, wenn ein Zugang kaputt ist. Da Kishas Haut sehr
sehr dunkel ist, macht es es sehr schwierig, die Blauverfärbung in der Haut zu erkennen, wenn ein Zugang para geht. Weswegen wir ständig rein gehen um zu kontrollieren. Kisha ist immer noch nicht bei Bewusstsein und kann sich daher nicht selbst melden. Sie hat keine Angehörigen
die sich um sie kümmern. Sie ist ganz alleine bei uns.
Am nächsten Tag ist Kisha ein wenig wacher. Sie hat immer wieder die Augen offen und schaut eher unfokussiert im Raum herum. Sie regagiert auf Ansprache mit dem Versuch eines Blickkontakts, auch wenn es ihr nicht richtig
gelingt. Dafür fängt sie an zu erbrechen. Und zwar giftgrün. Durch das Gelb der Gallenflüssigkeit und das Blau des Methylenblau gibt es ein giftgrünes Gemisch. Ebenso verfärbt sich der Urin grünlich. Wir lagern sie in einer starken Oberkörperhochlagerung, um zu verhindern,
dass sie beim erbrechen aspiriert.
Egal wie viel Antiemese sie bekommt, das erbrechen hört erst zwei Tage später auf.
Insgesamt braucht Kisha fast zwei Wochen, bis sie wieder voll da ist.
Sie übersteht das ganze ohne Langzeitschäden und sie besiegt auch den Krebs erfolgreich.
Ich habe vieles aus Kishas Geschichte mitgenommen. Wie immer auf neurologische Ausfälle zu achten unter Ifosfamid. Um schon früher erkennen zu können, wenn jemand so reagiert und es nicht so schlimm wird.
Aber auch, dass man bei sehr dunkler Haut eine deutlich bessere Kontrolle
braucht wenn man zum Beispiel nach Hämatomen oder Sonnenbrand sucht. Nur weil man es nicht sieht, heißt es nicht, es ist nicht da. Habt ihr also jemanden mit Verdacht auf Missbrauch oder nach einem Trauma schaut bitte dreimal hin um nichts zu übersehen. Methylenblau macht
übelste dunkelblaue Flecken in der Haut die wochenlang sichtbar sind, wenn es ins Gewebe läuft (bei heller Haut). Auch Kisha hatte diese Flecken, auch wenn wir sie nur sehr schwer bis nicht sehen konnten.

(Bildquelle Seilnacht.com)
Nach erfolgreicher beendeter Therapie kommt Kisha noch einmal zum danke sagen zu uns. Mit sehr breitem grinsen, denn die freut sich sehr, dass sie endlich wieder zurück nach Afrika darf. Ich hoffe sehr, dass es ihr auch heute noch gut geht. 💜

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