Da die heutigen #Hausdurchsuchungen in der #ÖVP-Zentrale und im Bundeskanzleramt nicht so leicht nachzuvollziehen und zu bewerten sind - insbesondere, wenn man z.B. in Deutschland sitzt - versuche ich im Thread eine Einordnung:
Schon tagelang geistern Gerüchte durch die Republik, dass es bald in der ÖVP-Zentrale zu einer Hausdurchsuchung kommen werde. Die Vermutung: Wegen der Casinoaffäre, in der dem ehemaligen ÖVP-Finanzminister Amtsmissbrauch vorgeworfen wird. news.at/a/casino-affae…
Die Gerüchte wurden dabei von der ÖVP selbst durch skurrile Pressekonferenzen angefacht. Zuerst meinte die ÖVP-Generalsekretärin Schwarz hinsichtlich einer möglichen Durchsuchung: "Bei uns ist nichts mehr zu finden" kurier.at/politik/inland…
Dann bezeichnete ÖVP-Abgeordneter Hanger nach rechtspopulistischem Muster ("Flood the zone with shit") die WKStA als "linke Zelle". Hintergrund: Die Korruptionsstaatsanwaltschaft macht ihren Job & ermittelt u.a. derzeit gegen Kurz & 5 ÖVP-Politiker kleinezeitung.at/politik/innenp…
Im Nachhinein stellt sich die Frage, wer die ÖVP vor den Hausdurchsuchungen gewarnt hat und was gefunden worden wäre, wenn die Ermittlungen nicht "durchgestochen" worden wären. All das verweist auf die jahrelang ausgebaute ÖVP-Macht in den Staatsapparaten.
Heute die Hausdurchsuchungen. Überraschung nur: Sie betrifft keine laufenden Verfahren, sondern 1en neuen Verdacht: Das ÖVP-Finanzministerium soll ab 2016 bei der Boulevard-Zeitung Österreich Inserate gekauft haben, um redaktionelle Mitsprache zu erhalten. derstandard.at/story/20001302…
Als Beschuldigte werden nicht nur Sebastian Kurz, sondern auch sein engstes Umfeld, die ehemalige Familienministerin (Karmasin), der ehemalige Generalsekretär des Finanzministeriums (Schmid) und die Brüder Wolfgang und Helmuth Fellner (Gründer der Zeitung Österreich) geführt.
Den Beschuldigten (für die die Unschuldsvermutung gilt) wird Untreue (Steuergeld für Inserate für politische Macht) Bestechung und Bestechlichkeit vorgeworfen.
Ab 2016 soll Steuergeld in der Höhe von 1,1 Mill. Euro aufgewandt worden sein, um Kurz als ÖVP-Vorsitzender durchzusetzen & zum Bundeskanzler zu machen. Dazu sollen für Kurz geschönte Umfragen und Inhalte auf Geheiß des Team Kurz in der Zeitung Österreich platziert worden sein.
Das untermauert die Staatsanwaltschaft auch mit Auszügen aus SMS, die in ihrem Ermittlungsakt beiliegen:
So schreibt der ÖVP-Generalsekretär des Finanzministeriums (Schmid) über entsprechende positive Berichterstattung an einen Kurz-Sprecher: „So weit wie wir bin ich echt noch nie gegangen. Geniales Investment. Und Fellner ist ein Kapitalist. Wer zahlt schafft an. Ich liebe das.“
Davor hatte sich die damalige ÖVP-Bildungsministerin (Karmasin) bereits direkt bei den Gebrüdern Fellner beschwert, wenn nicht wunschgemäß geliefert wurde: „Liebe Fellners, ausgemacht war: Do: Brexit. Sa: Maschinensteuer.“
„So: Wirtschaftskompetenz und Standort, schuldenabbau und Einsatz von Steuergeld. Erschienen ist jedoch – private Story von Schelling. Das ist eine echte Frechheit und nicht vertraunsbildend. Wir sind echt sauer!!! Mega sauer.“ diepresse.com/6043652/untreu…
Die Anordnung zur Hausdurchsuchung wurde bereits zur Gänze von ZackZack veröffentlicht. Die Verdachtslage ist darin so dicht, dass es aus heutiger Sicht überraschend wäre, wenn es zu keiner Anklage kommen würde. zackzack.at/2021/10/06/das…
Soweit der zentrale Sachstand. Wie kann man das nu alles einordnen? Ganz egal, ob es zu einer Anklage oder einer Verurteilung kommt. Schon jetzt ist klar, dass das System Kurz durch die Ermittlungen genau recherchiert und offengelegt wurde.
