Jetzt also soll es eine Impfpflicht richten. Das ist einfacher und schwieriger als gedacht. (Thread)
Ab dem 1. Februar 2022 soll eine verpflichtende Covid-Impfung in Österreich gelten. Die einflussreiche britische Zeitung Financial Times räumte für diese “drastische Maßnahme” gar die Cover-Seite am heutigen Samstag frei: “Austria set to make jabs mandatory”. 2/
Wie sie aussieht, ist noch unklar. Hat man wieder einmal nicht vorbereitet. Die österreichische Politik denkt in was auch immer, aber nicht in Szenarien. Nicht im Worst-Case. 3/
Da hatte der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhofer (ÖVP) lieber noch eine Volksabstimmung zur Impfpflicht gefordert. Die Krisenlage ließ den populistischen Vorschlag zum Glück untergehen. Schützenhofer zum Krisenmanagement immerhin: „Erbärmlich"! 4/
Rechtlich steht einer einer Impfpflicht nichts im Wege. Schon 2012 entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte gegen die Klage eines Ukrainers, der in den 1990er-Jahren eine Diphterie-Impfung erhalten hatte - als die Krankheit im postsowjetischen Raum grassierte. 5/
Und als in sechs Fällen die Eltern tschechischer Kinder ab 2015 den Gerichtshof anriefen, da sie ihre Kinder nicht gegen Routinekrankheiten hatten impfen lassen wollten...
...erkannte Strassburg erst im April 2021, in der Impflicht “keine Verletzung von Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens)”. 6/7/
Ziel sei es, dass jedes Kind "gegen schwere Krankheiten geschützt ist, durch Impfung oder durch Herdenimmunität", sagten die Richter. 8/
Das Urteil des EMGR wurde von Rechtsexperten schon im Frühjahr als wegweisend für mögliche verpflichtende Covid-Impfungen gesehen. 9/
Auch in Österreich betritt die Politik damit kein Neuland. Am 30. Juni 1948 nickte der damalige Nationalrat die Schuldigkeit einer Pockenimpfung ab. Bis 1980 bekamen alle Kohorten an Schulkindern diesen Stich. 10/
Alles easy also? Mitnichten. Denn es ist unwahrscheinlich, dass die Impfpflicht alleine das Land auf eine Impfrate von über 90 Prozent bringen kann. Sie ist kein Heilsbringer. 11/
Vielmehr müssen die Nichtgeimpften direkt angesprochen werden. Mit konkreten Impfterminen, in Telefongesprächen. Mit Hartnäckigkeit. Das, so zeigen es Studien von Verhaltensökonomen, hätte den größten Effekt. 12/
Für die Politik bedeutet das: Nachdem sie angesichts der Lage zu einer alternativlosen Maßnahme durchgerungen hat, fängt die eigentliche Arbeit erst an. (Ende)
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