Wir erleben gerade das Ende von Sebastian Kurz. Jene, die ihn großgemacht haben, lassen ihn fallen. Wegen der wirtschaftlichen Folgen eines vermeidbaren Lockdowns. Und Umfragen & der Straße, die zeigen: die ÖVP hat die rechtspopulistische Führung verloren. Und jetzt? (Thread).
Salomon (Kurier) gibt Kurz plötzlich Schuld an Pandemie & Spaltung der Gesellschaft. Mayer (Standard), der Kurz gegenüber einst mehr als Fan denn als Journalist auftrat, fordert die ÖVP auf Kurz in die Wüste zu schicken. Kehrtwenden auch in Krone, Kleiner Zeitung & Presse.
Es hat gedauert. Aber mit der Verkündigung des Lockdowns aufgrund einer Pandemie, die er schon für beendet erklärt hatte, bricht Kurz nun auch der Überbau weg. Kurz ist am Weg vom Schmuck zum Schandfleck des Bürgertums.
Der Kipppunkt an dem „jene, die ihn engagiert haben, seine Dienste nicht mehr schätzen“ ist erreicht. Denn Kurz hat nicht geliefert: Die Beute für das Kapital seit 2017 erscheint als zunehmend unangemessen. tagebuch.at/debatte/der-we…
Der Preis des Kurzschen Populismus, den man einst willig beglich, ist zu hoch geworden: Zu sehr durchbrach er, was es zum Profite machen braucht: wirtschaftliche Vorhersehbarkeit und Stabilität.
Es zeigt sich die Schwachstelle autoritär-populistischer Strategien: Sie mögen kurz- bis mittelfristig geeignet sein, um Krisen zu bearbeiten und Profite zu sichern.
Sie gehen aber auch mit einer Unterhöhlung jener (staatlicher) Räume einher, in der langfristig belastbare Verwertungsbedingungen ausgehandelt werden können. Wenig macht das deutlicher als das misslungene Pandemiemanagement.
Ist dieses nun greifbar werdende Ende von Kurz Grund zur Freude? Kaum. Schließlich sind die Bedingungen, die ihn ermöglicht haben, eher verschärft worden:
Eine Hegemoniekrise der alten Ordnung, in der statt wirklichen Lösungen der Krise des Sozialen, der Ökologie und der Öffentlichkeit, vor allem auf Zeit gespielt wird.
Es ist diese Konstellation, die vor allem der FPÖ erneut den Weg bereitet. Sie zog in den letzten Monaten sogar ein Register, vor dem sie seit 1986 selbst zurückgeschreckt war: Die Mobilisierung auf der Straße und das Setzen auf den Aufbau einer rechten Massenbewegung.
Gerade darin liegt ein weiteres Moment bürgerlicher Enttäuschung. Schließlich konnte Kurz sein Versprechen nicht halten, den Rechtspopulismus nachhaltig zu integrieren und bürgerlich zu domestizieren.
Den „ramponierten Kinderstar“ (News) sind wir wohl los. Die Geister, die er rief und mit staatlichen Weihen versah, werden uns noch verschärft beschäftigen.
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Der Tatverdacht gegen Kurz & Co wird bisher: medial weitgehend unvollständig wiedergegeben. Es geht nicht allein, um Untreue & Bestechung. Sondern um die Veruntreuung von Mitteln der Republik, um die Demokratie zu kaufen & damit Artikel 1 der Verfassung zu unterlaufen (Thread).
Rechtlich sind die Verfahren abzuwarten. Das Substrat der Staatsanwaltschaft ist aber so dicht, dass politisch bereits folgendes klar ist: Es ging darum eine illiberale und gekaufte Demokratie u.a. durch Korruption der medialen Öffentlichkeit zu ermöglichen.
Erst, wenn die Dinge so beim Namen genannt werden, wird klar, was es jetzt braucht: 1) Das Parlament muss Kurz das Misstrauen aussprechen 2) Die ÖVP muss aus allen Staatsapparaten entfernt werden 3) Im Parlament muss ein Konsens gegen die gekaufte Republik erarbeitet werden.