Mit öffentlichen Geldern wurden Medien gekauft, so dass Kurz in einem ersten Schritt die ÖVP übernehmen und zentralistisch auf ihn selbst ausgerichtet führen konnte. Im zweiten Schritt war mit gleichen Mitteln das Kanzleramt dran.
Das inhaltliche Projekt hat niemand besser als das Team Kurz selbst beschrieben: Im vom Falter (38/17) veröffentlichten Strategie "Projekt Ballhausplatz" hieß es: Kurz solle als "höflichere Strache" positioniert werden.
Mit der strategischen Spaltung der Gesellschaft (in "Wir" und rassistisch markierte "Andere") ging es darum eine Politik im Interesse von Vermögenden und der Wirtschaftsverbände trotz Krise über die Runden zu retten.
Wie sehr dazu auch die Formen bürgerlicher Demokratie untergraben wurden, ist früh sichtbar geworden. So meinte Kurz etwa nach seiner Ibiza bedingten Abwahl ganz im Jargon des autoritären Carl Schmitt: "Das Parlament hat bestimmt, das Volk wird entscheiden"
Nachdem die ersten Beschuldigungen gegen die ÖVP bzw. das System Kurz aufkamen, wurde strategisch der Rechtsstaat angegriffen, so dass sogar die bürgerlich geprägte Richtervereinigung Kurz kritisierte und vor der Gefährdung des Rechtsstaates warnte: derstandard.at/story/20001267…
Doch gerade diese schleichende autoritäre Neuformierung der Republik, die von Beginn an im Kern des Projektes von Kurz stand, wird auch den weiteren Verlauf der Causa Kurz prägen. mosaik-blog.at/sebastian-kurz…
Denn in einer vom Rechtspopulismus der FPÖ und ÖVP noch nicht verwüsteten Demokratie (auch im Hinblick auf innerparteiliche Demokratie) bzw. im Angesicht einer gut aufgestellten Opposition hätte Kurz heute schon zurücktreten müssen.
Doch angesichts der Verhältnisse in Österreich ist zu erwarten, dass sich das System Kurz in einen politisch Untoten verwandeln und seine bisherigen Muster vertiefen wird: 1) rassistisch konnotierte Ablenkungsmanöver 2) mediale Beeinflussung (u.a ORF)
3) Verstärkte Angriffe auf Justiz, Rechtsstaat und parlamentarische Demokratie. Kurz: Gerade Untote richten regelmäßig besonders viel Schaden an.
Wenn kein Aufbruch durch die Republik geht, wird wohl in letzter Instanz für das Schicksal von Kurz entscheidend sein, wie jene den Mehrwert des Systems Kurz einschätzen, die ihn einst engagiert und ermöglicht haben. tagebuch.at/debatte/der-we…
Korrektur: Das Zitat wurde im verlinkten Beitrag der Presse ursprünglich Karmasin zugeordnet, dürfte aber auch von Thomas Schmid sein: derstandard.at/story/20001302…
Und hier ein weiterer 🧩 im System Kurz auf den mich @broethaler aufmerksam gemacht hat:
Der Tatverdacht gegen Kurz & Co wird bisher: medial weitgehend unvollständig wiedergegeben. Es geht nicht allein, um Untreue & Bestechung. Sondern um die Veruntreuung von Mitteln der Republik, um die Demokratie zu kaufen & damit Artikel 1 der Verfassung zu unterlaufen (Thread).
Rechtlich sind die Verfahren abzuwarten. Das Substrat der Staatsanwaltschaft ist aber so dicht, dass politisch bereits folgendes klar ist: Es ging darum eine illiberale und gekaufte Demokratie u.a. durch Korruption der medialen Öffentlichkeit zu ermöglichen.
Erst, wenn die Dinge so beim Namen genannt werden, wird klar, was es jetzt braucht: 1) Das Parlament muss Kurz das Misstrauen aussprechen 2) Die ÖVP muss aus allen Staatsapparaten entfernt werden 3) Im Parlament muss ein Konsens gegen die gekaufte Republik erarbeitet werden.
