Die gegenwärtige „Impfdebatte“ lässt ein Unbehagen in mir entstehen. Sie fokussiert auf die Impfgegner und individualisiert damit. Der Fokus sollte aber ein anderer sein:
1) Welche gesellschaftlichen Verhältnisse produzieren in einem solchen Ausmaß (rassistische) Wahnvorstellungen und Angstzustände, dass breite Massen an abstruseste Verschwörungstheorien glauben?
Mit einem solchen Schwerpunkt würden nämlich Vereinzelung, Entfremdung und die Zerstörung von Räumen von Reflexion, Rationalität und Kritik und ihr Zusammenhang mit dem Spätkapitalismus in den Blick geraten.
Dass „wie“ der Impfdebatte hat daher durchaus seine liberale Rationalität: Wer individualisiert und von Verhältnisse abstrahiert, kann über die kapitalistische Verwüstung von Seele und Öffentlichkeit schweigen.
2) Welche Verantwortung tragen jene, die aufgrund ihrer Machtposition es in der Hand gehabt hätten, dass Menschen besser erreicht werden, die Pandemie strategisch bekämpft wird und damit tausende Leben gerettet werden?
Wie zynisch ist es, aus rechtspopulistischem Kalkül die Pandemie auf Rücken der Pflegenden durchbrennen zu lassen (ÖVP)?
Wie menschen- und lebensverachtend ist es (FPÖ), mit einem mächtigen Partei- und Kommunikationsapparat gegen eine Impfung zu mobilisieren, die Leben und Wohlergehen (zB Long-Covid) von Hunderttausenden schützt?
Mich bitte nicht falsch verstehen: Es braucht Nulltoleranz gegenüber Menschen, welche die Impfkampagne mit dem NS gleichsetzen und kein Problem haben mit der organisierten Rechten auf die Straße zu gehen.
Aber darüber sollten wir nicht aus dem Blick verlieren, welche gesellschaftlichen Verhältnisse und welche mit Macht ausgestatteten Entscheider uns in das Elend gebracht haben, in dem wir uns befinden.
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