Die Darstellung, dass sich die ÖVP-Landeshauptleute ganz geschlossen hinter Kurz gestellt haben, ist unrichtig. ➡️ Niederösterreichs Landeshauptfrau Mikl-Leitner sprach von einer „schwierigen Situation“ (1/4)
➡️ Markus Wallner (ÖVP Landeshauptmann von Vorarlberg) empfand die Vorwürfe als „schwerwiegend“, und wollte nicht an ihnen anstreifen: „Wir in den Ländern haben damit nichts zu tun.“ (2/4)
➡️ Der steirische Landeshauptmann Schützenhöfer (ÖVP) meinte: „Die Härte der Vorwürfe ist unfassbar. Sie hat eine Dimension erreicht, die an die Grenzen des Möglichen heranreicht“ (3/4)
Da die heutigen #Hausdurchsuchungen in der #ÖVP-Zentrale und im Bundeskanzleramt nicht so leicht nachzuvollziehen und zu bewerten sind - insbesondere, wenn man z.B. in Deutschland sitzt - versuche ich im Thread eine Einordnung:
Schon tagelang geistern Gerüchte durch die Republik, dass es bald in der ÖVP-Zentrale zu einer Hausdurchsuchung kommen werde. Die Vermutung: Wegen der Casinoaffäre, in der dem ehemaligen ÖVP-Finanzminister Amtsmissbrauch vorgeworfen wird. news.at/a/casino-affae…
Die Gerüchte wurden dabei von der ÖVP selbst durch skurrile Pressekonferenzen angefacht. Zuerst meinte die ÖVP-Generalsekretärin Schwarz hinsichtlich einer möglichen Durchsuchung: "Bei uns ist nichts mehr zu finden" kurier.at/politik/inland…
Das System Kurz in SMS: Generalsekretär des Finanzministeriums Schmid zu positiver Berichterstattung d. Zeitung Österreich an Kurz-Sprecher:„So weit wie wir bin ich echt noch nie gegangen. Geniales Investment. Fellner ist ein Kapitalist. Wer zahlt schafft an. Ich liebe das.“(1/3)
Die damalige Bundesministerin für Familien und Jugend der Republik Österreich (Sophie Karmasin) schreibt, nachdem die Berichterstattung mal nicht nach Wunsch ist an die Brüder Fellner (Herausgeber der Zeitung Österreich):
„Liebe Fellners, ausgemacht war: Do: Brexit. Sa: Maschinensteuer. So: Wirtschaftskompetenz und Standort, schuldenabbau und Einsatz von Steuergeld. Erschienen ist jedoch – private Story von Schelling. Das ist eine echte Frechheit und nicht vertraunsbildend. Wir sind echt sauer!!!"
6 Argumente/Hintergründe, warum diese #Steuerreform weder sozial noch ökologisch ist, sondern vor allem Unternehmen und Bessergestellten nutzt (Thread).
1) Die ganze untere Hälfte der Republik profitiert nicht von der Senkung der Einkommensteuer. Denn rund 42% in Österreich zahlen zwar Mehrwert- aber keine Einkommensteuer.
Der Grund: Ihr Einkommen sind aufgrund von z.B. geringen Löhnen und Teilzeit (hier sind besonders Frauen betroffen) so gering, dass sie keine Einkommensteuer zahlen (dazu kommt, dass es keine weitere Anpassung in der untersten Steuerstufe gibt).oe1.orf.at/artikel/295248…
Das Tabu der bisherigen Debatte über Afghanistan: EU-Waffen-Exporte, die es letztlich möglich gemacht haben, dass die Taliban mit Waffen aus der EU ausgerüstet waren. Darunter befanden sich auch österreichische Waffen: u.a. Steyr-Sturmgewehre & Hirtenberger-Granatwerfer (Thread)
Was dem Tabu zu Grunde liegt: Eine neue Studie des Transnational Institutes zeigt einmal mehr den engen Zusammenhang von EU-Waffenexporten und Fluchtursachen. tni.org/en/publication…
Exporte, die aufgrund des erfolgreichen Lobbyings der Waffenkonzerne, so die Studie, weniger geregelt sind als der Export von Nahrungsmitteln.