Die Darstellung, dass sich die ÖVP-Landeshauptleute ganz geschlossen hinter Kurz gestellt haben, ist unrichtig. ➡️ Niederösterreichs Landeshauptfrau Mikl-Leitner sprach von einer „schwierigen Situation“ (1/4)
➡️ Markus Wallner (ÖVP Landeshauptmann von Vorarlberg) empfand die Vorwürfe als „schwerwiegend“, und wollte nicht an ihnen anstreifen: „Wir in den Ländern haben damit nichts zu tun.“ (2/4)
➡️ Der steirische Landeshauptmann Schützenhöfer (ÖVP) meinte: „Die Härte der Vorwürfe ist unfassbar. Sie hat eine Dimension erreicht, die an die Grenzen des Möglichen heranreicht“ (3/4)
Das System Kurz in SMS: Generalsekretär des Finanzministeriums Schmid zu positiver Berichterstattung d. Zeitung Österreich an Kurz-Sprecher:„So weit wie wir bin ich echt noch nie gegangen. Geniales Investment. Fellner ist ein Kapitalist. Wer zahlt schafft an. Ich liebe das.“(1/3)
Die damalige Bundesministerin für Familien und Jugend der Republik Österreich (Sophie Karmasin) schreibt, nachdem die Berichterstattung mal nicht nach Wunsch ist an die Brüder Fellner (Herausgeber der Zeitung Österreich):
„Liebe Fellners, ausgemacht war: Do: Brexit. Sa: Maschinensteuer. So: Wirtschaftskompetenz und Standort, schuldenabbau und Einsatz von Steuergeld. Erschienen ist jedoch – private Story von Schelling. Das ist eine echte Frechheit und nicht vertraunsbildend. Wir sind echt sauer!!!"
6 Argumente/Hintergründe, warum diese #Steuerreform weder sozial noch ökologisch ist, sondern vor allem Unternehmen und Bessergestellten nutzt (Thread).
1) Die ganze untere Hälfte der Republik profitiert nicht von der Senkung der Einkommensteuer. Denn rund 42% in Österreich zahlen zwar Mehrwert- aber keine Einkommensteuer.
Der Grund: Ihr Einkommen sind aufgrund von z.B. geringen Löhnen und Teilzeit (hier sind besonders Frauen betroffen) so gering, dass sie keine Einkommensteuer zahlen (dazu kommt, dass es keine weitere Anpassung in der untersten Steuerstufe gibt).oe1.orf.at/artikel/295248…
Das Tabu der bisherigen Debatte über Afghanistan: EU-Waffen-Exporte, die es letztlich möglich gemacht haben, dass die Taliban mit Waffen aus der EU ausgerüstet waren. Darunter befanden sich auch österreichische Waffen: u.a. Steyr-Sturmgewehre & Hirtenberger-Granatwerfer (Thread)
Was dem Tabu zu Grunde liegt: Eine neue Studie des Transnational Institutes zeigt einmal mehr den engen Zusammenhang von EU-Waffenexporten und Fluchtursachen. tni.org/en/publication…
Exporte, die aufgrund des erfolgreichen Lobbyings der Waffenkonzerne, so die Studie, weniger geregelt sind als der Export von Nahrungsmitteln.
Vergleichen wir die Aussagen von Herbert Kickl und Karl Nehammer zur Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK): Am 21.1.19 konfrontiert S. Schnabel im ORF-Report BMI Kickl damit, dass die von ihm angedachte Abschiebepraxis gegen die EMRK verstoße. Seine Antwort (Thread):
"Das Haus brennt doch, dort liegt der Schlauch, wir wissen genau, dass wir [ihn] nehmen müssen, um das Feuer zu löschen und dazwischen gibt es irgendwelche seltsamen rechtlichen Konstruktionen, [...] und die hindern uns daran das zu tun, was notwendig ist
Und deshalb möchte ich [...] mich auch anlegen mit diesen Regelungen [...]. Denn ich glaube immer noch, dass der Grundsatz gilt, dass das Recht der Politik zu folgen hat und nicht die Politik dem Recht.” Das war die Antwort von Kickl auf Schnabel. Und Nehammer?: